Die neue Produktnorm EN 16034: Brandschutztüren „Made in Europe“

Die neue Produktnorm EN 16034 für Fenster, Türen und Tore mit Feuer- und Rauchschutzeigenschaften ersetzt nach dem Ende der sogenannten „Koexistenzphase“ am 1. November 2019 die bisher geltende DIN und stellt Produzenten von Brandschutztüren vor Herausforderungen, eröffnet aber auch neue Chancen.

In der Gemäldegalerie alter Meister in der Dresdner Sempergalerie wurden bei Sanierungsmaßnahmen T30-Türen in Sandsteinwände eingebaut. Obwohl der Einbau einer Brandschutztür nach Zulassung immer in eine nach DIN 4102 brandtechnisch klassifizierte Wand geschehen muss, gleichzeitig aber Natursteinwände nie klassifiziert sein können, haben die zurzeit relevanten Gesetze hier den Einbau dennoch gestattet. Die erlauben dem Türhersteller nämlich noch, auf solche Sonderfälle zu reagieren. Im Einzelfall kann zusammen mit einem Gutachter eine Lösung erarbeitet werden. Sobald die Regelungen der EU greifen, wird das auf diese Weise nicht mehr funktionieren, weil es kein Verfahren für Zustimmungen im Einzelfall mehr geben wird. Die CE-Normen lassen an solchen Punkten keine Toleranzen mehr zu. Es dürfen dann nur noch Brandschutztüren in geprüfte und klassifizierte Wände eingebaut werden. Im Dresdner Fall hätten die Sandsteinwände entsprechend ertüchtigt oder erneuert werden müssen. Solche Maßnahmen sind jedoch in der Regel nicht mit dem Denkmalschutz zu vereinen, und dadurch werden Planung und Ausführung kompliziert. Für diesen speziellen Fall bleibt es abzuwarten, was der Gesetzgeber vorschlägt, wenn die sogenannte „Koexistenzphase“ am 1. November 2019 vorüber ist, in der beide Regelungen (CE und DIN) noch gelten.

Unterschiede zum bisherigen Verfahren Für Hersteller haben sich die Prüfkriterien gegenüber der DIN-Prüfung lediglich im Detail verändert. Produkte mussten entsprechend angepasst werden. Das Sicherheitsniveau ist dabei natürlich gleich geblieben und alle baulichen Schutzziele wurden bewahrt. Im nationalen Verfahren waren bisher Aussagen aus Erfahrung des Gutachters beziehungsweise der Prüfstelle möglich. Im europäischen Verfahren geht das nicht mehr. Unterschiedlich große Erfahrungen der Gutachter beziehungsweise mehr oder weniger großzügige Auslegung von Prüfergebnissen sollen dadurch keinen Einfluss mehr auf das Ergebnis haben und somit unterbunden werden.

Eine weitere Änderung betrifft die Prüfungsstelle: Das DIBt ist nach europäischer Norm nicht mehr im Verfahren beteiligt. Das bedeutet, dass künftig nur noch die notifizierte Zertifizierungsstelle im Verfahren zuständig ist und die EXAP- und Klassifizierungsberichte kontrolliert. Einschlagende Unterschiede gibt es aus deutscher Sicht vor allem im Umgang mit Brandschutztüren mit „nicht wesentlichen“ oder „wesentlichen Abweichungen“. Erstgenannte kann zum Beispiel eine geringfügige Maßüberschreitung zu der zugelassenen Elementgröße sein. Im europäischen CE-Verfahren ist eine „nicht wesentliche Abweichung“ mit Herstellererklärung nicht mehr vorgesehen.

In Folge dessen sind die Regelungen bei Brandschutztüren mit „wesentlichen Abweichungen“ noch strenger gehandhabt. Im nationalen Verfahren ist zur allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung eine Zustimmung im Einzelfall der obersten Baubehörde des jeweiligen Bundeslandes möglich. Im europäischen Verfahren gibt es derzeit keine Regelung für Elemente mit „wesentlichen Abweichungen“ zum Klassifizierungsbericht.

Weitere Herausforderungen

Bislang war der inländische Markt durch das deutsche Zulassungsverfahren gegenüber ausländischen Lieferanten abgeschottet. Mit der neuen Norm öffnen sich die Märkte. Damit werden viel mehr Produkte auf den Markt kommen, was aber nicht zwingend bedeutet, dass diese eine vergleichbare oder bessere Qualität aufweisen. Wer auf Qualität setzt, muss sich in Zukunft noch besser informieren. Bei der Auswahl vieler Türbeschläge wie Türdrücker, Schlösser etc. stellt sich in Zukunft auch eine große Herausforderung. Bisher haben in Deutschland die DIN-Normen geregelt, wie Beschläge aus-zuführen sind und in welchen Maßen. Diese Normen ermöglichten den Austausch vieler Beschläge. Die europäischen Normen hingegen beziehen sich ausschließlich auf die Leistungseigenschaften von Beschlägen. Maße zum Beispiel, sind darin nicht geregelt. Die Vielfalt der Beschläge am Markt wird voraussichtlich deutlich größer sein, aber die Austauschbarkeit dagegen nicht gewährleistet.

Bedeutung für Architekten, Planer, Händler und Verarbeiter

Fest steht, dass sich Architekten, Planer, Händler und Verarbeiter konkret mit den Änderungen in der Planungs- und Realisierungsphase befassen und wir als Hersteller entsprechende Unterstützung und Transpa­renz leisten müssen. Für die Planung und den Einsatz von Brandschutzelementen sind zukünftig die Klassifizierungsberichte inklusive der technischen Dokumentation zu beachten. Der Klassifizierungsbericht gemäß EN 13501-2 ersetzt dann die allgemeine bauaufsicht­li­che Zulassung (abZ) für Feuer­schutz­abschlüsse beziehungs­weise das allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnis (abP) für Rauchschutztüren. In diesem Klassifizierungsbericht ist der gesamte Variantenbereich des Systems beschrieben, einschließlich des erweiterten Anwendungsbereichs dem sogenannten EXAP-Bericht.

Autor

Jürgen Ruppel ist Geschäftsführer der Schörghuber Spezialtüren KG in Ampfing.

Gegenübergestellt: deutsche und europäische Vorgaben zur Prüfung von Brandschutztüren*

Deutschland

1. Brand-, Rauch- und Dauerfunktionsprüfung nach DIN Normen (DIN 4102-5, -18, DIN 18095)

2. Zusammenfassung der Prüfergebnisse durch ein Gutachten der Prüfstelle

3. Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) als Grundlage für das Inverkehrbringen

4. Fremdüberwachung und Zertifizierung der Fertigung und des Qualitätssicherungssystems durch eine vom DIBt autorisierte Stelle

5. Kennzeichnung der Produkte mit dem Übereinstimmungszeichen der Länder „Ü“

Europa

1. Brand-, Rauch- und Dauerfunktionsprüfung nach EN Normen

2. Bericht zum erweiterten Anwendungsbereich nach EN Normen durch die Prüfstelle

3. Klassifizierungsbericht durch die Prüfstelle

4. Fremdüberwachung und Zertifizierung der Fertigung und des Qualitätssicherungssystems nach AVCP (Assessment and Verification of Constancy of Performance) System 1

5. Erstellen der Leistungserklärung und der CE-Kennzeichnung

*Die Reihenfolge orientiert sich in beiden Fällen nach der zeitlichen Abfolge eines Verfahrens

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