Brandschutz bei gedämmten Fassaden

Bei kleineren Gebäuden wird der Brandschutz oft nicht durch Planer oder Gutachten vorgegeben.Dann liegt die Verantwortung für eine korrekte Beratung und Ausführung beim Handwerker, der die gängigen Systeme, Baustoffklassen und die notwendigen Brandschutzmaßnahmen kennen muss.

Jedes WDVS muss bauaufsichtlich zugelassen werden, um auf den Markt zu gelangen. Bestandteil der Zulassung sind umfangreiche Brandsicherheitsprüfungen, nach denen das System einer bestimmten Baustoffklasse zugeordnet wird. Zwei Baustoffklassen sind für den Brandschutz von Fassaden maßgeblich: A1/A2 – „nicht brennbar“ und B1 – „schwerentflammbar“, wobei A1 das höchste Sicherheitsniveau bietet. Bei manchen Systemen wird die Euroklasse mit angegeben, die die nationale Klassifizierung ablöst. Diese in der EN 13 501-1 geregelten Klassen sind nicht direkt mit den Baustoffklassen nach DIN 4102-1 vergleichbar. So definieren die europäischen Klassen neben dem Brandverhalten auch so genannte Brandparallelerscheinungen wie Rauchentwicklung – gegliedert in drei Klassen s1, s2 und s3 – und das brennende Abtrop­fen von Baustoffen während eines Brandes, das mit d0, d1 und d2 beschrieben wird. Dabei gilt: Je höher die Zahl, desto schlechter das Verhalten im Brandfall.

Die Entscheidung für eine bestimmte Baustoffklasse und ein entsprechendes System richtet sich nach der Art und Nutzung des Gebäudes sowie dem individuellen Sicherheitsbedürfnis. Hierbei ist die Gebäudehöhe von Bedeutung: Je höher das Gebäude ist, desto strenger sind die Anforderungen an den Brandschutz. Bei Wohn- und Bürogebäuden der Gebäudeklassen 1 bis 3, also Gebäuden, bei denen der Fußboden des obersten Aufenthaltsraums die Höhe von 7 m über mittlerem Geländeniveau nicht überschreitet, sieht die Bauordnung eine normal entflammbare Außenwandbekleidung vor. Ab 22 m müssen generell Systeme der Baustoffklasse A verwendet werden; Einzelheiten regeln die jeweiligen Landesbauordnungen. Wichtig ist zudem, dass sich die Baustoffklassen nicht allein auf den Dämmstoff beziehen. Die bauaufsichtliche Zulassung gilt nur, wenn das vollständige System mit allen vorgesehenen Einzelkomponenten zum Einsatz kommt. Erst dann ist Verlass auf die angegebene Baustoffklasse des WDVS.

Auf Nummer sicher: vollmineralische WDVS

Wird ein WDVS fachgerecht und nach den Vorgaben der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen verbaut, bietet es hinreichend Schutz vor Bränden. Die höchsten Anforderungen in Sachen Brandschutz erfüllen vollmineralische WDV-System. Dämmstoff, Klebe- und Armierungsmörtel sowie Oberputz bestehen aus mineralischen, nichtbrennbaren Rohstoffen. Folglich werden vollmineralische Systeme in die Baustoffklasse A1 eingruppiert. Ihr hohes Sicherheitsniveau erleichtert zudem Planung und Verarbeitung. Die Brandschutzkonstruktion ist denkbar einfach, da sie keine aufwändige Detailausbildung erfordert. Im Gegensatz zu anderen Dämmsystemen kommen vollmineralische Lösungen ohne zusätzliche Brandriegel aus. Sie können zudem auch bei Hochhäusern mit einer Gebäudehöhe bis zu 100 m eingesetzt werden.

Maximale Dämmleistung ohne Materialwechsel

Neben den Klassikern Mineralfaser und EPS haben sich Hochleistungsschäume auf Basis von Resol für WDV-Systeme etabliert. Resol-Hartschaum weist einen Wärmeleitwert von 0,021 W/mK auf, und daher eine fast doppelt so hohe Dämmleistung wie bei anderen Systemen. Bei energetischen Sanierungen sind die Umbaukosten für die Anpassung von Dachüberständen und Detailanschlüssen geringer oder entfallen sogar komplett, zudem bleiben Tür- und Fensterlaibungen schlank. Systeme auf der Basis von Resol-Hartschaum wie „weber.therm plus ultra“ bieten einen guten Brandschutz der Baustoffklasse B1. Ein Dämmstoffwechsel in Fenster- und Türstürzen und im Sockelbereich ist nicht erforderlich, da das Material glutbeständig ist und nicht abtropft.

Schwerentflammbar: WDVS mit Polystyrol

Der am weitesten für ein WDVS verbreitete Dämmstoff  ist expandiertes Polystyrol, kurz EPS. Seine Beliebtheit resultiert aus einer hohen Dämmleistung und Wirtschaftlichkeit. Beim Brandschutz bleibt er unter dem Leistungsniveau der mineralischen Alternative. Um WDV-Systeme auf Basis von EPS in die Baustoffklasse B1 (schwerentflammbar) einordnen zu können, müssen zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden. Die EPS-Dämmung erhält dann Barrieren aus nicht brennbarer und formstabiler Mineralwolle, die im Falle eines Brandes das Übergreifen der Flammen auf die gesamte Fassade verhindert. Dabei werden um das gesamte Gebäude horizontal umlaufende Brandriegel aus Mineralwolle – so genannte Bauchbinden – angebracht.

Aktuelle Änderungen beim Brandschutz

Im Rahmen einer durch die Bauministerkonferenz beauftragten Versuchsreihe wurden konstruktive Maßnahmen erarbeitet, die mit EPS-Dämmstoff ausgeführte WDVS-Fassaden widerstandsfähiger gegen Brandbeanspruchungen von außen machen sollen. Daraus entwickelte Hinweise des DIBt sind seit dem 1.1.2016 Bestandteil der Zulassung für EPS-WDVS und somit verpflichtend umzusetzen.

Die Anforderungen im Überblick

Die Neuregelung bezieht ein weiteres Gefahren­szenario in den baulichen Brandschutz bei WDV-Sys­temen ein. Die bisherigen Brandschutzmaßnahmen zielten auf den Schutz vor Raumbränden, das heißt sie dienten vorrangig dazu, das Übergreifen von Bränden aus dem Gebäudeinneren auf die Fassade zu verhindern. Dabei wurde die komplette Fassade betrachtet. Nun wurde dies erweitert um das Szenario „Sockelbrand“, bei dem man von einer von außen an die Fassade herangetragenen Brandlast ausgeht. In einer „Schutzzone Sockel“ zwischen Gebäudesockel und dem dritten Geschoss werden daher künftig zusätz­liche Brandschutzmaßnahmen wirksam werden.

Die aktuelle Regelung erfordert daher ab 0 mm Dämmstoffdicke zusätzliche Brandriegel aus Mineralwolle (Sockelriegel; Riegel zwischen Geschossdecke EG und 1. OG, Zusatzriegel zwischen 2. und 3. OG sowie ein Abschlussriegel). Besonderer Aufmerksamkeit be­dürfen außerdem Flucht- und Rettungswege wie Durchfahrten, Laubengänge und Außentreppen. Diese sollten generell mit einer nichtbrennbaren Dämmung und einem mineralischen Putzsystem aus­ge­führt werden. Gleiches gilt für Untersichten (zum Beispiel Garagen, Arkaden, Rücksprünge, Balkone, Loggien).

Brandwände müssen im WDVS mit nichtbrennbaren Dämmstoffen ausgeführt oder überbrückt werden. Die vertikale Brandsperre muss mindestens 200 mm breit sein und die Dicke der Brandwand überragen. Die genaue Lage der Brandwände muss im Vorfeld der Ausführung ermittelt beziehungsweise durch die Bauleitung vorgegeben werden. Geregelt ist dies in § 30 der Musterbauordnung (MBO). Länderspezifisch abweichende Anforderungen zur Ausführung von Brand­überschlägen sind möglich.

Details zu den aktuell geltenden Regelungen finden sich im „Kompendium WDVS und Brandschutz“ des Fachverbands WDVS.

Fazit

Alle WDVS-Komponenten von Marken-Herstellern unterliegen einer regelmäßigen Qualitätsüberwachung. WDV-Systeme müssen stets mit den in der bauaufsichtlichen Zulassung vorgesehenen Einzelkomponenten zur Anwendung kommen, andernfalls ist die angegebene Baustoffklasse nicht mehr nachgewiesen. Bei Fassaden, die mit EPS-Systemen gedämmt sind, müssen abhängig von Gebäudehöhe, Dämmstoffdicke und Gebäudenutzung zusätzliche Maßnahmen zum Brandschutz ergriffen werden. In der aktuell geltenden Regelung sind neben Maßnahmen zum Schutz gegen Raumbrand zusätzlich Maßnahmen gegen Sockelbrand vorgesehen. Bei Systemen auf Basis von Resol-Hartschaum sind diese zusätzlichen Maßnahmen nicht erforderlich. Die „Bestnote“ A1 erreichen vollmineralische Wärmedämm-Verbundsysteme auf der Basis von Mineralwolle. Bei Objekten, in denen der höchste Brandschutz erfordert oder gewünscht ist, sollte auf diese Lösungen zurückgegriffen werden.

Autor
Dipl.-Ing. Georg J. Kolbe studierte Bauingenieurwesen an der Fachhochschule Bochum. Er ist Leiter des Produktmarketings Fassade und Boden bei der Saint-Gobain Weber GmbH in Düsseldorf.
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