Digitale Bettenburg
Umbau und Restaurierung der Jugendherberge im Kornhaus der Nürnberger Kaiserburg

Die im April 2013 in einem als Kornhaus erbauten Teil der Nürnberger Kaiserburg eröffnete Jugendherberge ist eine Zeitmaschine: 1495 erbaut, in den 1930er Jahren zur „Reichsjugendherberge“ umgebaut, im Krieg zerstört und danach wieder aufgebaut, ist sie heute die modernste Jugendherberge der Welt.

Ab 1050 residierten die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches über ein halbes Jahrtausend lang in der Nürnberger Kaiserburg. Als jüngster Teil der Wehranlage kam 1495 das so genannte Kornhaus auf der Veste hinzu. Es diente bei Kaiserbesuchen als Stallung, wurde hauptsächlich jedoch als Speicher genutzt. Zuletzt war es eine Kaserne.

Große Veränderungen hatte der Umbau von 1937 bis 1938 nach Plänen des Architekten Julius Lincke zur „Reichsjugendherberge“ zur Folge. Im Zweiten Weltkrieg so gut wie vollkommen zerstört war es wiederum Julius Lincke, der zu Beginn der 1950er Jahre den Wiederaufbau des Gebäudes als Jugendherberge leitete. Dieser Bauzustand wurde unter Denkmalschutz gestellt.

Betonsanierung der „Holzbauteile“ 

Um beim Wiederaufbau mit Standsteinsäulen und Ziegelbögen in Bezug auf den Brandschutz nicht die gleichen „Fehler“ wie im Mittelalter machen, erbaute man vier Geschosse des Dachstuhls, die Decken sowie die Treppen und Geländer aus Stahlbeton. Alles, was auch heute noch oberflächlich wie Holz aussieht, ist also braun und weiß gestrichener Beton. Das liegt vor allem daran, dass man sich damals formal an die ursprünglichen Holzbalkendecken und hölzernen Treppen anlehnte und Holzbretter als Schalungen für die Betonbalken und Betondeckenbretter verwendete, deren Maserung die Oberfläche dieser Betonbauteile prägte.

Da der wieder aufgebaute Gebäudezustand unter Denkmalschutz steht, galt es bei der im Februar 2011 begonnenen Sanierung für die Architekten und Handwerker, sich mit diesen Betonbauteilen auseinanderzusetzen. „Was man damals gemacht hat, war eine absolute Minimierung der Betonstärken“, sagt Susanne Klug vom Nürnberger Architekturbüro Fritsch+
Knodt&Klug, das 2009 gemeinsam mit dem Münchner Architekturbüro Franchi & Dannenberg Architecture & Design das zweistufige VOF-Verfahren zur Sanierungs- und Umbauplanung des Kornhauses gewann. Zunächst mussten daher – wie durchaus üblich – die Betonüberdeckung geprüft, korrodierte Eisen gereinigt und die Überdeckung an vielen Stellen erneuert werden. Das eigentliche Problem waren jedoch die recht unterschiedlich dicken Betondecken. Da der alte Estrich auf den zum Teil nur 6 cm dicken Decken in Bezug auf den Schallschutz miserabel war, entfernten die Handwerker diesen komplett. Dabei gingen rund 200 der dünnen „Betondeckenbrettchen“ auf den Betondeckenbalken kaputt. Diese mussten die Rohbauer mit dem originalen Schalungsbild wieder herstellen.

Den neuen Estrich verlegten die Handwerker als Trockenestrich. „Aber auch den mussten wir an allen Ecken und Enden minimieren. Zum einen, damit das Gewicht möglichst gering bleibt, zum anderen, damit an den Übergängen keine Schwellen entstehen“, so Architektin Klug. Nur im zweigeschossigen Eppeleinsaal im dritten und vierten Obergeschoss und im Erdgeschoss verwendeten die Handwerker andere Estriche. Der Eppeleinsaal erhielt einen Gussasphaltestrich, da hier eine besonders geringe Aufbauhöhe erforderlich war. Auf die neue Stahlbetonbodenplatte im Erdgeschoss gossen die Handwerker einen Zementestrich als Heizestrich, der eine hellgraue Industriebodenbeschichtung erhielt.

Umgang mit den Decken für den Einbau neuer Bäder 

Jedes Zimmer sollte nach dem Umbau ein eigenes Bad mit getrennt nutzbarer Dusche, Toilette und Waschtisch bekommen, was insbesondere bei Mehrbettzimmern von Vorteil ist. Die Tragkraft der alten Betondecken reichte dafür jedoch nicht aus. Die Handwerker schnitten im ersten und zweiten Obergeschoss etwa ein Drittel der alten Betondecken heraus und verschlossen die Öffnungen für den Einbau der neuen Sanitäreinrichtungen mit deutlich tragfähigerem Stahlbeton. Auch die Querwände mussten herausgebrochen werden, damit diese als Leichtbauwand wieder aufgebaut die Installationen für die Bäder aufnehmen können. „Immer zwei Bäder stehen spiegelverkehrt zueinander“, erklärt Architektin Klug. Die drei unterschiedlichen Betondeckenarten im Gebäude – Stahlbeton-, Rippen- und Hohlsteindecken – machten den Architekten und Handwerkern auch in Bezug auf die neuen Installationen Sorgen. „Die Decken sind so unterschiedlich konstruiert, dass wir so gut wie kein Rohr gerade von oben nach unten, sondern fast alle Rohre gewinkelt führen mussten“, erinnert sich Susanne Klug.

Verschlungene Wege der Erschließung 

„Es gab als vertikale Erschließung einen bestehenden Auszug mit Treppenhaus und die so genannten Himmelsleitern in der Mitte der Flure, die bis ins zweite Obergeschoss hinauf führen“, so Architektin Klug. Das allein reichte als Erschließung für eine moderne Jugendherberge natürlich nicht aus. Daher durchbrachen die Handwerker die Decken vom Erdgeschoss bis ins dritte Obergeschoss dort, wo früher die heute überflüssig gewordenen Gruppenbäder waren, um einen zusätzlichen Aufzug und eine weitere Treppe einbauen zu können.

Zudem gab es im westlichen Teil des Gebäudes keine Verbindung zwischen dem zweiten und dritten Obergeschoss. Zwischen diesen Geschossen gruben sich die Handwerker hindurch und entdeckten dabei eine mittelalterliche Sandsteintreppe, die offensichtlich die Beschädigungen durch den Krieg überstanden hatte. Sie wurde von einer Stahltreppe überbaut in den so neu geschaffenen Rettungsweg eingebunden.

Eine weitere Treppe befindet sich in dem zum Gebäude gehörenden Turm Luginsland. Diese ist von den Gestaltungsmerkmalen aus der Zeit des Wiederaufbaus geprägt, ist also ein typisches Original der 1950er Jahre, das selbstverständlich auch unter Denkmalschutz steht und daher erhalten werden musste. Um die Treppe den heutigen Anforderungen anpassen zu können, ließ sich die Denkmalpflege auf eine Erhöhung des Handlaufs in zeitgemäßer Form und jeweils einen neu zwischen die gekreuzten Geländerstäbe eingeschweißten Stahlgeländerstab ein.

Farbige Gestaltung zwischen Historie und Moderne 

Die außen neu verfugte Sandsteinfassade erhielt zur energetischen Ertüchtigung auf ihrer Innenseite überall dort einen 8 bis 10 cm dicken mineralischen Dämmputz, wo man verputzte Flächen vorgefunden hatte. Was die farbige Fassung der Wände anbelangt, wurde ein Restaurator eng mit in die Befunduntersuchung eingebunden. Anhand seiner Befunde versuchten die Architekten, die Farbfassung des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg in den unteren Geschossen wieder herzustellen. Auf den Dämmputzoberflächen arbeiteten die Maler mit weißen und anthrazit eingefärbten Silikatfarben, damit der Außenwandaufbau diffusionsoffen bleibt. Die übrigen Wände erhielten im öffentlichen Bereich abwaschbare Latexfarben. Die Deckenbalken wurden angeschliffen, um den öligen Charakter der Oberflächen zu entfernen und anschließend in Abstimmung mit der Denkmalpflege matt braun gestrichen (ebenfalls mit einer Farbe der Firma Brillux. „Die Gästezimmer haben wir weiß gestrichen und die Flure in den Obergeschossen in den Farben blau, altrosa und apfelgrün, die die Architekten ausgewählt hatten“, so Malermeister Holger Bierbaum von der mit den Malerarbeiten beauftragen Firma Michael & Theo Fesel aus Nürnberg.

Gestaltung einer Zeitmaschine mit QR-Codes 

„Wir wollten eine Farbgestaltung, die historische Symbole mit Mitteln der modernen Kommunikation interpretiert“, sagt Susanne Klug. Herausgekommen ist dabei ein Gestaltungselement, das den Besucher schon im Erdgeschoss verdeutlicht, dass es sich hier um eine Jugendherberge handelt, die im digitalen Zeitalter angekommen ist: eine große in schwarz-weiß auf eine hinterleuchtete Glasscheibe gedruckte Rosette, in deren Mitte ein QR-Code Informationen über die Geschichte des Gebäudes vermittelt. Diese Gestaltung wird in den Fluren der Obergeschosse fortgesetzt. Hier brachten die Handwerker mit Schablonen fantasievolle Pflanzen- und Wappenornamente an die Wand, die historische Symbole der Stadtgeschichte Nürnbergs wiedergeben, in die QR-Codes integriert sind. Diese führen beim Einscannen mit dem Mobiltelefon zu kurze Infofilme zu den jeweiligen historischen Themen. Für den Entwurf der Grafiken hat das Architekturbüro Franchi & Dannenberg in München eigens einen Grafiker engagiert, der aus den Entwurfszeichnungen am Computer Daten generierte, die er an die Eicher Werkstätten nach Kernen im Remstal schickte. „Wir sind auf großformatige Wandmalereien und Grafik im Raum spezialisiert“, sagt Igor Danilevski, Projektleiter für die Jugendherberge in Nürnberg bei den Eicher Werkstätten. In Kernen im Remstal wurden die Daten mit einem Schneideplotter in Papierschablonen geschitten, die sich später rückstandslos von den Wänden wieder abziehen lassen. „Die Grafik muss dabei in Segmente aufgeteilt werden, da es die selbstklebenden Papierschablonen zwar in endlos langen, aber nur 1,22 m breiten Bahnen gibt“, so Igor Danilevski. Auf der Baustelle wird die Grafik dann aus den einzelnen Bahnen von oben nach unten aufgeklebt und alles darum herum mit Folie abgeklebt. Zunächst wird die Originalfarbe der Wand mit kleinen Schaumwalzen aufgetragen. „Die Originalfarbe schließt die Kanten der Schablonen und sorgt so dafür, dass die Grafik später scharfe Kanten bekommt“, erklärt Danilevski. Erst danach wird nach einer Trocknungszeit von einer Nacht die für die Grafik ausgewählte Farbe – in Nürnberg handelt es sich um Latexfarben, da auch die Untergründe aus Latexfarben bestehen – mit der Schaumwalze aufgetragen. Die hierfür verwendeten Farben gehen von hellen in dunkle Töne über. Je nach Farbton benötigten die Mitarbeiter der Eicher Werkstätten zwei bis drei Anstriche. Anschließend werden die Schablonen von der Wand abgezogen und die Grafiken dort, wo dies erforderlich ist, mit zum Teil winzigen Pinseln retuschiert. „Auf diese Weise können wir fast beliebig groß Wandgrafiken auf Flächen bis zu 25 m x 25 m umsetzen“, meint Igor Danilevski.

Weiter geht es in der Zeitschrift dach+holzbau

Über die Sanierung des Stahlbeton- und Holzdachstuhls sowie über die Neueindeckung der 71 Grad steilen Dachflächen mit ihren zahlreichen Gauben berichten wir in der kommenden Ausgabe der Zeitschrift dach+holzbau.

Autor

Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

Baubeteiligte (Auswahl)

 

Bauherr und Nutzer Deutsches Jugendherbergswerk Landesverband Bayern, München 

Planung und Bauleitung Arge Fritsch+Knodt&Klug ArchitektInnen, Nürnberg, Franchi&Dannenberg

Architecture & Design, München 

Statik WSP Deutschland, München 

Rohbauarbeiten Projektbau Regner, Furth im Wald 

Natursteinarbeiten Ellwart Steinrestaurierung, Bamberg 

Zimmererarbeiten Zimmerei Matthias Augustin, Hainichen / L.u.H. Keilholz, Nürnberg 

Dachdeckerarbeiten Janker, Röthenbach a.d. Pegnitz 

Putzarbeiten Starlux, Nürnberg 

Bohrlochinjektion MBS Mauss Beton- und

Bauwerksanierung, Erlangen 

Trockenbauarbeiten Paul & Breitmeier, Magdeburg 

Holzrestauration Norbert Lenk, Neunkirchen am Brand 

Rekonstruktion historischer Türen Fuchs+Girke, Ottendorf-Okrilla 

Malerarbeiten Kobra, Theißig / Michael & Theo

Fesel, Nürnberg 

Wandgrafiken Eicher Werkstätten, Kernen im Remstal 

Trockenestricharbeiten Holz Bösl, Ursensollen 

Estrichlegerarbeiten Rüttger, Emskirchen

 

Baudaten (Auswahl)

 

Nutzfläche 4040 m2

Bruttogrundfläche 8290 m2

Bruttorauminhalt 24 592 m2

Gesamtbaukosten etwa 20 Mio. Euro 

 

Herstellerindex (Auswahl)

 

Dämmputz Saint-Gobain Weber, Düsseldorf, www.sg-weber.de 

Innenfarben Brillux, Münster, www.brillux.de

Im Internet finden Sie weitere Fotos aus der Jugendherberge in Nürnberg. Geben Sie hierzu bitte den Webcode in die Suchleiste ein.

Weitere Informationen zu den Unternehmen
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