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Die besten Handwerker im Portrait, Teil 6: Kreß Bau- und Stuck GmbH

Wir sind auf dem flachen Land, 30 Kilometer nordwestlich von Nürnberg, in Gerhardshofen. Dort ist der Bau- und Stuckbetrieb Kreß ansässig. Es ist ein kleiner aber feiner Familienbetrieb mit sechs Mitarbeitern. Der Chef hat das Handwerk von der Picke auf gelernt und vor allem das Ganze im Blick: „Das Zusammenspiel der Gewerke ist wichtig für das Endprodukt“, sagt Gerhard Kreß. Seine Leidenschaft gilt vor allem dem ökologischen Bauen, auch wenn er dies nicht immer umsetzen kann.

Das Haus der Familie Kreß liegt im Neubaugebiet der kleinen Ortschaft Gerhardshofen in Mittelfranken am Rande des Steigerwaldes. Ein gelb verputztes Ziegelhaus mit Holzverschalung am Giebel empfängt den Besucher, Weinreben ranken die Wände hoch. Das Holz ist unbehandelt und vergraut allmählich. Gerhard Kreß, Inhaber der Kreß Bau- und Stuck GmbH, empfängt den Besucher mit einem freundlichen Lächeln und mit sympathischem fränkischen Akzent. Noch schnell den Meterstab und einige Unterlagen geschnappt, dann geht es auf Baustellentour.

Der Einzugsbereich des kleinen Handwerksbetriebs hat einen Radius von rund 40 Kilometer, dementsprechend lange geht die Fahrt über Hügel, durch Wälder und kleine Ortschaften zur ersten Baustelle in das Städtchen Höchstadt an der Aisch. Gerade sind drei Mitarbeiter der Firma dabei, den Giebel eines Einfamilienhauses aus den 1960er Jahren abzutragen. Begonnen hatten die Arbeiter vor drei Tagen. Der Auftrag: Rückbau des Dachstuhls, Erhöhung des Kniestocks um rund einen halben Meter und Neubau des Giebels mit Wärmedämmziegeln sowie Aufdachdämmung auf den neuen Dachstuhl. Die Gerüstbau-, Maurer-, Stuck- und Malerarbeiten übernimmt dabei die Firma Kreß, die Zimmererarbeiten erledigt ein Subunternehmer.

 

Kommunikation auf der Baustelle ist wichtig

 

Auf der Baustelle wuseln insgesamt acht Männer und Frauen herum. „Der Bauherr leistet viel Eigenarbeit“, sagt Kreß. Für den Mann vom Bau kein Problem, im Gegenteil. „So lernt man die Bauherren ganz anders kennen.“ Nur logisch, dass sich aus einem Auftrag dann auch Folgeaufträge entwickeln können. „In der näheren Umgebung spricht sich herum, wer was macht und bei Maurer- und Stuckarbeiten geht man eben zum Kreß.“ Er sagt´s und erkundigt sich noch beim Polier nach dem derzeitigen Stand der Arbeiten – alles scheint nach Plan zu laufen. Der Rückbau des Daches geht schnell voran: Die Arbeiter, allesamt ausgelernte Maurergesellen, hängen die ausgebauten Dachsparren an den Kranhaken und lassen das Bündel Sparren auf einem Hänger ab. Die Entsorgung wird dem Bauherrn überlassen. Kreß nimmt noch die gerade angelieferten Ziegel in Augenschein und misst nach, hält ein kurzes Schwätzchen mit dem Bauherrn  – dann geht es weiter, zur nächsten Baustelle. „Ich fahre täglich die Baustellen ab und erkundige mich nach dem Stand der Dinge“, erklärt der 47-jährige. „Für mich ist Kommunikation sehr wichtig“, ergänzt er und meint damit sowohl das Gespräch mit dem Bauherrn, als auch das Gespräch mit seinen Angestellten.

Die Fahrt geht nach Wilhermsdorf, ebenfalls einer kleinen Ortschaft in Mittelfranken. Von einem Bauträger hat Kreß hier den Auftrag für einen Rohbau übernommen. In die Arbeiten eingeschlossen sind der Estrich und die Ausmauerung des Heiz- und Pelletslagerraumes. Ein junger Geselle arbeitet draußen mit dem Auszubildenden im ersten Lehrjahr: Gemeinsam bringen sie die Dämmung an der Kelleraußenseite gegen das Erdreich an. Im Keller werden von einem weiteren Maurergesellen letzte Arbeiten im Heizraum absolviert. Er verputzt die Versorgungsluke für den Pelletsraum. Aufträge von einem Bauträger sind allerdings ungewöhnlich und selten für den Maurerbetrieb. „Manchmal können wir so aber Engpässe überbrücken“, sagt Kreß. Dies hilft zwar dem kleinen Betrieb auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, allerdings kann Kreß hier seine eigentlichen Vorstellungen vom Bauen nicht immer verwirklichen.

 

Verfechter des nachhaltigen ökologischen Bauens

 

Denn die eigenen Vorstellungen, die Philosophie, wie Gerhard Kreß das nennt, gilt dem nachhaltigen ökologischen Bauen. Nach seiner Lehre im elterlichen Betrieb schloss er 1985 die Meisterschule im Maurerhandwerk erfolgreich ab und bestand 1987 das Examen zum geprüften Restaurator im Maurerhandwerk. 1993 schließlich legt er noch einen Meistertitel drauf: Seit der Meisterprüfung, die er in Nürnberg ablegte, ist er nun auch Stuckateurmeister. Zahlreiche Zusatzqualifikationen (zum Beispiel für bautechnische Nachweise – Stichwort Energieberater) zeichnen seinen weiteren Lebensweg. 2001 legte er in Feuchtwangen die Prüfung für das Zeichen „Bauen mit Innungs-Qualität“ ab. Die Ausbildung zum Baubiologen beim TÜV in Regensburg (dreimal 14-tägig) schließlich unterstreicht seine ökologische Sichtweise, die er gerne in großem Stil am Bau umsetzen würde. „Da würden wir gerne hinkommen“, sagt er. Dass dieser Weg nicht einfach ist, beweist die tägliche Praxis: „Man muss in der Kommunikation mit ökologischen Themen nach außen vorsichtig sein.“ Immer noch würde er von Manchem als „Spinner“ tituliert, wenn er seine Kenntnisse der Baubiologie offen legt. Dabei beweist er mit seinen eigenen vier Wänden, dass eine konsequente biologische Bauweise möglich ist: Bei seinem Eigenheim aus dem Baujahr 1995 wurde die monolithische Bauweise konsequent verfolgt, die Dachdämmung besteht aus Zellulose, die Außenverschalung aus unbehandeltem Lärchenholz. Die Südausrichtung und große Fenster tragen dazu bei, dass Energie eingespart wird. Aus baubiologischer Sicht ist auch die weitgehende Vermeidung von Stahl erwähnenswert. Auch die Wärmeversorgung ist unkonventionell – die Beheizung der Wohnung erfolgt mit einer Hypothermal-Ziegelwandheizung. Der geschlossene Warmluftkreislauf in der Ziegel-Vorsatzschale erzeugt eine gleichmäßig milde Strahlungswärme, ohne Staubaufwirbelung im Raum. Die monolithische Bauweise wurde auch bei den Decken konsequent verfolgt. Diese stellten die Handwerker mit Einhängeziegeln her. Auch, weil in der Region die Ziegelindustrie eine große Rolle spielt. „Warum nicht die Rohstoffe, die vor Ort vorkommen, verwenden?“, fragt Kreß und gibt damit gleich die Antwort. Seine konsequent ökologische Haltung drückt sich auch in der Kritik gegenüber dem kompletten Abdichten eines Gebäudes mit einem Dämmpanzer aus. Seiner Ansicht nach ist es ökologisch eigentlich wenig sinnvoll, mit hohem Energieaufwand hergestellte Dämmplatten aus Styropor oder Ähnlichem zu verwenden. „Der richtige Ansatz wäre, die gesamte Energiemenge eines Baustoffs mit in die Energiekostenrechnung einzubeziehen“, sagt der Öko-Verfechter. Nicht nur die Herstellung, sondern auch die Entsorgung und laufende Kosten seien zu berücksichtigen. „Der Energieaufwand für eine immer notwendig werdende Wohnraumlüftung wird selten mit einberechnet“, ist sich Kreß sicher. Ein weiterer Energieverbraucher, den er durch die monolithische Bauweise – und dem damit einhergehenden, gesunden Raumklima – bei seinem eigenen Haus dauerhaft einsparen kann.

 

Betrieb in vierter Generation

 

Und was sagen seine Mitarbeiter zu diesen Ansichten? „Die ziehen mit“, sagt Kreß zufrieden. Nicht immer seien zwar alle der gleichen Meinung, oft gäbe es auch Diskussionen, aber insgesamt fänden sie den ökologischen Ansatz gut.

Vor kurzem erst hätten zwei seiner Gesellen eine Farbe nicht verarbeiten wollen, weil darin Lösungsmittel enthalten waren. „Es reift langsam“, sagt Gerhard Kreß, der sich erst im Laufe der Jahre dorthin entwickelt hat, wo er heute steht. Seit 1996 führt er den Betrieb in der nun vierten Generation.

Eigentlich wollte er nach der Lehre auch auf die Walz gehen, aber seine Eltern waren damals dagegen. „Die Zeiten waren eben anders“, sagt er und fügt hinzu: „Ich habe das durch zahlreiche Fortbildungen und Ausbildungen ausgeglichen.“ So ist er auch für die Sanierung von Altbauten nach und nach zum Spezialisten geworden. Nicht selten tritt deshalb das Denkmalamt an den Franken heran: Vor Kurzem erst hat er eine Kirchenmauer im Nachbardorf grundlegend saniert.

Mitarbeitertreffen und der

Umgang untereinander

 

Die gewerkeübergreifende Auseinandersetzung mit verschiedensten Themen haben ihn aber nicht nur auf dem Bau zu einem ganzheitlich denkenden Menschen werden lassen. So wie Gerhard Kreß bei technischen Neuerungen innovativ ist, so führt er auch seinen Betrieb: Regelmäßige Mitarbeitertreffen seien wichtig, um den Zusammenhalt zu stärken und betriebliche Neuigkeiten zu verkünden, sagt er. Dabei wird dann auch schon einmal Tacheles geredet. „Meine Männer sollen auch Dinge ansprechen, die ich zunächst nicht gut finde.“ Die Strategie, einen offenen Umgang zu pflegen, geht für ihn auf: „Nur wenn man Freiheiten gibt, kann man Selbständigkeit fördern“, ist er sich sicher. Der ruhige Mann hat es so schon weit gebracht. Und mit dem relativ kleinen Betrieb ist er flexibel genug, um schnell auf Aufträge reagieren zu können. „Die Größe ist für mich genau richtig, dann kann ich selbst noch mitarbeiten.“ Er sagt´s und seine Augen blitzen – nichts scheint dem Franken so viel Freude zu bereiten als selbst auf der Baustelle Hand anzulegen.

Ausblick

 

Braucht man bei so viel Elan und Qualifikationen noch Visionen für seinen Beruf? „Ja“, sagt Gerhard Kreß. „Ich möchte ein Haus bauen, das allergikergerecht ist und komplett nach baubiologischen Gesichtspunkten konstruiert wurde.“ Er würde dies nicht sagen, wenn es unmöglich wäre – es ist mehr als ein Traum und er arbeitet daran.

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