Kraftschlüssig
Vollgewindeschrauben als Verbindungsmittel im Holzbau

Der Holzbau hat in den vergangenen Jahren eine rasante Entwicklung hinter sich, die den Einsatzbereich und die Leistungsfähigkeit dieser Bauweise wesentlich vergrößert hat. Die Weiterentwicklung der Verbindungsmittel – insbesondere bei den Vollgewindeschrauben – hat daran einen erheblichen Anteil.

Als altbekannte Verbindungsmittel werden in der Bemessungsnorm für den Holzbau – der DIN 1052 – die genormten Holzschrauben mit einem Gewinde nach DIN 7998 zugelassen, die dabei mindestens einen Nenndurchmesser von 4 mm haben müssen. Dies entspricht dem Schaftdurchmesser. Charakteristisch an diesen Schrauben ist, dass das Gewinde nur über etwa 60 Prozent der Schraubenlänge reicht und der Durchmesser des Schaftes dem des Außengewindes entspricht.

Von Nachteil ist jedoch, dass diese Schrauben nur nach Vorbohren in Holz eingeschraubt werden können. Bei Schrauben mit Durchmessern > 8 mm ist sogar ein doppeltes Vorbohren erforderlich – einmal der Gewindebereich mit 0,7 x Schaftdurchmesser (d) und dann das zu verbindende Teil mit dem Schaftdurchmesser (d).

Bei einer Beanspruchung auf Herausziehen wird die Tragfähigkeit meist durch das Kopfdurchziehen beschränkt, was bedeutet, dass entweder die Gewindetragfähigkeit nicht ausgenutzt werden kann oder Unterlegscheiben verwendet werden müssen.

Bei einer Beanspruchung auf Abscheren schneiden Schrauben im Vergleich zu Nägeln mit gleichem Nenndurchmesser schlechter ab, weil bei Schrauben wegen des kleine­ren Kerndurchmessers eine geringere Tragfähigkeit gegeben ist. Zwar darf ein gewisser Einhängeeffekt berücksichtigt werden, dieser ist aber durch die beschränkte Kopfdurchziehtragfähigkeit begrenzt. Der Einsatz genormter Holzschrauben mit Durchmessern > 8 mm zu tragenden Zwecken hat sich daher bislang als nicht sehr wirtschaftlich erwiesen und beschränkt sich auf nur wenige Einsatzgebiete, auf die hier nicht weiter eingegangen wird.

Vollgewindeschrauben nach Zulassung

Nach DIN 1052 können Zimmerleute andere Holzschrau­ben verwenden, sofern deren Eignung durch eine allgemeine bauaufsichtliche Zu­lassung nachgewiesen ist. Während sich das Tragverhalten von zu­gelassenen Schrauben mit Teilgewinde nicht prinzipiell von dem genormter Schrauben unterscheidet, weisen Schrauben mit Vollgewinde, das heißt mit einem Gewinde, das über die gesamte Schraubenlänge reicht, nennenswerte Vorteile auf:

• die Tragfähigkeit auf Herausziehen wird nicht mehr durch das Kopfdurchziehen beschränkt. Hier kann auch im anzuschließenden Teil die Tragfähigkeit des Gewindes genutzt werden. Somit sind deutlich höhere Ausziehkräfte möglich als bei Teilgewindeschrauben

• diese Eigenschaft wirkt sich auch vorteilhaft bei einer Beanspruchung auf Abscheren aus: der ausgeprägte Einhängeeffekt kann die Tragfähigkeit um bis zu 100 Prozent erhöhen

• ein weiterer wesentlicher Vorteil von Vollgewindeschrauben besteht darin, dass sie ohne Vorbohren eingeschraubt werden dürfen – laut Zulassung sogar müssen

Die Kräfte, die über das Gewin­de übertragen werden können, sind dabei beträchtlich. Bei langen Vollgewindeschrauben ab Verankerungslängen von etwa 300 mm besteht sogar die Gefahr, dass vor dem Versagen des Gewindes die Zugfestigkeit der Schraube erreicht wird. Diese muss daher stets zusätzlich überprüft werden.

Um höhere Festigkeiten des Schraubenwerkstoffs zu erreichen, werden daher die Vollgewindeschrauben nach dem Aufrollen des Gewindes gehärtet – was wiederum den Nachteil hat, dass die Schrauben spröder werden. Schrauben aus Edelstahl können nicht gehärtet werden, sie müssen daher bei der Verwendung in Holzbauteilen mit hoher Rohdichte infolge ihres geringen Bruchdrehmomentes vorgebohrt werden.

Bei Schrauben mit sehr langem Gewinde, die ohne Vorbohren eingedreht werden, besteht die Gefahr, dass der Schraubenkopf „abgedreht“ wird. Die Entwicklung speziell ausgebildeter Schraubenspitzen und Gewindeformen (Bohrspitzen), die sich selbst in das Holz hineinbohren, ermöglichen mittlerweile aber selbst das Eindrehen von Schrauben mit 600 mm Länge und sogar ohne Vorbohren. Da bei Vollgewindeschrauben der Kopf nur zum Eindrehen benötigt wird, wurden zudem spezielle Kopfformen (Zylinderkopf) entwickelt, mit denen die Schrauben versenkt werden können. Beim Einsatz entsprechender Bits sind Versenktiefen von 300 mm und mehr möglich.

Der Schraubenmarkt ist kaum mehr überschaubar: es gibt vielfältige Kopf- und Gewindeformen, Schaft-/Kern- und Außendurchmesser sowie Gewindelängen. Hierbei muss allerdings erwähnt werden, dass nicht bei allen als Vollgewindeschrauben bezeichneten Schrauben das Gewinde auch über die gesamte Länge reicht. Ein Hinweis auf die bauaufsichtlichen Zulassungen darf nicht fehlen. Die Gebrauchstauglichkeit und die Übereinstimmung mit den technischen Regeln muss ein Schraubenhersteller für jedes Produkt nachweisen – hier durch allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen. Die Übereinstimmung (Konformität) wird mit dem Übereinstimmungszeichen – dem Ü-Zeichen – bestätigt. Dieses ist der bauaufsichtliche Beleg oder „Stempel“, dass das Produkt – gemäß der Bauregelliste oder entsprechender Zulassung – dem Stand der Technik entspricht. Das Ü-Zeichen muss entweder

• auf dem Bauprodukt oder

• auf der Verpackung oder

• auf dem Einleger oder

• auf dem Lieferschein oder

• als Anlage zum Lieferschein

angebracht werden und grundsätzliche Angaben enthalten. Schraubenverpackungen werden in der Regel mit einem Etikett versehen, auf dem neben den technischen Daten auch das Ü-Zeichen aufgedruckt ist. Sind Ü-Zeichen so unleserlich dargestellt, dass weder die Zulassungsnummer noch das Bildzeichen der Zertifizierungsstelle erkennbar sind, ist eine Kontrolle nicht möglich. Das Produkt ist daher so nicht einsetzbar.

Einsatzmöglichkeiten

Die Einsatzmöglichkeiten von Vollgewindeschrauben sind vielfältig und bei weitem noch nicht vollständig erschlossen. Nachfolgend werden einige Verwendungsmöglichkeiten von Vollgewindeschrauben als Querzug-/ Querdruckverstärkung und in Verbindun­gen beschrieben.

Schrauben unter axialer Beanspruchung sind sehr steif, das heißt es treten nur geringe Verformungen auf. Dies prädestiniert sie auch für den Einsatz bei Sanierungen, wo Verstärkungen oder Ertüchtigungen möglichst ohne große Verformungen „anspringen“ sollen.

Querzug- und Querdruckverstärkungen

Vollgewindeschrauben stellen eine wirtschaftliche Alternative zum Einkleben von Stahlstangen oder Aufkleben von Brettern oder Streifen aus Holzwerkstoffen dar. Sie werden hierbei meist rechtwinklig zur Faserrichtung des Holzes eingebracht. In der Tabelle auf dieser Seite sind einige Einsatzmöglichkeiten zusammengestellt.

So besteht beispielsweise bei Anschlüssen mit mehreren hintereinander liegenden Stabdübeln die Gefahr eines Aufspaltens der Hölzer, bevor die eigentliche Tragfähigkeit der Stabdübel erreicht ist. Daher dürfen zum Beispiel bei fünf hintereinander liegenden Stabdübeln bei Einhaltung der Mindestabstände nicht etwa alle, sondern nur 3,6 Stabdübel als wirksam angesetzt werden. Wird das Aufspal­ten aber durch seitlich eingedrehte Vollgewindeschrauben verhindert, so darf die volle Tragfähigkeit aller Verbindungsmittel angesetzt werden.

Verbindungen

Bei Verbindungen werden die Schrauben meist unter einem Winkel zur Faser (zur Oberfläche) eingedreht. Die Beanspruchung der Schrauben wird dabei in Anlehnung an die Fachwerkanalogie über einfache Kräftezerlegung der äußeren Kraft in Zug- und Druckkräfte in Richtung der Schraubenachsen ermittelt. Dies wird in der Zeichnung 1 (unten links) am Beispiel einer Verbindung prinzipiell dargestellt. Bezüglich der Anordnung der Schrauben müssen Zimmerleute berücksichtigen, dass deren Neigung dem Kraftfluss folgt. In der Zeichnung 2 (oben rechts) ist dargestellt, dass bei falscher Anordnung abhebende Kräfte auftreten, die zu einer Verbiegung der Schrauben und einem Abheben der Bauteile führen. Die Druckkraft muss über den Kontakt zwischen beiden Bauteilen übertragen werden. Liegen Seiten- und Mittelholz an (das heißt: keine Fuge zwischen den Bauteilen), so wird dies ohne rechnerischen Nach­weis als sichergestellt angenommen. Die Reibung, die durch diese Druckkraft erzeugt wird, darf rechnerisch sogar in Ansatz gebracht werden. Eine solche Reibung darf nach DIN 1052 auch bei anderen Verbindungsmitteln, wie Bolzen/Pas­s-Bolzen, Sondernägeln oder Schrauben angesetzt werden: Die bei diesen Verbindungsmitteln erlaubte Erhöhung der Tragfähigkeit auf Abscheren wird hier mit einem „Einhängeeffekt“ begründet, der letztendlich nichts anderes darstellt als die Reibung, die durch das „Klemmen/Anpressen“ der Bauteile entsteht. Ist zwischen den Bauteilen eine Fuge vorhanden (zum Beispiel als Folge von Schwind­verformungen), so verbiegt sich die Schraube solange, bis die Bauteile wieder anliegen und die Druckkraft übertragen werden kann. Hierdurch entstehen größere Verformungen im Bereich der Verbindungen. Da die Verbindung passgenau (ohne Fuge) bei Holzbauteilen mit einer Holzfeuchte von höchstens 18 Prozent ausgeführt wird, kann davon ausgegangen werden, dass auch bei nachträglichen Schwindverformun­gen keine Fuge auftritt.

Die Möglichkeit, durch Schräg­verschraubungen Kräfte in die Holzbauteile – und das auch über Hirnholzflächen – einzuleiten, erlaubt auch bei Holzverbindern Neuentwicklungen. Runde oder halbrun­de Stahlbeschläge, deren Aussparungen einfach gebohrt und über Hirnholzflächen verschraubt werden, stellen als Auflagerwinkel oder als Ankerkörper für Stahlbauverbindungen hochtragfähige Anschlüsse sicher, die zudem sehr schnell montiert werden können. Spezielle Stahlblechverbinder ermög­lichen durch Schrägverschraubungen beispielsweise Zugverankerun­gen von Wandelementen. Die Kräfte werden über die Schrau­ben direkt in den Zuganker eingeleitet, ohne dass dabei die Schrauben auf Abscheren belastet werden. Die Verankerung kann rechnerisch auch ohne Abminderung, selbst in der Umgebung von Plattenstößen, eingesetzt werden.

Randbedingungen

Grundlage der Bemessung ist das Bemessungskonzept der DIN 1052 und die Vorgaben der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen. Diese regeln die Randbedingungen, unter denen die Schrauben zu tragenden Zwecken angewendet werden dürfen. Die Regelungen sind dabei zum Teil sehr unterschiedlich, was auch vom Zeitpunkt der Erteilung der Zulassung abhängig ist. Unterschiede in den Bemessungsregeln betreffen zum Beispiel die einzuhaltenden Mindestholzdicken und Mindestabstände, aber auch die aufnehmbaren Kräfte. Vorgegebene Schrauben dürfen daher bei der Montage nicht einfach durch andere ersetzt werden. Bei unklaren Plänen oder Ausschreibungen muss der Handwerker unbedingt den genauen Schraubentyp erfragen. Der Hinweis, dass Zulassungen nicht nur auf der Baustelle vorliegen, sondern inhaltlich auch bekannt sein müssen, sei hier aus gegebenem Anlass gestattet.

Die Regelungen der Zulassungen gelten nur für Anschlüsse von Holzbauteilen aus Vollholz (Nadelholz) und Brettschichtholz, aus Furnierschichtholz, Brettsperrholz, Balkenschichtholz oder aus Holzwerkstoffen an Holzbauteilen aus zuvor beschriebenen Materialien.

Werden Vollgewindeschrauben bei Hirnholzanschlüssen verwendet, so muss das Holz mindestens kerngetrennt sein und darf zum Zeitpunkt der Herstellung der Verbindung eine Holzfeuchte von höchstens 18 Prozent haben.

Verarbeitung

Werden Hölzer miteinander verschraubt, müssen sie in ihrer Lage so gesichert werden, dass beim Einschrauben keine klaffende Fuge entsteht. Diese Forderung gilt insbesondere dort, wo Druckkräfte über Kontakt zwischen den verbundenen Hölzern übertragen werden sollen.

Die Verwendung von Vollgewindeschrauben, die im Winkel zur Bauteiloberfläche eingedreht werden, wird stark zunehmen. Da der Einschraubwinkel die Tragfähigkeit der Schrauben beeinflusst und ein exaktes freihändiges Einschrauben unter einem Winkel kaum möglich ist, werden von den Schraubenherstellern ent­sprechende Setzgeräte angeboten. Eine Vorbohrung der Holzbauteile ist bei der Verwendung von axial beanspruchten Vollgewindeschrauben grundsätzlich nicht zulässig.

Mit der Entwicklung von Vollgewindeschrauben können Verbindungen im Holzbau sehr viel einfacher gestaltet und damit wirtschaftlicher werden. Herkömmliche Verbindungen erhalten durch diese Schrauben eine viel höhere Tragfähigkeit. Zudem sind insbesondere bei Altbauten mit der Schräganordnung Verstärkungen möglich, die neben dem Erhalt schadhafter Tragwerke auch für wirtschaftliche Ertüchtigungen bei höheren Anforderungen, wie zum Beispiel bei Nutzungsänderungen, eingesetzt werden. Es wird anhand der neu auf den Markt drängenden Beschläge deutlich, dass hier die Entwicklung noch lange nicht zu Ende ist.

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