Liebe Leserinnen, liebe Leser,

betrachtet man heute antike Statuen und Tempel, so erscheinen diese weiß wie der Stein, aus dem sie bestehen. Diese Farblosigkeit kennzeichnet bei vielen noch immer die Vorstellung der Antike. Dabei war früher mal alles ganz bunt: Die Tempel, vor allem aber die Statuen waren „lebensecht“ bemalt. Auch hierzulande waren viele romanische und gotische Kirchen deutlich farbiger, als man sie heute antrifft.

Eine besondere Blüte erlebte die Farbigkeit im Barock. Dies gilt für die Fassade, vor allem aber für die Gestaltung der Raumschale. Zu den kräftigen Farben der vorangegangenen Jahrhunderte kamen in dieser Zeit die Pastelltöne hinzu. Die Kunst der Holz- und Marmorimitation erreichte eine heute kaum noch zu reproduzierende Güte. Mit Vergoldungen versuchte man, die prächtige Wirkung der Farbigkeit noch zu steigern.

Sparsam eingesetzt findet man das Blattgold auch an der barocken Fassade des Hallenhauses in der Straße Handwerk 22 in Görlitz. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite konnte ein Restaurator im so genannten Barockhaus Farbschichten nachweisen, die den Malern als Grundlage für den Anstrich im Hallenhaus dienten. Da das Hallenhaus als kleines Abbild des Barockhauses gilt und wie erwartet dort keine historisch bedeutsamen Farbfassungen nachgewiesen werden konnten, schlug der beauftragte Malermeister dem Bauherrn eine Übernahme der benachbarten Farben vor. Wie ab Seite 26 in dieser Ausgabe der bauhandwerk zu lesen, nahm dieser den Gedanken begeistert auf und wählte nur für sein Wohnzimmer einen neuen, prägnanten Rotton.

Farbe spielte auch bei der Sanierung der Jugendherberge im ehemaligen Kornhaus der Nürnberger Kaiserburg eine wichtige Rolle. Auch hier wurde ein Restaurator eng mit in die Befunduntersuchung eingebunden. Anhand seiner Befunde versuchten die Architekten, die Farbfassung des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg in den unteren Geschossen wieder herzustellen. Wie ab Seite 16 zu sehen, arbeiteten die Maler mit weißen und anthrazit eingefärbten Silikatfarben. In den Obergeschossen verwendeten sie dagegen Latexfarben in blau, altrosa und apfelgrün. Auf diese brachten die Handwerker mit Schablonen fantasievolle Pflanzen- und Wappenornamente an die Wand, die historische Symbole der Stadtgeschichte Nürnbergs wiedergeben, in die QR-Codes integriert sind. So entstand in einem ursprünglich über 500 Jahre alten Gebäude die modernste Jugendherberge der Welt.

Farbe bleibt im Baudenkmal ein wichtiges Thema, dem sich auch die diesjährige Fachmesse denkmal 2014 zu Beginn dieses Monats in Leipzig mit dem Forum „Historische Fassaden – Stuck.Putz.Farbe.“ widmet. Vielleicht sehen wir uns dort, denn das Forum wird von der Redaktion der bauhandwerk moderiert.

Viel Erfolg bei der Arbeit wünscht Ihnen

Farbe bleibt im Baudenkmal ein wichtiges Thema, dem sich auch die diesjährige Fachmesse denkmal 2014 in Leipzig widmet

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 10/2015

Kalk-, Lehm- und Silikatfarben haben eine natürliche Basis

Farbe war von jeher ein kostbares Gut. Trotzdem wurde sie bereits in der Antike weitaus opulenter eingesetzt, als man es sich heute vorzustellen vermag. Die Tempel waren mit farbigen Ornamenten und...

mehr
Ausgabe 12/2014

20 Jahre denkmal Rückblick auf die denkmal 2014 in Leipzig

Auf das Wesentliche zusammengeschrumpft, so könnte man die Entwicklung der Fachmesse denkmal seit ihren Anfängen im Jahr 1994 bis zur aktuellen Messe an drei Tagen Anfang November dieses Jahres...

mehr
Ausgabe 7-8/2010

Silikatfarben und Silikatputze

Adolf Wilhelm Keim erhielt 1878 ein Patent auf sein „Verfahren zur Anfertigung witterungsbeständiger Wandgemälde“. Der Begriff „Keim’sche Mineralfarben“ war geboren. Bahnbrechend an der...

mehr

Restauratoren im Handwerk auf der denkmal 2022 in Leipzig

Von großen Sanierungsbetrieben über spezialisierte Fachleute verschiedener Gewerke bis hin zu Meistern von traditionellen Handwerkstechniken – sie alle stellen ihr Leistungsspektrum und ihre...

mehr
Ausgabe 11/2012

Holz in der Denkmalpflege ... ...ist das Hauptthema auf der denkmal 2012 in Leipzig

Das kleine Dorf an der Elbe, in dem ich aufgewachsen bin, heißt Tespe. Der Name des Ortes leitet sich von Teskope her, was so viel wie „ein Haufen alter Hütten“ bedeutet. Gemeint waren damit die...

mehr