Naturstein instandsetzen, Teil 1
Schäden und Instandsetzung von Natursteinmauerwerk

Seit vielen Jahrhunderten versucht man, Natursteinskulpturen und -mauerwerk mit Beschichtungen aus erhitztem Leinöl (Standöl), Mohnöl und Wachsen sowie Grundanstrichen mit bleiweißhaltiger Farbe zu konservieren. Die Steine bilden jedoch mit der Zeit schwarze Krusten und Schalen, die zur Zerstörung beitragen.

Die Natursteinsanierung geschieht heute zumeist in folgenden Arbeitsschritten: zunächst Reinigung der Oberfläche, dann (wenn erforderlich) handwerklicher Steinaustausch, der stets einer Steinergänzung mit Restauriermörtel und Steinersatzstoffen vorzuziehen ist. Zudem müssen die Fugen fachgerecht instand gesetzt werden. Bei sehr starker Zerstörung muss der Handwerker gleichartige, intakte Teile abformen und diese als Ersatz verwenden. Manchmal ist es unerlässlich, die Natursteine mit Hilfe einer Neuanfertigung zu rekonstruieren. Außerdem sollte man die Farbfassungen und Beschichtungen untersuchen, um sie korrekt wiederherstellen zu können. Zuletzt bedarf es bei weichem Stein einer Konservierung.

Verfahren der Oberflächenreinigung

Für das Reinigen von Natursteinmauerwerk gibt es eine Fülle von Verfahren, die sich aber im Wesentlichen in zwei Gruppen zusammenfassen lassen: Einmal in überwiegend abrasive, entweder trockene oder nasse, und zum anderen in chemische Verfahren.

Die mechanisch trockenen Verfahren bestehen aus Abbürsten, Abschleifen, Abarbeiten, Abschaben nach Erhitzen mit Heißluft, Abbrennen oder aus Abstrahlen mit Druckluft. Sie sind zumeist nur in geringem Maße abrasiv, können jedoch an hartnäckig verschmutzten Fassaden scheitern. Bei den mechanisch nassen Verfahren handelt es sich um Abwaschen mit Wasser, Abstrahlen mit Wasser ohne Druck, mit Wasserdampf, mit Druckwasser ohne Strahlmittel oder mit Strahlmitteln, schließlich um Abstrahlen mit Höchstdruckwasser. Die Verfahren sollten in der genannten Reihenfolge getestet werden, um die jeweils sanfteste geeignete Methode herauszufinden. Erst bei sehr hartnäckigen Verschmutzungen werden Strahlmittel, zum Beispiel Trockeneis, erforderlich. Härtere Strahlmittel bestehen zumeist aus relativ weichen Granulaten wie Walnussgranulat und können durch Einsatz von härteren Granulaten im Grad der Abrasivität gesteigert werden. Das Reinigen mit Hilfe von Chemikalien, also mit destiliertem Wasser, wässrigen oder nichtwässrigen Abbeizern, Abwaschen mit Wasser unter Zugabe von Tensiden, Auftragen von Reinigungsmitteln und -pasten, ist häufig umweltproblematischer als mechanische Methoden. Wässrige Abbeizmittel wie Natron- oder Kalilaugen und heiße Soda- oder Ammoniaklösungen erfordern sorgfältiges Nachwaschen mit Wasser. Nichtwässrige Abbeizfluide wie Spiritus, Benzol und Aceton dürfen großflächig nicht angewendet werden. Der Einsatz giftiger Chlorverbindungen wie Methylenchlorid, Trichloräthylen und Tetrachlorkohlenstoff ist verboten.

Beschichtungen mit Lotuseffekt

Bei einem Lotusblatt erzeugt eine Schicht aus feinen Wachskristallen eine mikrofeine Oberflächenstruktur, die Wasser tropfenförmig abperlen lässt. Hydrophile Staubpartikel werden vom Wasser mitgenommen, wenn es abtropft. Das Vorbild des Lotusblattes regte die Werkstoffwissenschaftler an, Beschichtungen von mineralischen Baustoffen zu entwickeln, die den gleichen Effekt nutzen. Hydrophobe Beschichtungen mit Silikonharz ergeben in den Kapillaren des Natursteins zwar einen Benetzungswinkel zwischen 120° und 125°, beim Lotuseffekt müssen aber etwa 145° Benetzungswinkel erreicht sein. Also ist eine deutliche Steigerung der Oberflächenhydrophobie erforderlich. Diese kann man mit Hilfe geeigneter Beschichtungssysteme an Oberflächen von Natursteinfassaden herstellen. Die Oberflächen entwickeln dann bei Beregnung selbstreinigende Eigenschaften. Die idealerweise stets saubere, staubfreie Oberfläche eines Mauerwerks bietet außerdem Bakterien, Algen und Moosen keinen Nährstoff an, und erspart so zusätzlich eine biozide Ausrüstung des Mauerwerks. Eine weitere Möglichkeit der Selbstreinigung von Natursteinfassaden bieten Beschichtungen mit Farben der Nano-Quarz-Gitter-Technologie. Solche Beschichtungsstoffe haben sich allerdings erst seit zwei Jahren baupraktisch bewährt.

Mauerwerksaustausch

Der Mauerwerksaustausch darf nur mit großer Behutsamkeit durchgeführt werden, indem Abschnitt für Abschnitt das nicht mehr tragfähige Mauerwerk herausgenommen und durch neues ersetzt wird. Es empfiehlt sich allerdings nur bei bis zu 1,20 m dicken Natursteinwänden. Bei dickeren Mauern wird dieses Verfahren unwirtschaftlich, weil ein hoher Aufwand für die Abstützung betrieben werden muss und weil die Arbeiten nur von Hand ausgeführt werden können. Erst wenn sichergestellt ist, dass bei der Herausnahme des Mauerwerks nicht ungewollt anderes Material mit herausfällt, kein Wasser herausströmt, der etwa dahinterliegende Fußboden gesichert ist und sich keinesfalls senken oder gar einbrechen kann, sollte ein Austausch begonnen werden.

Zunächst wird die Mauer hierzu in etwa 1 m lange Abschnitte eingeteilt. Dabei muss man darauf achten, dass der Mauerwerksverband nicht gestört wird, damit das neue Mauerwerk kraftschlüssig eingebunden werden kann. Wenn das neue, abschnittsweise, standsicher eingebrachte Mauerwerk oberhalb des Geländes ansteht, muss es selbstverständlich aus dem gleichen oder einem ähnlichen Material bestehen wie das vorhanden gewesene. Die Anschlussfuge zwischen dem neuen und dem darüber befindlichen alten Mauerwerk muss gut mit Mauerbrocken ausgezwickt, verkeilt und mit Mörtel satt ausgeworfen werden. Die Verfugung und der Verband sollten an das alte Mauerwerk angepasst sein. Aus Kostengründen und wegen des dauerhaften Erhalts der Standsicherheit während der Arbeiten verzichtet man oftmals auf einen kompletten Austausch und begnügt sich vor allem bei sehr dicken Mauern damit, nur die vordere, versalzene Schicht in einer Dicke von etwa 12 bis 15 cm zu ersetzen.

Steinergänzung

Für die Wiederherstellung der ursprünglichen Oberfläche einer Natursteinmauer haben sich zwei Ergänzungsverfahren bewährt: das Reprofilieren mit Restauriermörtel und das Einsetzen von neuem Stein, die so genannte Vierung. Die Mindestkantenlänge einer steinmetzmäßigen Vierung soll 10 cm betragen und die Einbindetiefe mindestens 8 bis 10 cm. Eine Vierung soll keinesfalls vorhandene Fugen überbrücken. Das Einsetzen von zementgebundenen Kunststeinen ist wegen der kaum beherrschbaren bauphysikalischen Verschiedenheit der Materialien nicht empfehlenswert.

Grundsätzlich wird Naturstein am besten mit dem gleichen Naturstein repariert. Dabei soll der neue Stein in seinen Materialkenndaten sowie in Farbe, Textur und Struktur dem Altstein weitestgehend entsprechen, weil sonst die Gefahr einer unterschiedlichen Verwitterung besteht. Da aber oftmals allzu weiche Steine in den Mauern Verwendung fanden, muss natürlich schon darüber nachgedacht werden, einen wesentlich witterungsbeständigeren Stein anstatt des vorhandenen weichen einzusetzen.

Sehr häufig wird aus Kostengründen der morbide Naturstein durch hydraulische Restaurier- oder Steinergänzungsmörtel ersetzt. Die Industrie ist durchaus in der Lage, mit geeigneten hydraulischen Bindemitteln – aufgebaut auf Kalkhydrat und Trass, hydraulischem Kalk und Weißzement – unter Verwendung bestimmter Sieblinien bei den Zuschlagstoffen natursteinähnliche Mörtel zu formulieren. Dabei handelt es sich um mineralische, häufig acrylatvergütete Werktrockenmörtel. Daneben gibt es auch kunststoffmodifizierte Restauriermörtel, die zusätzlich noch Polymere enthalten. Die dritte Gruppe stellen die reaktionsharzgebundenen Restauriermörtel dar, die als alleiniges Bindemittel Reaktionsharz enthalten. Außerdem gibt es noch durch Kieselgel gebundene Restauriermörtel mit Quarzsand als Zuschlagstoff. Alle Restauriermörtel lassen sich an die vorgefundene Steinoberfläche farbig anpassen. Sie sollten jedoch nur für kleine Reparaturen am Mauerwerk eingesetzt werden.

Besonders problematisch stellt sich der Einsatz von Restauriermörteln dar, wenn nur gebrochene Kanten und bestoßene Oberflächen repariert werden sollen. Der Mörtelauftrag muss nämlich auf alle Fälle eine gewisse Mindestdicke haben, sonst wird er schnell wieder abgesprengt. Deshalb muss der Naturstein an den Reparaturstellen entsprechend tief, in der Regel wenigstens 20 mm, abgearbeitet werden. In diesen Fällen kann nur mit kunststoffmodifizierten Mörteln PCC schadensfrei gearbeitet werden. Es empfiehlt sich daher, zu überprüfen, ob in solchen Fällen nicht ein Austauschen der Werksteine gegen eine Vierung sinnvoller ist.

Der zweite Teil des Beitrags erscheint in bauhandwerk 5.2012 in der Rubrik Bautenschutz.

 

Autor

Dr. Josef Maier lebt und arbeitete als freier Architekt, Gutachter, Bauforscher und freier Autor unter anderem der Zeitschrift bauhandwerk in Erlangen.

Der Steinaustausch ist einer Ergänzung mit Restauriermörtel und Steinersatzstoffen vorzuziehen

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