Platz für alle
Scheunenumbau zum Wohnhaus mit Gemeinschaftsräumen für die Großfamilie

Beim Umbau einer ehemaligen Scheune zum Wohnhaus sollte der ursprüngliche Charakter des Gebäudes erhalten bleiben. Die verschiedenen Ebenen werden durch eine Stahl-Holzkonstruktion von Treppen mit angeschlossenen Brückenelementen verbunden und durch acht große Dachfenster belichtet.

Claudia und Martin Hinz wollten, dass ihre Tochter Julia auf dem Land inmitten ihrer gesamten Familie aufwächst. Da jedoch auf dem großen Hofgelände der Eltern von Martin Hinz bereits vier seiner insgesamt sieben Geschwister Neubauten für sich und ihre Familien errichtet hatten, war dort kein Platz für ein weiteres Gebäude. Deshalb entschied sich das Ehepaar, eine baufällige, von Martins Eltern ursprünglich als Kuhstall und Heuboden genutzte Scheune umzubauen. Dabei war ihnen von an Anfang an klar, dass sie die ursprüngliche Bauform des 1951 errichteten Scheunengebäudes beibehalten wollten, um das Gesamtbild des Hofes zu bewahren. „Die größte Herausforderung war zunächst die sinnvolle Planung eines Einfamiliengrundrisses, da die Scheune und die zur Verfügung stehende Grundfläche sehr groß waren“, so die verantwortliche Architektin des Projekts, Heidi Burkhardt-Nöltner. So entstand die Idee, den Platz im Erdgeschoss vor allem für das lebendige Miteinander der Großfamilie zu nutzen und die eigentliche Wohnung der Familie in das erste Obergeschoss der modernisierten Scheune zu verlegen.

Moderne Optik in gewachsener Struktur

Bevor mit dem eigentlichen Bau begonnen werden konnte, mussten Teile der alten Scheune und angrenzende kleine Wirtschaftsgebäude abgerissen werden. „Einen großen Teil dieser Arbeiten konnten wir dank der Unterstützung der gesamten Familie in Eigenleistung erbringen“, erklärt Martin Hinz. Im weiteren Verlauf der Bauarbeiten wurden Teilfundamente für die neuen tragenden Wände ausgehoben, und da die alte Scheune nur in einigen Bereichen über einen Betonboden verfügte – im ehemaligen „Kuhstall“ hatten beispielsweise Pflastersteine den Boden gebildet –, musste an den fehlenden Stellen ein neuer Boden gegossen werden. Zudem wurden im Bereich der ursprünglichen Scheunendurchfahrt Frostschürzen betoniert und eine zusätzliche Stahlstütze für den großen, offenen Raum im Erdgeschoss eingebracht. Anschließend zog man neue Zwischendecken ein, da im alten Gebäude die Heu- und Strohballen ursprünglich nur auf Holzbalken über dem Kuhstall lagerten. Hierbei entschieden sich Bauherren und Architektin nach eingängiger Prüfung für Fertigdecken, die bereits die Rohrleitungen für die Deckenheizung enthalten. Aus statischen Gründen mussten zunächst die Decken verlegt werden. Erst danach konnten die für die Fenster vorgesehenen Öffnungen aus den bestehenden Wänden herausgesägt werden.

Auch der alte Dachstuhl wurde im Zuge des Umbaus erneuert, da die Balken zu gering dimensioniert und teilweise morsch waren. Die Verlegung der Dämmung, die Konterlattung und die Eindeckung des Daches mit anthrazitfarbenen Betonziegeln erbrachte der Bauherr ebenfalls in Eigenleistung. Durch Beibehaltung von Dachform und Neigung blieb das Gesamtbild des Hofensembles erhalten. Auch das neue Eingangselement an der Südfassade, das dieselbe Größe wie das ursprüngliche Scheunentor hat, trägt dazu bei, den ursprünglichen Charakter der Scheune zu bewahren.

Effizient und nachhaltig

Neben dem Erhalt des ursprünglichen Gesamtbildes waren den Bauherren auch ökologische Aspekte sehr wichtig und wurden bei der Modernisierung der alten Scheune berücksichtigt. So erzeugt eine großflächige Photovoltaikanlage auf dem nach Süden ausgerichteten Dach den von der Familie benötigten Strom, und auch bei der Heizungsanlage setzte das Ehepaar auf erneuerbare Energien. Der eingebaute Biomassekessel verbrennt nicht nur Pellets und Hackschnitzel, sondern auch Miskanthus – eine ursprünglich aus Asien stammende, schnellwüchsige Grassorte, die Martin Hinz selbst anbaut. Für angenehme Temperaturen im Inneren der Scheune sorgt ein Deckenheizsystem. Die Strahlungswärme der Decke erlaubt nicht nur eine gleichmäßige, flächendeckende Temperierung, sondern spart zugleich Energie, da sie bereits bei niedrigeren Raumtemperaturen ein behagliches Wohngefühl erzeugt. Im Erdgeschoss unterstützen zudem passive solare Wärmegewinne die Heizung: Wenn im Winter die tiefstehende Sonne von Süden durch das gläserne Eingangselement ins Gebäude scheint, durchflutet sie fast den gesamten Raum mit Licht und erwärmt den extra dafür ausgewählten dunklen Fliesenboden. Zugleich wird es im Sommer hier nicht zu warm, da die Strahlen der dann sehr steil stehenden Sonne kaum in den Raum hinein gelangen.

Platz für die ganze Familie

Der offene, etwa 70 m2 große Multifunktionsraum im Erdgeschoss zeichnet sich durch seine vielseitige Nutzbarkeit aus. Er birgt die Erschließung für das gesamte Gebäude und ist dank der angrenzenden, großen „Sommer- und Feste-Küche“ der ideale Ort für Feiern oder Familientreffen, aber auch Seminare wurden hier schon veranstaltet. Darüber hinaus befinden sich im Erdgeschoss neben Technik- und Abstellräumen auch noch ein Gästezimmer und ein Gästebad für gelegentliche Übernachtungsgäste. Die eigentliche Wohnung von Julia und ihren Eltern befindet sich im ersten Stock.

Lebensmittelpunkt der dreiköpfigen Familie ist der nach Westen ausgerichtete, offen gestaltete Wohn-, Ess- und Kochbereich mit seinen vielen Fensterelemente zu allen Seiten. Von hier gelangt man auch auf die fast 100 m2 große Terrasse. Auf der Nordseite befindet sich ein großes Badezimmer und entlang der Ostwand reihen sich Arbeits- und Kinderzimmer sowie das Schlafzimmer der Eltern mit angrenzendem Ankleideraum. Zudem steht das über der Wohnung befindliche Dachgeschoss noch zum weiteren Ausbau zur Verfügung.

Tageslicht und frische Luft

Verbunden werden die verschiedenen Ebenen der modernisierten Scheune durch eine offene Stahl-Holzkonstruktion von Treppen mit angeschlossenen Brückenelementen. Dabei ist die Umsetzung des sich bis zum Dach hin öffnenden Treppenhaus zugleich ein Musterbeispiel dafür, wie durch geschickte Planung frische Luft und Tageslicht bis in die Tiefe eines Gebäudes geführt werden können. Acht Velux Dachfenster auf beiden Seiten des Firstes versorgen den atrium­gleichen Treppenhaus bis hinunter ins Erdgeschoss mit viel natürlichem Licht. So kann dort selbst an trüben Tagen meist auf künstliche Beleuchtung verzichtet werden. Darüber hinaus spielen die elektrisch betriebenen Dachfenster in Verbindung mit den Fassadenfenstern der unteren Etagen eine wichtige Rolle bei der Be- und Entlüftung der Innenräume und der Regulierung der Temperatur. Wind- und Temperatur-
unterschiede zwischen außen und innen und die unterschiedliche Höhe der Fenster bewirken den sogenannten Kamineffekt. Warme, verbrauchte Luft steigt durch den offenen Luftraum des Treppenhaus nach oben und zieht durch die Dachfenster ab, während frische Luft durch die Fassadenfenster der unteren Ebene nachströmt. Diese besonders effektive und schnelle natürliche Lüftung gewährleistet im Winter eine gute Raumluftqualität, ohne dabei viel Heizwärme zu verlieren. Im Sommer hilft die natürliche Lüftung der Familie dabei, nach einem heißen Sonnentag, schnell angenehme Temperaturen herzustellen, in dem sie am Abend die wärmere Luft im Innenraum durch die kühle Abendluft ersetzt.

Autor
Astrid Unger war Pressesprecherin der Velux Deutschland GmbH in Hamburg.
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