Serienreif?
Stand der Dinge: Alternative Antriebe für leichte Nutzfahrzeuge

Die schon fast panischen Rufe nach Alternativen zu den herkömmlichen Benzin- und Dieselantrieben aus dem vergangenen Jahr sind mit der Wirtschaftskrise und dem damit verbundenen Preisverfall beim Öl deutlich leiser geworden. Dennoch entwickeln die Kfz-Hersteller natürlich weiterhin alternative Antriebssysteme – denn der nächste Ölpreis-Schock kommt bestimmt. Die BAUHANDWERK-

Redaktion hat daher die wichtigsten Antriebssysteme der Zukunft auf Herz und Nieren geprüft.

Schon Ende des Jahres wird wieder ein Ölpreis von über 70 Euro erwartet – und das Pendel könnte noch einmal deutlich weiter ausschlagen, wenn die Wirtschaft sich erst einmal wieder erholt hat. Für diesen Zeitpunkt werden Preise vorausgesagt, die deutlich über denen von 2008 liegen sollen. Es macht also weiterhin Sinn, sich mit alternativen Antrieben für seinen Transporter auseinanderzusetzen – nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen.

Elektroantrieb

Im Fokus der Bundesregierung ist dabei besonders der Elektroantrieb, da ein Elektrofahrzeug keinerlei CO2 ausstößt. Doch darf nicht vergessen werden, dass die Emission nur verlagert wird – weg vom Fahrzeug, hin zum Strom produzierenden Kraftwerk. Eine Untersuchung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zeigt zwar, dass die Gesamtemission von CO2 bei Elektrofahrzeugen bei der Betrachtung von Vorkette und Fahrzeugbetrieb geringer ist als zum Beispiel bei einem modernen Dieselmotor. Doch dabei geht man vom Strommix 2010 aus, also noch mit einem hohen Anteil an Atomstrom. Werden die Atomkraftwerke jedoch wie geplant zuneh­mend durch Erdgaskraftwerke ersetzt, dürfte diese Bilanz anders aussehen. Dennoch entwickeln die Nutzfahrzeug-Hersteller zurzeit Lösungen für elektrogetriebene Transporter. So hat Fiat auf der letzten IAA Nutzfahrzeuge angekündigt, den Kompakttransporter Fiorino Anfang 2010 als Elektrofahrzeug auf den Markt zu bringen: Ausgestattet mit einem Dreiphasen-Asynchronantrieb und einer Leistung von 30 kW (60 kW Spitzenleistung) soll der Fiorino damit eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h erreichen. Auch Ford will im nächsten Jahr ein Nutzfahrzeug mit Elek­troantrieb anbieten, das seine Energie ausschließlich aus einem Akkumulator schöpft. Bereits in der Erprobung ist der Iveco Daily mit Elektromo­tor: Angetrieben wird dieses Fahrzeug von einem invertergesteuerten Drehstrom-Asynchronmotor, der Energie beim Bremsen zurückspeist. Diese Energieeffizienz steigert die Reichweite bis auf maximal 120 km. Und hier zeigt sich eine grundsätzliche Problematik des Elektroantriebs: Um eine angemessene Reichweite und Leistung zu erzielen, ist momentan ein gewaltiges Batteriepaket notwendig. Das reduziert nicht nur die zur Verfügung stehende Nutzlast, sondern treibt auch den Preis für einen Transporter in die Höhe. Und damit steht die Wirtschaftlichkeit eines Elektro-Transporters auch schon in Frage. Ganz abgesehen davon, dass man zum Aufladen einen abgeschlos­senen Stellplatz haben sollte – denn welcher Handwerker möchte schon morgens zu seinem an der Straße geparkten Elektro-Transporter gehen und erkennen müssen, dass ein lustiger Spaßvogel ihm in der Nacht den Stecker aus der Ladebuchse gezogen hat?

Hybridantrieb

Praxisnäher dürften dagegen Transpor­ter sein, die „teilelektrifiziert“ sind – also die in­zwischen bekannten Hybrid-Fahrzeuge. Hier arbeiten Elektromotoren neben herkömmlichen Verbrennungsmotoren, welche die Energie aus dem Bremsvorgang als Generatoren in Strom umwandeln, der zum Zwecke der Nutzung bei Leistungsspitzen in Batterien zwischengespeichert wird. Serienreife hat mit dieser Technologie zum Beispiel der Mitsubishi Fuso Canter erzielt, der auch bald auf europäischen Straßen fahren könnte. Mit der Hybridtechnologie lassen sich bis zu 30 Prozent Treibstoff sparen – allerdings nur im Stadtverkehr, wo der Hybridantrieb beim häufigen Bremsen und Beschleunigen seine Vorteile ausspielen kann. Hier rechnet sich die aufwendige Technologie dann auch tatsächlich – laut Daimler kostet ein Lkw mit Hybridantrieb im­merhin rund ein Drittel mehr als ein konventionelles Fahrzeug. Auf längeren Strecken über Land dagegen schrumpft die Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs zurzeit gerade einmal auf vier bis zehn Prozent. Hier muss der Betriebsinhaber also mit spitzer Feder rechnen, ob ein Hybridfahrzeug für seinen Betrieb wirtschaftlich ist. Doch dürfte die Hybridtechnologie in den nächsten Jahren die Übergangstechnologie werden, bis völlig neue Antriebssysteme wie die Brennstoffzelle zur Serienreife entwickelt werden.

Gasantrieb

Eine heute schon verfügbare Alternative ist der Einsatz von Gas als Treibstoff. So hat Ford im letzten Jahr von seinem Transit 152 Fahrzeuge mit CNG (Erdgas) und 49 vom flüssiggasbetriebenen LPG-Pendant (LPG = Autogas) verkauft. Auch fast alle anderen Hersteller bieten Gas-Varianten ihrer Transporter an: Volks­wagen zum Beispiel hat schon seit 2007 den Caddy EcoFuel im Programm, dessen Antrieb speziell auf den Treibstoff Erdgas ausgelegt ist und der mit einer Tankfüllung von 26 kg Erdgas eine Reichweite von etwa 430 km erzielt. Mercedes bietet seit März 2008 den Sprinter NGT (Natural Gas Technology) mit Erd­gasantrieb in Serie an. Auch Fiat bietet seinen Transporter Ducato als Erdgasantrieb an, wobei das Fahrzeug durch seine bullige Maschine hervorsticht: Der Dreiliter-Turbomotor liefert bereits bei einer Drehzahl von 1500 U/min ein Drehmoment von 350 Nm; die maximale Leistung von 100 kW (136 PS) wird schon bei 3000 U/min erreicht.

Das sich die Hersteller vor allem auf Erdgas-Technolo­gie konzentrieren, hat einen einfachen Grund: Erdgas hat nicht nur einen höheren Energiegehalt, sondern ist auch der kohlenstoffärmste fossile Kraftstoff. Dadurch ist der klima­relevante CO2-Ausstoß von Erdgas deutlich niedriger als bei Flüssiggas. Erdgas bietet zudem auch erheblich größere Verbesserungspotenziale, beispielsweise beim „Downsizing“ der Motoren (also weniger Hubraum) zur weiteren Verminderung von Kraftstoffverbrauch und Emis­sionen, und kann weiterhin für Antriebskonzepte der Zukunft wie dem Wasserstoffantrieb als Brückentechnologie dienen. Wegen der engen Bindung von Flüssiggas an die Erdölaufarbeitung ist dessen Verfügbarkeit zudem deutlich stärker begrenzt als dies bei Erd­gas der Fall ist. Dennoch muss auch vor der Entscheidung für ein Erdgasfahrzeug genau gerechnet werden: Welche Fahrleistung ist gefragt? Was sind die Transportaufgaben? Fördert der lokale Energieversorger eventuell den Kauf?

Dieselantrieb

Erdgasantriebe haben allerdings für den Einsatz in der Baubranche einen Nachteil: Sie sind in der Regel von Saugmotoren abgeleitet, ihr Drehmoment ist gegenüber einem Dieselmotor geringer. Ein moderner Turbodiesel bleibt damit auf absehbare Zeit die effizienteste Lösung, wenn An­hänger gezogen oder schwere Nutzlasten transportiert werden sollen. Natürlich wird auch die Diesel-Technologie weiter entwickelt; aktuell wird insbesondere an der Erfüllung künftiger Abgasnormen gearbeitet (EU 5/EU 6), aber auch der Verbrauch sowie Drehmoment und Leistung werden verbessert und die Motoren durch „Downsizing“ noch emissionsärmer gemacht. Volkswagen bringt zum Beispiel noch in diesem Jahr den Crafter mit AdBlue-Technologie heraus. Hierbei wandelt eine in einem Zusatztank mitgeführte Harnstofflösung (AdBlue) Stickoxide in Stickstoff und Wasser um. Damit kann der Crafter die Emissionen auf Euro 5-Norm reduzieren.

Fazit

Betrachtet man den momentan herrschenden Hype um Elektro- und Hybridfahrzeuge, so gilt zumindest für den Nutzfahrzeugsektor heute noch, dass es entsprechende Lösungen noch gar nicht gibt. Zwar entwickeln alle Hersteller entsprechende Fahrzeuge und gerade die Hybridtechnologie zeigt interessante Potenziale auf, doch dürften diese Antriebe in punkto Wirtschaftlichkeit noch längere Zeit hinter dem Verbrennungsmotor zurückbleiben. Dank steuerlicher Förderung sind insbesondere Erdgasfahrzeuge eine interessante Alternative, doch wie hoch das (Kosten-)Einsparpotenzial gegenüber dem „klassischen“ Diesel ist und ob es überhaupt eines gibt, muss jeder Handwerker für seinen Betrieb natürlich individuell berechnen. Dennoch bleibt auf absehbare Zeit für die meisten Handwerksbetriebe sicher noch der Diesel das wirtschaftlichste Antriebssystem für Nutzfahrzeuge – gerade in der Baubranche, wo viel Drehmoment gefragt ist.

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