Steinschäden richtig reparieren
Konsolidierung und Restaurieung von Natursteinfassaden, Teil 2

Die Verwendung von Steinersatzmörtel zur Reparatur von Ausbruchstellen am Naturstein lässt sich bereits im 16. Jahrhundert nachweisen. Frühe datierbare Beispiele belegen, dass schon damals Passungenauigkeiten oder mechanische Beschädigungen der Steine mit Mörtelausbesserungen beseitigt wurden.

In Dokumenten des 18. Jahrhunderts werden dann besondere Natursteinschäden angesprochen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Phänomenen des Natursteinzerfalls beginnt jedoch erst etwa um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert.

Im Laufe der Zeit haben sich neben der Weiterentwicklung der Baustofftechnologie und dem Wissen über die Natursteinverwitterung auch die denkmalpflegerischen Ansprüche geändert. Während früher zumeist die Wiederherstellung des Originalzustandes im Sinne einer ästhetisch ansprechenden Rekonstruktion im Vordergrund stand, ist heute der Schutz und der Erhalt der Originalsubstanz in ihrer einzigartigen historischen Aussagekraft maßgeblich.  Die Materialvolumina der eingesetzten Baustoffe sind daher geringer geworden, während die Qualitätsansprüche gestiegen sind. Ein Eingriff in die Originalsubstanz wird heute in der Regel so schonend wie möglich ausgeführt. Hier-
aus leitet sich die Forderung nach einer Stabilisierung des ursprünglichen Steins ab, wie sie im ersten Teil dieser Artikelreihe beschrieben wurde (bauhandwerk 3.2013, ab Seite 56). Zudem muss man individuelle Schadensmechanismen und -formen sowie deren mechanische und feuchtetechnische Eigenschaften berücksichtigen, um eine hohe Verträglichkeit zu garantieren. Mittlerweile wird verstärkt prophylaktisch gearbeitet, wenn möglich auch im Hinblick auf spätere Reversibilität und Reparaturfähigkeit.

Bindemittel

Neben dem klassischen mineralischen Bindemittel Kalk werden seit Beginn des 20. Jahrhunderts auch neuere Bindemittel eingesetzt. Im mineralischen Bereich werden der Kalk und das ebenfalls sehr alte, schon seit der Römerzeit bekannte Bindemittel Trass um den Zement ergänzt. Hinzu kommen Systeme auf Kieselsäurebasis und eine Reihe von Kunststoffen, die meist als Bindemittelergänzung eingesetzt werden.

Im Rahmen der konservatorischen und restauratorischen Arbeiten an Natursteinbauteilen haben Steinergänzungsmörtel auf mineralischer beziehungsweise polymermodifizierter mineralischer Basis nach wie vor den höchsten Stellenwert. Dieser beruht auf einer Reihe von Vorteilen, die diese Systeme für den Einsatz in Steinergänzungsmörteln gegenüber anderen Bindemittelvarianten aufweisen:

gute Anpassungsfähigkeit auf viele technische, insbesondere physiko-mechanische Eigenschaften
gute optische Anpassungsfähigkeit
sichere und weitgehend einfache Verarbeitung
sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis

Daneben haben sich für Spezialbereiche rein acrylatgebundene und KSE-gebundene Ergänzungsstoffe etabliert. Reaktionsharze werden nicht mehr eingesetzt.

Verarbeitung

Das winklige Ausarbeiten von Schad- und Fehlstellen entspricht der traditionellen Ergänzung von mineralischen Untergründen mit einem „klassischen“ Restauriermörtel. Für diese erprobte Technik werden rein mineralisch gebundene Mörtel verwendet.

Eine ursprünglich für Steinskulpturen formulierte Anforderung ist die „gegen Null auslaufende Antragung“. Mit ihr kann gegenüber der traditionellen Vorgehensweise ein Höchstmaß an Substanzerhalt erzielt werden sowie eine bessere optische Verschlichtung aufgrund der nicht gradlinigen Ränder. Zunehmend werden von der Denkmalpflege auch an der Fassade auf Null auslaufende Antragungen gefordert. Um die Stabilität der am Rand sehr dünnen Schichten zu gewährleisten, werden diesen Mörteln bezogen auf den Bindemittelanteil 3 Prozent Polymerdispersionen zugesetzt. Dabei verbessern sich Untergrundhaftung und Wasserrückhaltevermögen, ohne dass die feuchtetechnischen Eigenschaften negativ beeinflusst werden.

Bei tiefen Fehlstellen im Stein empfiehlt es sich, den Kernaufbau mit speziell konzipierten „Grundiermörteln“ auszuführen. Dabei muss der Handwerker immer für ein ausgewogenes Festigkeitsgefälle von innen nach außen sorgen. Hier gibt es einige besondere Technologien, die der Sanierputztechnologie entlehnt wurden. Durch die gezielte Gestaltung des Porenraumgefüges solcher Grundiermörtel wird dabei ein hohes Maß an Salzeinlagerungskapazität gewährleistet.

Optische Anpassung

In der Regel lässt sich mit der werkseitigen Pigmentierung der Mörtel eine zufriedenstellende farbliche Anpassung erzielen. Hierzu kann ein bestimmter Farbton aus der jeweiligen Herstellerkollektion angegeben werden. Zu besseren Resultaten führt das Einsenden von Mustern, auf denen der gewünschte Farbton markiert ist. Auch wenn die farbliche Anpassung auf einen bestimmten Ton meist gelingt, kann das fertige Resultat trotzdem unbefriedigend sein, da der Naturstein in der Regel keinen einheitlichen Farbton aufweist. Um dem vorzubeugen hat es sich bewährt, Restauriermörtel in mehreren unterschiedlichen
Tönungen zu verwenden. Hierbei empfiehlt es sich „Eckfarbtöne“ einzusetzen, die die Ränder des Farbspektrums des zu restaurierenden Untergrundes markieren. Da diese untereinander mischbar sind, kann der Farbton dann vor Ort angepasst werden.

Neben der Farbe hat die Struktur und damit auch die Rauheit und der Glanz einen entscheidenden Einfluss auf das Erscheinungsbild der fertigen Steinergänzung. Diese Faktoren werden wesentlich durch die Körnung des Mörtels bestimmt. Von der Remmers Baustofftechnik sowie von anderen Herstellern werden dafür standardmäßig unterschiedliche Körnungsbereiche angeboten, in der Regel in den Abstufungen fein (< 0,2 mm), mittel (< 0,5 mm) und grob (< 2,0 mm). Es gibt jedoch eine Reihe von Natursteinen, die optisch auffallende Einschlüsse zeigen oder ein Gesteinskonglomerat darstellen. In solchen Fällen können den Mörteln beim Anmischen auf der Baustelle gröbere Sonderkörnungen zugegeben werden. Viele Restauriermörtel sind daher so rezeptiert, dass bis zu 10 Prozent ergänzender Zuschlag zugegeben werden kann.

Festigkeit

Für die Dauerhaftigkeit einer Steinergänzung sind die Druckfestigkeit und der Elastizitätsmodul von hoher Bedeutung. Steinergänzungsmörtel sollten gegenüber dem Stein verstärkt Spannungen aufnehmen beziehungsweise abbauen können. Außerdem sollte das zugefügte Material im Verbund mit dem Originalmaterial als „schwächstes Glied“, also als bevorzugter Verschleißbereich fungieren, ohne die Haltbarkeit des Mörtels zu stark herabzusenken. So ist es eine der Hauptaufgaben in der Entwicklung von Restauriermörteln, das Optimum zwischen „schwächstem Glied“ und Dauerhaftigkeit zu finden. Als Faustregel sollte der Mörtel etwa die halbe Festigkeit des Untergrundes haben. Ist diese nicht näher bestimmt, sollte man bei der Auswahl eines Mörtels zu geringen Festigkeiten tendieren. Achtung: Die Angaben der Hersteller zu technischen Kennwerten und Endfarbigkeit des Mörtels beruhen auf unter definierten Bedingungen hergestellten Probekörpern und können unter Baustellenbedingungen mitunter erheblich abweichen.

Sonderprodukte

Für Arbeiten an besonders hochwertigen Objekten können auch Sonderprodukte entwickelt werden, die den Originalstein besonders genau nachbilden. Dazu werden die Gesteinseigenschaften ebenso wie die Schadensmechanismen, die zum Verlust der Originalsubstanz geführt haben, umfassend untersucht, um dann zielgerichtet die Eigenschaften der Ergänzungsmörtel zu steuern. Um dem zu ergänzenden Gestein möglichst nahe zu kommen, kann es auch vorteilhaft sein, das Originalgestein zu mahlen und dem Mörtel als Zuschlag beizugeben.

Der dritte Teil der Serie zur Natursteinrestaurierung und -konsolidierung erscheint in der bauhandwerk 7/8.2013.

Autor

Dipl.-Ing. Jens Engel ist Produktmanager Fassade bei der
Firma Remmers Baustofftechnik in Löningen.

Zunehmend werden von der Denkmalpflege an der Fassade auf Null auslaufende Antragungen gefordert

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