Tradition mit Moderne verbinden
Zu Besuch bei Holzbau Vorderwisch in Gütersloh

Fachkompetenz und handwerkliches Können sind die Grundvoraussetzung, um einen Handwerksbetrieb zu führen. Für den langfristigen Erfolg gehört außerdem der Mut dazu, die eigenen Mitarbeiter so in die Arbeits- und Entscheidungsprozesse einzubinden, dass es notfalls auch mal eine Zeit lang ohne den Chef geht.

In vielen mittelständischen Unternehmen ist der Chef nicht nur das Gehirn, sondern auch Herz und Seele der Firma. Er holt die Aufträge rein, schreibt Angebote und Rechnungen, er plant, teilt die Arbeit ein und übernimmt die Bauleitung, und oftmals legt er in der Werkstatt und auf der Baustelle auch noch selbst mit Hand an. Auch Hans-Peter Vorderwisch, geschäftsführender Gesellschafter der Vorderwisch Holzbau und Zimmerei GmbH aus Gütersloh, ist ein unternehmerischer Multitasker. Doch auch wenn das Familienunternehmen, das der Zimmerermeister in dritter Generation leitet, auf eine fast 90-jährige Tradition zurückblicken kann, leitet Vorderwisch die Firma nicht nach alter Väter Sitte von oben herab, sondern im Dialog mit seinen Mitarbeitern. Das hat den Vorteil, dass auch in seiner Abwesenheit alles läuft wie am Schnürchen, weil alle Mitarbeiter es gewohnt sind, Entscheidungen zu treffen und sich für das große Ganze verantwortlich zu fühlen.

Im vergangenen Jahr konnte Vorderwisch die Früchte dieser modernen Managementphilosophie ernten, als er krankheitsbedingt monatelang ausfiel. „Trotzdem ist die Firma ganz normal weitergelaufen“, freut sich der Inhaber des knapp 20 Mitarbeiter zählenden Betriebs. Besonders stolz ist er darauf, dass seine Angestellten freiwillig, ohne dass ein Machtwort des Vorgesetzten nötig gewesen wäre, das Fehlen des Chefs mit Mehrarbeit engagiert ausgeglichen haben. „Für mich ist es kein Kompliment, wenn mir jemand sagt: Wenn Du nicht da bist, bricht alles zusammen“, betont Vorderwisch.

Vom Zweimannbetrieb zum Ingenieurbau

Tatsächlich gibt der Erfolg dem 52-jährigen Handwerksmeister recht, schließlich hat sich das 1927 von seinem Großvater Heinrich Vorderwisch gegründete Unternehmen, das er 1989 von seinem Vater übernommen hat, unter seiner Regie sehr gut entwickelt. War die Firma in den Gründerjahren noch ein Zweimannbetrieb, hatten erst der Vater und dann der Sohn den Betrieb auf eine für Zimmereien typische Größe von sechs bis sieben Mitarbeiter gesteigert. Ab 1990 wurde dann noch mehr Personal aufgebaut, um auch größere Projekte umsetzen zu können. Mittlerweile beschäftigt Vorderwisch 16 Zimmerleute, davon einen Meister und vier Lehrlinge. Damit gehört das Unternehmen, dessen Firmenbezeichnung seit dem 1. Januar 2014 um den Zusatz „Ingenieurbau“ erweitert werden konnte, zu den größten Zimmereien in der Region. Zwar ist Hans-Peter Vorderwisch schon lange Bauvorlage berechtigt, „aber durch die Einstellung eines Ingenieurs können wir Planungskompetenzen im eigenen Haus abdecken und uns bei Statik- und Wärmeberechnungen absichern“.

Ausführungsqualität ist entscheident

Das ist auch nötig, um im Wettbewerb die Chancen für bessere Aufträge zu erhöhen. Denn auf dem originären Arbeitsfeld für Zimmerleute – dem einfachen Bau von Dachstühlen – ist der Markt „kaputt“, meint Vorderwisch. Das liege daran, dass Einfamilienhäuser heute in der Regel von großen Bauträgern errichtet würden, die die Preise massiv drücken. An solchen Ausschreibungen beteiligt er sich meist nicht, wenn überhaupt interessiert er sich bei klassischen Dächern nur für Objekte, die von Architekten ausgeschrieben wurden. „In den Unterlagen von Bauträgern wird meistens noch getränktes Vollholz gefordert. Wir bauen Dachstühle aber ausschließlich aus kammergetrockenem güteüberwachten KVH (Konstruktionsvollholz).“ Er kann schon mal bei der Auftragsannahme wählerisch sein, denn erstens erwirtschaftet sein Unternehmen ein Fünftel des Umsatzes mit Dienstleistungen wie Lohnabbund, und zweitens hat es sich eine Reihe anderer interessanter Betätigungsfelder erschlossen. So macht der Bau von Holzfassaden mittlerweile rund 20 Prozent des Umsatzes aus, je ein Viertel entfallen auf Neubauten von Holzhäusern und auf Um- und Altbauten.

Besonders im Industriebau hat sich das Gütersloher Unternehmen einen hervorragenden Ruf erarbeitet und war an spektakulären Projekten beteiligt. So sieht das neue Verwaltungsgebäude des Bielefelder Mineralwasserabfüllers Carolinenbrunnen durch seine ovale Form aus wie ein gelandetes Raumschiff. Darüber hinaus ist das 2011 errichtete Gebäude, für das Vorderwisch die gesamte Holzunterkonstruktion gebaut hat, als Null-Energie-Haus auch technisch auf dem neuesten Stand. Klickt man sich durch die umfangreiche Fotogalerie realisierter Projekte, drängt sich der Eindruck auf, Vorderwisch gibt vor allem bei solchen Projekten ein Angebot ab, die besonders groß, kniffelig und interessant  sind. „Wir arbeiten häufig mit den gleichen Architekten zusammen, weil die wissen, dass wir nicht nur über die nötigen logistischen und maschinellen Kapazitäten, sondern auch über das Knowhow und hochqualifizierte Mitarbeiter verfügen, um solche Projekte stemmen zu können“, erklärt Hans-Peter Vorderwisch. Die Ausführungsqualität sei im Wettbewerb entscheident: „Ich möchte, dass meine Leute so arbeiten, wie sie es auch an ihrem eigenen Haus machen würden“. Kleinigkeiten wie eine sauber hinterlassene Baustelle könnten oft den Ausschlag für einen Folgeauftrag oder eine Empfehlung geben.

Steckenpferd: Sanierung denkmalgeschützter Gebäude

Aus den gleichen Gründen wird er auch als Projektpartner in der Sanierung geschätzt. Gerade der behutsame und respektvolle Umgang mit denkmalgeschützten Gebäuden ist ein persönliches Steckenpferd des staatlich geprüften Restaurators im Zimmererhandwerk, bei der die Anforderungen über die reinen fachspezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten hinausgehen und gewerkeübergreifende Kompetenzen gefragt sind. „Man muss auch über den eigenen Tellerrand blicken und die Belange anderer Baugewerke kennen und verstehen, um mit dem bauleitenden Architekten konstruktiv zusammenarbeiten zu können!“ Seine persönlichen Fähigkeiten und das Leistungsvermögen seiner Firma hat der Gütersloher unter anderem auch bei Sanierungs-Projekten in seinem Wohnort Bielefeld unter Beweis gestellt, über die bauhandwerk schon verschiedentlich berichtet hat: die Umnutzung der Martinikirche zum Restaurant (Ausgabe 1-2.2007), die Umnutzung der Paul-Gerhard-Kirche zur Synagoge Beit Tikwa (Ausgabe 11.2008) und der Umbau des Upmannstifts zu Eigentumswohnungen (Ausgabe 3.2011).

Von HPL und Thermo-Pappel bis zum Massivholzbau

Ein wachsendes Betätigungsfeld für das Unternehmen, das Aufträge in einem Radius von Berlin bis Geldern und von Spiekeroog bis Fulda bearbeitet, ist die Montage von Fassaden aus HPL-Platten (Hochdruck-Laminat). Bei Holzleistenfassaden setzt er seit einiger Zeit auch gerne verwitterungsbeständiges Thermo-Pappelholz mit einer Restfeuchtigkeit von 6 Prozent ein, dass als ökologischer Baustoff viele Vorteile biete. Ein Geschäftsfeld mit großem Potential sei außerdem der Neubau von Häusern aus Massivholz. Hier arbeitet Vorderwisch mit dem finnischen Konzern Storaenso zusammen, dem größten Holzproduzenten in Europa. „Die haben uns ursprünglich gefragt, ob wir für ihr Haussystem die Dachstühle liefern können; jetzt stellen wir die kompletten Häuser hier in der Gegend auf“, berichtet Vorderwisch. Seiner Meinung nach werde sich die Massivholz-Bauweise weiter durchsetzen. Die als Kreuzlagen verleimten raumhohen Wand- und Deckenelemente werden mit Tür- und Fensterausschnitten, Giebeln und Schrägen passgenau auf die Baustelle geliefert und sind in kurzer Zeit montiert.

Investitionen in Maschinen und Menschen

„Wer nicht regelmäßig investiert, der entwickelt sich zurück“, meint Hans-Peter Vorderwisch. Und damit sind nicht nur die CNC-gesteuerte Abbundmaschine von Hundegger, die sieben Lkw und die modernen Werkzeugmaschinen gemeint, sondern auch Investitionen in die Kompetenz seiner Mitarbeiter. So bildet Vorderwisch seinen eigenen Nachwuchs aus, und regelmäßig nehmen Gesellen an Weiterbildungen teil. „Zimmerleute haben heute auch mit Materialien wie Aluminium zu tun und müssen beispielsweise Nieten verarbeiten können.“ Und weil bei Ausschreibungen oft auch Klempnerarbeiten zum Dachstuhl zählten, hat er seine Mitarbeiter zu einem Lötlehrgang geschickt, damit diese Arbeiten nicht fremdvergeben werden müssen. Neuinvestitionen in  Lagerfläche seien dagegen nicht nötig – im Gegenteil: Da die Lieferanten heute so schnell und flexibel arbeiten, müsse nicht mehr viel Holz gelagert werden. Auch Materialien wie Dämmstoffe lasse man sich „just in time“ liefern.

Eine Investition, die zwar kein Geld kostet aber unternehmerischen Weitblick und zwischenmenschliche Fähigkeiten erfordert, ist dagegen jeden Tag aufs Neue erforderlich: ins Arbeitsklima! „Bei Baustellen, die weiter entfernt liegen, frage ich meine Mitarbeiter bevor ich den Auftrag annehme, ob sie das leisten können; man kann ja nicht ständig auf Montage sein“, berichtet Vorderwisch. Um den Mitarbeitern diese Einsätze zu versüßen, zahlt er dann aber die kompletten Unterkunfts- und Verpflegungskosten und nicht nur die vorgeschriebenen Spesen-Sätze und bietet ihnen flexible Arbeitszeitmodelle an.

Für die zukünftige Entwicklung des Unternehmens ist Vorderwisch sehr optimistisch, schließlich ist die Auftragslage in diesem Jahr schon während der Winterpause sehr gut. Offenbar ist der eingeschlagene Kurs genau richtig.

Autor

Thomas Schwarzmann ist Redakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

Die besten Handwerker lesen bauhandwerk: Holzbau Vorderwisch GmbH in Gütersloh

So arbeiten, wie man es auch am eigenen Haus machen würde

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