Vom Betonklotz zum Tempel
Aus dem Affenfelsen im Osnabrücker Zoo wurde ein Tempel à la Angkor Wat

Im Osnabrücker Zoo fand nicht nur vor den Augen der dort lebenden Schweinsaffen eine wahre Verwandlung statt: Den in den 1970er Jahren als modern empfundenen Affenfelsen aus Beton bauten die Handwerker für rund 550 000 Euro bei laufendem Betrieb in eine Tempelanlage à la „Angkor Wat“ um.

Der Osnabrücker Zoo befragt regelmäßig seine Besucher. Dabei kam heraus, dass der noch aus den 1970er Jahren stammende Affenfelsen – ein aus Beton gefertigtes Relikt des Geschmacks jener Jahre – vielen Besuchern ein Dorn im Auge war. In den 1970er Jahren sei der Affenfelsen aber ein echtes Highlight gewesen, so Zoopräsident Reinhard Coppenrath. Doch so mir nichts dir nichts abreißen konnte man den Betonklotz nun auch wieder nicht. Das Mittel der Wahl war eine Umformung. Die Entwicklung der Idee war Teamarbeit. An der  beteiligte sich Chefgestalter und Künstler Detlef Gehrs bereits von Anfang an: In einem Konzeptionsteam überlegten sich die Beteiligten, über den Koloss eine bauliche Anlage im Stil asiatischer Tempel zu stülpen. Schnell war mit „Angkor Wat“ der dafür passende Name gefunden.

 

Auge in Auge mit den Affen

Wie genau aus dem Betonklotz ein verfallener Tempel werden sollte, überließ man dem Chefgestalter Detlef Gehrs. Weil asiatische Schweinsaffen in ihrer Heimat in der freien Natur so manchen alten Tempel erobert haben, wurde dies auch zum gestalterischen Ansatz für Detlef Gehrs: „Ich habe viele Bilder von der kambodschanischen Tempelanlage Angkor Wat aus dem Internet als Vorlage und Inspiration genommen und daraus eigene Modelle und Skizzen für den Osnabrücker Affentempel geschaffen.“ Stufe für Stufe mauerten die Handwerker mit Ziegel- und Kalksandsteinen den alten Affenfelsen dann nach seinen Plänen und Modellen komplett ein und zogen darum eine Tempelmauer hoch. Die von der Mauer umschlossenen Stufen verdoppeln das Areal für die Affen auf fast 1000 m2. Die Kosten für den Umbau beliefen sich auf rund 550 000 Euro.

Mit dem legendären Khmer-Tempel im kambodschanischen Dschungel hat der auf eine Höhe von 16 m angewachsene Affentempel im Osnabrücker Zoo allerdings weniger zu tun. Es gibt aber schon Parallelen, wie die achsialsymmetrische Bauweise, die Ornamente, Reliefs und Skulpturen, viele Fenster und eine große Eingangspforte. Detlef Gehrs hat sich einige charakteristische Elemente geborgt und nach den gegebenen Möglichkeiten einfließen lassen.

Genial und revolutionär ist hingegen das Zusammenführen von Mensch und Tier: Der Besucher schaut nicht nur von außen auf die Tempelanlage, sondern den Schweinsaffen auch direkt in die Augen – freilich durch eine Glasscheibe geschützt. Denn die Besucher können im Tempel von einem 40 m langen Gang aus, der kreuz und quer durch das Bauwerk führt, durch fest verglaste Sichtfenster das Treiben der Affen beobachten.

 

Handwerkliches Geschick war gefragt

Auf diese Weise schafft der Zoo Osnabrück mit dem Affentempel für die Besucher eine täuschend echte, in sich geschlossene Erlebniswelt. Damit die Illusion auch wirklich funktioniert, mussten die Handwerker künstlerisches Talent beweisen: „Wir formten aus Spritzbeton scheinbar altes Mauerwerk, erschufen mit Pinsel und Kelle für den Tempel typische Strukturen und bauten buddhistische und hinduistische Skulpturen und Steinwandbilder in die Besuchergänge ein“, so Detlef Gehrs. Unterstützung bekam der Zoo durch die quick-mix Gruppe in Osnabrück, die dem Team aus Gestalter und Handwerkern mit ihrem Know-how, aber auch mit Materialien und Maschinentechnik hilfreich zur Seite stand. „Hier war ein spezieller ruinen- und denkmalgerecht eingefärbter Spritz- und Modelliermörtel mit einer abgestimmten Kornverteilung bis 4 mm gefragt. Diesen konnten die Handwerker auf der Baustelle geschmeidig verarbeiten und einfach modellieren“, sagt Martin Sassning, Leiter der technischen Beratung bei der quick-mix Gruppe. Wichtig für das Endergebnis war, dass der Mörtel trotz natürlicher Rohstoffe und guter Verarbeitungseigenschaften eine hohe Festigkeit von über 10 N/mm2 erreicht – ein für die intensive Nutzung der Putzoberflächen durch die Affen nicht zu unterschätzender Wert.

 

Auf der Suche nach der perfekten Illusion

Zahlreiche Farbtöne waren letztendlich nötig, um dem Bauwerk schließlich sein verwittertes Aussehen zu geben. Um die Illusion einer Tempelanlage perfekt zu machen, thronen an deren Spitze drei Buddhafiguren. Wie es sich für einen verfallenen Tempel im Dschungel gehört, soll auch der Osnabrücker Tempel noch zuwachsen: Dafür pflanzten die Zoo-Mitarbeiter Bambusstauden entlang der Außenwände. Und weil der Zoobesuch ein Erlebnis für alle Sinne sein soll, so hört man in und um den Ende Mai dieses Jahres eröffneten Affentempel Urwaldgeräusche.

Damit ist die Bautätigkeit im Osnabrücker Zoo aber lange noch nicht beendet: „Wir möchten die Tempelanlage ausbauen und das Tigerhaus, das Menschenaffenhaus sowie die umliegenden freien Flächen in die Erlebniswelt einbeziehen. Für diese aus Besucher- und tiergärtnerischer Sicht sinnvollen und wichtigen Folgeschritte haben wir in den letzten Wochen Finanzierungsstrategien erarbeitet, so dass wir die Bereiche in zwei weiteren Bauphasen bis 2015 umbauen können“, erklärt Geschäftsführer Andreas Busemann.

 

Autor

Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift bauhandwerk.

Damit die Illusion auch wirklich funktioniert, mussten die Handwerker künstlerisches Talent beweisen

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