Vom Stall zum Zimmer
Umbau des Wirtschaftsteils eines Bauernhauses in Werther zum Wohnhaus

Beim Umbau des Wirtschaftsteils eines Bauernhofs in Werther sollte trotz Erhaltung der Backsteinfassade der energetische Standard eines KfW-70 Effizienzhauses erreicht werden. Hierzu musste von innen gedämmt werden. Die durch die Stallnutzung bedingten Maueröffnungen verschloss man mit dreifachverglasten Holzfenstern.

Der ehemalige Bauernhof der Familie Stieghorst steht in Werther bei Bielefeld inmitten von Feldern nahe am Teutoburger Wald. Die Fachwerkhölzer für das Tragwerk im Wirtschaftsteil des Hofes stammen vom Ursprungshof aus dem 18. Jahrhundert. Man hatte sie – wie damals üblich – beim Bau des Bauernhofs um 1900 wiederverwendet. Die Außenmauern errichtete man massiv aus Ziegeln. Der Kopfbau, in dem die Bauernfamilie wohnte, bekam Putz, der Wirtschaftsteil mit den Tieren, dem landwirtschaftlichen Gerät und dem Heu unterm Dach blieb dagegen unverputzt. In den 1950er Jahren war auf der Nordseite ein Schweinestall quer zum Wirtschaftsteil hinzu gekommen. So fand die Bauherrengemeinschaft das Gebäude 2012 vor, nachdem die letzte Bäuerin ausgezogen war.

Doppelhaus aus Kopfbau und Wirtschaftsteil

Aus dem Hof sollte ein Haus mit zwei Wohnungen werden. „Ein Doppelhaus mit einer Wohnung im Kopfbau und einer im Wirtschaftteil, getrennt durch die geschlossene Bestandswand aus Backstein und eine bis unter den First neu vorgemauerte 24 cm dicke KS-Wand “, erklärt der ortsansässige Architekt Wolfgang Fritsche, den die Bauherrn mit der Umbauplanung des Wirtschaftsteils beauftragten. Kamen die Bauherrn im Kopfbau mit einem vergleichsweise überschaubaren Umbauaufwand aus, so bot sich den Bauherrn des Wirtschaftsteils ein Rohbau, der obendrein umfangreiche Rückbauarbeiten erforderlich machte.

Rückbau, Böden und Überraschungen

Der Rückbau begann mit dem Abbruch des in den 1950er Jahren hinzugekommenen Schweinestalls. Danach nahmen die Handwerker die Gefachfüllungen aus den inneren Fachwerkwänden heraus. Es folgte der Ausbau des alten Ziegelbodens der Deele, dessen Material eingelagert wurde. „Dabei entdeckten wir unter dem ehemaligen Kuhstall im hinteren nördlichen Wirtschaftsteil eine alte Jauchegrube“, erinnert sich der Bauherr. Diese war auch die Ursache für einen rund 70 cm langen und 25 mm breiten Setzungsriss, der quer über die Gebäudeecke durchs Mauerwerk verlief. Die Grube musste geöffnet, der Boden der Wanne zerstört und mit Abbruchmaterial aufgefüllt werden. Danach widmeten sich die Handwerker dem Riss. Das Mauerwerk wurde mit einem Bewehrungsstahl kraftschlüssig verbunden und der Riss mit Estrichbeton gefüllt. „Wie bei einer Verzinkung in der Tischlerei“, sagt Architekt Fritsche.

Zur Vorbereitung der neuen Bodenplatte setzten die Handwerker Kernbohrungen in die alten Ziegelfundamente unter den Fachwerkinnenwänden und steckten Bewehrungsstähle hindurch. Gemeinsam einbetoniert mit den Bewehrungsstahlmatten in der Fläche entstand so ein Verbund aus alten Ziegelfundamenten und neuer Betonsohle.

Auch die Kappendecken über den Ställen zu beiden Seiten der Deele mussten zum Bedauern der Bauherren herausgerissen werden. „In der Fläche sahen die gut aus“, so Wolfgang Fritsche. Doch die Stahlträger der Decken waren derart verrostet und brüchig, dass sie schon beim Versuch einer Festigung eingebrochen wären. Das von wenigen aber dicken Farbschichten bedeckte Holz des Fachwerks wurde sandgestrahlt. „Danach hatten wir Gewissheit über das, was wir vorab schon vermutet und punktuell überprüft hatten: Die Schwellen waren morsch“, erinnert sich der Bauherr.

Ertüchtigung der Fachwerkkonstruktion

Um die Schwellen erneuern zu können, hängten die Zimmerleute das Fachwerk zunächst mit Spanngurten an Schwerlaststützen auf. Danach entfernten sie die maroden Schwellen und stemmten die alten Ziegelfundamente oberhalb der neuen Betonsohle ab. Auf den mit Mörtel ausgeglichenen Fundamenten mauerten die Handwerker mit Beton-U-Steinen neue Sockel, die ebenso wie die gesamte Betonoberfläche der neuen Bodenplatte mit Bitumenbahnen gegen Feuchtigkeit abgedichtet wurden. Nun konnten die Zimmerleute die aus alten Hölzern gefertigten neuen Schwellen montieren. Danach wurden die Fachwerkwände wieder abgesetzt, von denen die Zimmerleute nur wenige schadhafte Hölzer ersetzen und einige Riegel und Ständer in Anpassung an die neue Nutzung – zum Beispiel für den Einbau von Innentüren – auswechseln mussten.

Alte und neue Maueröffnungen

An der alten Backsteinfassade des Wirtschaftsteils wollten die Bauherrn so wenig wie möglich verändert wissen. Daher setzten die Schreiner die aus energetischen Gründen mit einer Dreifachverglasung ausgestatteten und aus weiß gestrichenen Eichenkanteln exakt gefertigten Holzfenster in die aus der Stallnutzung vorhandenen Maueröffnungen ein. Auf der Südseite brachen die Handwerker im Anschluss an den Kopfbau auf einer Länge von 3 m bei voller Raumhöhe eine Öffnung für eine dreigeteilte Fenstertür in das Backsteinmauerwerk und arbeiteten die Abbruchflanken mit alten Ziegelsteinen an. Zwei Doppel-T-Träger fangen die Lasten aus dem darüber liegenden Dachstuhl ab. Die Fenstertür, hinter der sich innen der Essbereich befindet, baute der Schreiner ebenso wie die Verglasung der großen Deelentüröffnung an der Stirnseite des Wirtschaftsteils aus weißen Eichenkanteln mit Dreifachverglasung.

Energetische Sanierung der Ziegelaußenwände

Aufgrund des Bauherrnwunschs, an der Backsteinfassade so wenig wie möglich zu verändern, verbat sich eine Außendämmung zur energetischen Ertüchtigung von selbst. Auf der anderen Seite wollte man mit dem Umbau den Standard eines KfW-70 Effizienzhauses erreichen. Also musste eine Innendämmung her. Da sich die Kuh- und Schweineställe im Wirtschaftsteil entlang der Außenmauern aneinandergereiht hatten und mit Überresten der Hinterlassenschaften dieser Tiere im Mauerwerk zu rechnen war, riet der Architekt von einer Dämmung mit anschließendem Verputz direkt auf dem alten Ziegelmauerwerk ab. Stattdessen setzten die Maurer im Abstand von 14 cm eine neue Innenschale aus 11er Hochlochziegeln hinter die alten bis zu 40 cm dicken Backsteinwände. Im so entstandenen Zwischenraum fand die 14 cm dicke Mineralwolle Platz. Die 11er Hochlochziegel verwendeten die Maurer auch als Ausfachung für die Fachwerkinnenwände.

Wohngesund mit Lehmputz und Kalkkaseinfarbe

Auf die Hochlochziegel brachten die Handwerker Lehmputz auf. Dieser kam direkt aus einer nahen Grube und wurde von den Lehmbauern vor Ort auf der Baustelle mit Strohhäcksel vermischt von Hand mit der Kelle an die Wand gebracht. Während der Lehm auf den Hochlochziegeln vergleichsweise gut hielt, sah dies auf der Kalksandsteinoberfläche der Wohnungstrennwand ganz anders aus. Um dem Lehm eine Anhaftung auf der glatten Oberfläche zu ermöglichen, warf einer der Lehmbauer mit einem Handschleuderapparat eine Haftbrücke aus Zementschlämme auf die Kalksandsteinoberfläche auf. Für den zum überwiegenden Teil weiß gestrichenen Lehmputz verwendete der Bauherr eine Kalkkaseinfarbe, die er selbst aus Quark, Kreide, Borax und Wasser anmischte. Die Holzoberflächen blieben allesamt unbehandelt.

Ehrliche Oberflächen und Nutzungsspuren

Es ist vor allem das Zusammenspiel aus der ehrlichen Schlichtheit der neu hinzugekommenen Oberflächen, wie dem geschliffenen und mit Wasserglas verkieselten Estrich und dem mit Kalkkaseinfarbe weiß gestrichenen Lehmputz, mit den alten allesamt unbehandelten Holzoberflächen mit ihrer Struktur und Tiefe, das den besonderen Reiz des Wohnens im ehemaligen Wirtschaftsteil des Bauernhofs ausmacht. Hinzu kommen die Liebe zum Detail, mit welcher die Bauherren die Spuren der einstigen Nutzung und Zeit im Gebäude lebendig werden lassen: Alte Schalter, Haken und Nägel ließen sie einfach im Fachwerk stecken. Die alte, in der Werkstatt sandgestrahlte Treppe, deren Holz im Laufe der Zeit so hart geworden war, dass sie trotz Ausbrüchen keiner Reparatur bedurfte, führt heute an derselben Stelle wie zuvor hoch zur Zwischenebene.Da die Kappendecken abgebrochen werden mussten, dürfte die Zwischenebene hier eigentlich gar nicht mehr existieren. Der Bauherr konstruierte aus den runden Sparren des abgerissenen Schweinestalls und Eichenbrettern eine neue Decke. So entstand auf der Ebene der alten Kappendecken Stauraum sowie ein Gäste-/Arbeitszimmer. Darunter befinden sich die auf 2,10 m Raumhöhe reduzierten Bäder, denen die alten Holzdecken und unbehandelten Lehmoberflächen eine mediterrane Atmosphäre verleihen, die ausgesprochen gut zum ländlichen Charakter des Bauernhofs passt.

Einfallsreichtum und ungewöhnliche Ideen

Die vom Handwerker aus Terrazzobeton gegossenen Becken werden in den Bädern auf den Waschtischen aus altem unbehandelten Holz zu Designobjekten. In eine aus Brettern gezimmerte Kiste gegossen, wird das Becken von einem großen geschliffenen Stein geformt, der im frischen Terrazzobeton versenkt wurde. Einzigartig sind die Becken auch deshalb, weil die Bauherrn außen auf ein Abschleifen der Holzstruktur der Schalungskiste verzichteten. Auch die Art der Beleuchtung ist eine Idee der Bauherrn. Sie erfolgt im Wesentlichen indirekt über halbierte Terrakotta-Blumentöpfe, die im Zuge der Lehmputzarbeiten auf die Ziegelwände geklebt und mit eingeputzt beziehungsweise überschlämmt wurden. So wird der Umbau in Werther insgesamt zu einem Musterbeispiel für das, was man mit viel Einfallsreichtum aus dem Wirtschaftsteil eines alten Bauernhofs machen kann.

Baubeteiligte (Auswahl)

Bauherrn k. A.

Planung Wolfgang Fritsche, Werther

Maurerarbeiten Gerrit Imkemeyer Baugeschäft, Werther

Zimmererarbeiten Lutz Diestelhorst Zimmerei, Bielefeld

Lehmputzarbeiten Rolf Lagershausen, Werther

Estrichlegerarbeiten Estrichtechnik Ziegelmann, Herzebrock-Clarholz

Fensterbauarbeiten Becker Fenstertechnik, Herford

Anfertigung der Terrazzowaschbecken Schwarze & Sudeck, Lübbecke

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