Würdig 
Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg zum 30. Mal vergeben

Der Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg ist eine feste Institution in diesem Bundesland. 1978 als Peter-Haag-Preis geschaffen, wird er dieses Jahr zum 30. Mal vergeben. Der Schwäbische Heimatbund und der Landesverein Badische Heimat machen mit diesem Preis auch 2008 deutlich, dass die Bewahrung baulicher Zeugnisse der Vergangenheit ein gesellschaftliches Anliegen bleiben muss. Dank der großzügigen finanziellen Unterstützung durch die Wüstenrot Stiftung werden auch in diesem Jahr fünf Restaurierungen ausgezeichnet, bei denen private Eigentümer beispielhafte Leistungen erbracht haben.

Beim Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg erhalten die Bauherren als Zeichen der Anerkennung ihres ideellen und finanziellen Engagements einen Preis von 5000 Euro sowie eine Bronzeplakette. Zudem ist die Auszeichnung mit Urkunden für die Eigentümer sowie für die beteiligten Architek­ten, Restauratoren und Handwerker verbunden. Jahr für Jahr zeigen die prämierten Beispiele, dass eine qualitätsvolle Denkmal-erhaltung ohne ein konstruktives Zusammenwirken zwischen Bauherren, Architekt, Handwerkern und Denkmalpfleger nicht möglich ist.

Ausgezeichnet wurden in diesem Jahr das ehemalige Nonnenhaus in Tübingen, das Götzhaus in Gunningen, der Morlokhof in Baiersbronn-Mitteltal, ein umgebauter Korn­kasten in St. Georgen und die ehemalige Villa Kahn in Stuttgart. Die Preisverleihung findet am 4. April 2009 in Stuttgart statt. Weitere Informationen: www.schwaebischer-heimatbund.de

Ehemaliges Nonnenhaus ­in Tübingen

Der malerische Fachwerkbau mit seinem hohen Satteldach ist aus dem Stadtbild von Tübingen nicht wegzudenken. 1487/88 als Beginenhaus errichtet, lässt die Erschließung mit einem Mittelflur und sich rechts und links zellenartig reihenden Räumen noch heute die ursprüngliche Struktur des zunächst zweigeschossigen Gemeinschaftshauses erkennen. Dendrochronologische Untersuchungen haben jetzt gezeigt, dass das sogenannte „Sprachhaus“, der Anbau vor dem Giebel mit der Abortanlage über dem Ammerkanal, vom Ursprungsbau stammt.

Nach einer wechselvollen Geschichte, die mit zahlreichen Um­bauten einherging, fanden sich erst mit dem Ehepaar Chris­­­ta und Ernst-Eggert Gum­­rich neue Eigentümer, die be­reit waren, ambitioniert und engagiert auf die Besonderheiten des Hauses einzuge­hen. Das in der Denkmalpflege erfahrene Architekturbüro AeDis übernahm die Projektleitung. Ein Bauforscher und mehrere Res­tauratoren erstellten Doku­men­­tationen und begleiteten die Arbeiten kontinuierlich. Auch im Hinblick auf energetische Maßnahmen hatten die Bauherren Vorstellungen, die über das Übliche hinausgingen. Nach Abschluss der Arbeiten im Frühjahr 2008 ist der Bau zum ältesten Nie­drig­energie­haus Deutschlands geworden.

Götzhaus in Gunningen

Wenn man als junger Mann ein großes Haus erbt, kann die Freude über den materiellen Zugewinn schnell in Frust umschlagen. So ist es dem gelernten Zimmermann Thomas Pauli ergangen, der von seinem Großvater als Erbe des stattlichen „Götzhauses“ in Gun­ningen auf der Baar eingesetzt worden war. Es handelt sich dabei um einen für die Landschaft charakteristischen Bauernhof, der als „quer­geteiltes Einhaus“ ein zweigeschossiges Wohnhaus, Ställe und Scheu­ne in einem Bauvolumen von imposanten Ausmaßen unter einem First zusammenfasst und von der Traufseite her erschlossen wird.

Erste Überlegungen des neuen Eigentümers, den Bau wirtschaftlich zu nutzen, führten 2004 zu Planungen, den Dachraum des Wohnteils und die Scheune unter weitgehender Entkernung der Altsubstanz für Wohn- und Gewerbezwecke auszubauen. Da das „Götzhaus“ bereits als Kulturdenkmal benannt war, führte eine erste Innenbesichtigung der hinzugezogenen Konservatorin mit dem angehenden Bauherrn zu einem für beide Seiten gleichermaßen unbefriedigenden Ergebnis.

Zur Überraschung der Denkmalpfleger entwickelte sich der Gunninger Problemfall jedoch ganz anders, als dies zu befürchten war. Thomas Pauli wollte nach der Besichtigung des Vogtshofes in Hausen ob Verena die Substanz seines Hauses so weit als möglich erhalten. Von sich aus schaltete er denkmalerfahrene Handwerker und Restauratoren ein. Die weiteren Abstimmungsgespräche mit der Denkmalpflege ver­liefen dann in bestem Einvernehmen. Schritt für Schritt wurde die Planung in den vergangenen Jahren umgesetzt. Dabei hat der Bau auch auf der Außenseite sein würdevolles Gesicht zurückerhalten.

Morlokhof in

Baiersbronn-Mitteltal

 

Schon während ihrer Kindheit im oberen Murgtal hatte Sabine Rothfuß ein Auge für den Morlokhof – ein stattliches Anwesen mit Hauptbau, Austragshaus, Backhäuschen und Bauerngarten am Berghang ober­halb von Mitteltal – geworfen. Auch nachdem sie in Franken Architektin mit dem Schwerpunkt Altbausanierung geworden war, erkundigte sie sich bei jedem Heimat­besuch nach dem Schicksal des Hofes, zumal er seit 2001 endgültig leer stand. Es war ein Glücksfall, dass der Mitteltäler Hotelier Hermann Bareiss sich ebenfalls für das Anwesen zu interessi­eren begann, den Hof 2003 kaufte und Sabine Rothfuß mit der Sanierung beauftragte. Die nun einsetzende Planungs- und Realisierungsphase bis zur Fertigstellung der Arbeiten 2007 ist ein Musterbeispiel für den gelungenen Umgang mit einem historischen Baudenkmal, denn das Sanierungskonzept wurde auf Basis zahlreicher Forschungsergebnisse entwickelt, wobei Hermann Bareiss bereit war, anfängliche Vorstellungen hinsicht­lich Nutzung und Aussehen immer wieder zu revidieren. Im intensiven Austausch zwischen Architektin, Bauherrn, Behörden und Handwerkern wurde ein Weg gefunden, der auf der einen Seite eine verträgliche Nutzung von Stuben und Tenne für gastronomische Zwecke ermöglicht, auf der anderen Seite aber den Morlokhof wie ein Freilichtmuseum in seiner Originalform an Ort und Stelle erhält.

 

Ehemaliger Kornkasten in St. Georgen

 

Das kleine Holzhaus hat eine wechselhafte Geschichte hinter sich. Es wurde 1834 in Oberharmersbach als Kornspeicher errichtet, wie er für den mittleren Schwarzwald charakteristisch war. Ein mit Stroh gedeck­tes Satteldach schützte den zwei­räumigen Kasten in traditioneller Holz­boh­lenbauweise. Spätere Veränderungen erfuhr der Bau, der bis in die 1960er-Jahre als einfacher Schuppen diente, durch den Einbau von Fenstern und eine Neueindeckung mit Falzziegeln. 1966 schien sein Schicksal besiegelt, als er einem geplanten katholischen Gemeindezentrum im Weg stand. Schließlich kaufte der Fabrikant Dieter Grässlin das Ge­bäude, um es fachmännisch zerlegen und im darauf folgenden Jahr in St. Georgen wieder aufbauen zu lassen. Probleme mit aufsteigender Feuchtigkeit, Schädlingsbefall und unzu­reichenden Installationen sowie das Unbehagen über die 1967 hinzu­ge­kom­me­nen rustikalen Gestaltungs-elemente führten dazu, dass die Familie Grässlin den jungen Karlsruher Architekten Fernando Vaccaro mit einem Sanierungskonzept beauftragten, das 2006/07 umgesetzt wurde. Die pseudorustikalen Elemente wurden zurückgebaut und die Schäden an der Originalsubstanz sorgfältig repariert. Für den Einbau von Küche und Bad machte der Architekt einen radikalen Vorschlag: Bei­des sollte in einem Neubau in moderner For­m untergebracht werden, der nur mit einem schmalen Verbindungsgang an den ehemaligen Kornspeicher andockt. Die Jury des Denkmalschutzpreises ist der Meinung, dass das Experi­ment der starken Kontrastierung von Alt und Neu bei diesem Beispiel aus­nehmend gut gelungen ist.

 

Ehemalige Villa Kahn in Stuttgart

 

Die Villa, 1922 von Paul Schmitthenner für den Bankier Ri­chard Kahn errichtet, gehört nach Kriegsverlusten und späterer Miss­achtung zu den rar gewordenen Schlüsselwerken der „Stuttgarter Archi­tekturschule“. Mit ihrem Ehrenhof auf der Straßenseite und der symme-trischen Ter­rassenanlage im Garten knüpft die Villa Kahn noch einmal an die Tra­dition von Schloss und Herrenhaus an. Auch wenn das Haus heil durch den Zweiten Weltkrieg gekommen war, führten kleinere Umbauten wechselnder Eigentümer und zuletzt auch mangelnde Bauunterhaltung dazu, dass der wertvolle Schmitthenner-Bau Gefahr lief, zu verfallen. Dem neuen Eigentümer, Prof. Wilhelm Rall, ist es zu verdanken, dass die Villa Kahn nicht das gleiche Schicksal wie ähnliche Anwesen erlitt, die auf einem großen Grundstück in bester Hanglage des Stuttgarter Tal­kessels gelegen sind. Sandro Graf von Einsiedel hat als verantwortlicher Architekt die Gefahr des Verlustes gebannt. Er ging angemessen mit dem Gebäude um und reparierte im Schmitthennerschen Sinn auf hand­werkliche Weise und sorgte dafür, dass Details bis hin zu den Mes­sing­beschlägen der Einbauschränke nicht verloren gingen.

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