Überzeugungstäter in Sachen Stuck
Zu Besuch beim Stuckateurmeister Sebastian Rost in Berlin

Sebastian Rost hat seine Stuckateurfirma vom Ein-Mann-Betrieb zu einem der angesehensten Unternehmen Berlins geführt. Sein Rezept: Die besten Handwerker finden und mit guter Bezahlung und angenehmem Betriebsklima binden und nur Aufträge annehmen, von denen man auch überzeugt ist.

Wenn man mit Sebastian Rost durch Berlin geht, lernt man viel über die Geschichte und die Baukultur der Stadt. Dabei spult der gelernte Stuckateurmeister und studierte Diplom-Architekt nicht die hinlänglich bekannten Informationen einer Stadtführung ab, sondern macht auf Details und Hintergründe aufmerksam, die dem Besucher sonst entgehen würden, denn viele dieser Gebäude kennt er deshalb so genau, weil er schon in oder an ihnen gearbeitet hat. Angesichts der Leidenschaft und Begeisterung, mit der der Inhaber eines gut 20 Mitarbeiter starken Stuckateurbetriebs in Berlin-Pankow über seine Arbeit spricht, kann man kaum glauben, dass er seine Berufswahl einem Misserfolg verdankt: Er hat kein Abitur!

Vom Misserfolg zur Berufung

Zunächst hatte Sebastian Rost einen nicht-handwerklichen Beruf angestrebt: Lehrer für Kunsterziehung und Geschichte. Doch obwohl Rost – wie er selber sagt – das Privileg genoss, eine für DDR-Verhältnisse elitäre Schule besuchen zu dürfen, wollte es mit dem Erlernen der russischen Sprache, Voraussetzung für die Zulassung zur Gymnasialen Oberstufe, nicht klappen. Nach dem Ende der Schulzeit machte sein Vater ihn darauf aufmerksam, dass er seinen Interessen auch bei der Restaurierung und Denkmalpflege nachgehen könne. So bewarb er sich beim VEB Denkmalpflege Berlin um eine Ausbildung zum Stuckateur. Bevor dieser Beruf auch seine Berufung werden konnte, war aber zunächst ein Sturz vom hohen Ross notwendig: „Ich hatte bis dahin keine hohe Meinung von Handwerkern und bin mit unglaublicher Arroganz an die Lehre herangegangen“, gibt Rost heute kopfschüttelnd zu. Schon am ersten Arbeitstag wurde diese Arroganz angesichts der Fähigkeiten und Kenntnisse seiner Kollegen allerdings durch Respekt und Bewunderung ersetzt: „Die Gesellen haben in der Frühstückspause nicht über Fußball diskutiert, sondern über die Geschichte Roms und zwar mit einem Wissen und auf einem Niveau, das mich in Staunen versetzte“. Mit ebensolcher Hochachtung spricht Rost auch von seinem Ausbilder Wolfgang Boer, dem er einen großen Teil seines fachlichen Wissens und seiner handwerklichen Fähigkeiten verdankt. „Den habe ich später als Meister eingestellt. Er hat dann bis zur Rente in meiner Firma gearbeitet“, so Sebastian Rost.

Restaurator im Handwerk

Drei Jahre nach seinem Facharbeiterabschluss führte dann 1989 der Fall der Berliner Mauer und das Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten zu neuen beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten. Er wechselte zur Westberliner Firma K. Rogge Spezialbau, bei der er zunächst als Stuckateurgeselle beschäftigt war. Schon vor dem Wechsel hatte er mit dem Meisterlehrgang begonnen. 1994 bestand Rost die Prüfung vor der Handwerkskammer Berlin und arbeitete als Meister und Bauleiter auf großen Baustellen, vor allem im Trockenbau. Die Liebe zu Stuck und Ornament ließ ihn aber nicht los, weswegen er auf  Schloss Trebsen den Lehrgang zum staatlich anerkannten Restaurator im Handwerk absolvierte. „Diese Qualifikationen konnte ich bei Rogge aber nicht einsetzen. Deshalb fasste ich 1995 den Entschluss, mich selbständig zu machen“, blickt Rost auf die entscheidende Weichenstellung zurück.

Zunächst startete er als Ein-Mann-Betrieb und nahm vor allem Arbeiten als Nachunternehmer an oder versuchte über Denkmalämter an Aufträge zu kommen. Schon 1996 stellte er seinen ersten Stuckateur ein, 1997 gewann er mit Christoph Brümmer seinen langjährigsten Mitarbeiter – er arbeitet bis heute für ihn. „Wir haben über die Jahre eine sehr geringe Mitarbeiterfluktuation gehabt“, berichtet Sebastian Rost. Das kann daran liegen, dass er versucht, seinen Angestellten mehr zu zahlen als andere Unternehmer. Auch der familiäre Führungsstil und das gute Betriebsklima tragen ihren Teil zur Zufriedenheit der Mitarbeiter bei. Der Hauptgrund ist aber wahrscheinlich, dass sich Rost bei der Suche nach neuen Mitarbeitern nicht so sehr auf Bewerbungen und Zeugnisse, sondern vor allem auf die Empfehlungen seiner Mitarbeiter verlässt. „Die müssen ja hinterher mit dem Neuen zusammenarbeiten. Deshalb schlagen sie nur Leute vor, die es fachlich und handwerklich drauf haben und mit denen es auch menschlich klappt“, verrät Sebastian Rost sein Rezept, mit dem er seiner Meinung nach die besten Stuckateure Berlins in seiner Firma zusammengebracht hat.

Strategie: immer der Beste sein

Das handwerkliche Wissen und Können ist schließlich auch der entscheidende Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg seiner Unternehmensstrategie. „Es gibt grundsätzlich drei Wege ein Unternehmen zum Erfolg zu führen: man ist der Beste, der Billigste oder man bietet den besten Service an. Ich habe mich für den ersten entschieden“, erzählt Rost selbstbewusst. Und dass dieses Selbstbewusstsein gerechtfertigt ist, beweist die eindrucksvolle Liste seiner Referenzen, auf der sich neben zahlreichen privaten Baudenkmälern, Wohnhäusern und Industriebauten auch einige der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Stadt, wie das Schauspielhaus, das Neue Museum, das Berliner Schloss und die Staatsoper finden. „Ich baue nichts, von dem ich nicht überzeugt bin “, betont Rost, für den Respekt sowohl vor dem Gebäude als auch vor dem Bauherrn die Grundlagen seines beruflichen Handelns bestimmen. Den Grundsatz, der Kunde sei König, lässt er nur eingeschränkt gelten: „Wenn Bauherren Leistungen von mir wünschen, von deren  Qualität, Schönheit oder baulicher Angemessenheit ich nicht überzeugt bin, dann lehne ich den Auftrag ab. Dazu kommt es aber meistens nicht, weil ich mit meinen Ideen und Entwürfen Kunden auf  Wege mitnehme, die sie sich vorher nicht haben vorstellen können.“ Wer sich als Handwerker keinen eigenen Standpunkt leiste, der würde sich zwangsläufig prostituieren und auf lange Sicht im Wettbewerb Nachteile haben, weil man bei inhaltlicher und qualitativer Beliebigkeit immer das billigste Angebot abgeben müsse, um den Zuschlag zu erhalten. Grundsätzlich lehnt er die Ausführung von Fassadendämmung an Altbauten oder den Ausbau von Dachgeschossen ab. Bei der Umsetzung seiner Entwürfe legt er Wert auf frei­hän­diges Modellieren vor Ort, statt Fertig­teile anzubringen und auf Materialecht­heit. Dazu wird außen ausschließlich Kalk- oder Kalkzementmörtel und innen Gips verarbeitet.

Er ärgert sich außerdem maßlos über die seiner Meinung nach viel zu geringen Löhne für Stuckateure. „Ich habe meinen Kollegen von der Fachgemeinschaft vorgeschlagen: Lasst uns freiwillig die Stundenlöhne mal um ein, zwei Euro anheben. Wenn alle das machen, hat keiner einen Wettbewerbsnachteil, dann gehen einfach die Preise hoch. Gleichzeitig würde aber vor allem die Attraktivität des Berufs steigen“, erklärt Rost, der sich auch als Landesgruppensprecher der Restauratoren im Handwerk engagiert. Wenn es heute nicht gelinge, durch angemessene Bezahlung mehr Nachwuchs für diesen Beruf zu interessieren, werde in der Zukunft ein harter Wettbewerb um fähige Stuckateure entbrennen.

Wählerisch sein

Weil Sebastian Rost, der 2003 an der Universität der Künste Berlin ein Studium begonnen hat, das er 2012 mit dem Diplom-Ingenieur Architektur abschloss, sich bei der Übernahme von Aufträgen stets den „Luxus“ geleistet hat, wählerisch zu sein, kann er es sich auch bei der Auswahl neuer Auszubildender leisten, eigene Maßstäbe anzulegen. „Viele Bewerber machen sich falsche Vorstellungen. Eine gewisse künstlerische Begabung ist bestimmt kein Nachteil, aber mir kommt es vor allem auf technisches Auffassungsvermögen an“. Außerdem entfielen auch in seinem Unternehmen nur 20 Prozent der Arbeits­zeit auf die handwerklich und künst­lerisch hochinteressanten Arbeiten, der Rest sei, wie in vielen anderen Bauberufen auch, handwerkliche Routine.

Ausgelastet mit der Staatsoper

Ein gutes Beispiel dafür ist die aktuelle Baustelle, die seit drei Jahren nahezu die gesamte Kapazität des Unternehmens in Anspruch nimmt: die Restaurierung der Staatsoper im Ostteil der Stadt, wo allein die Demontage der Rabitzdecken und der zahlreichen Wand-ornamente zwei Jahre in Anspruch genommen hat. Dabei war unter anderem die logistische Herausforderung zu meistern, die ausgebauten Teile auf der Baustelle so zu lagern, dass andere Arbeiten nicht behindert wurden. Mittlerweile ist der größte Teil der ovalen Rabitzdecke des Zuschauersaals schon wieder montiert. Und zwar 5 m höher. Das vergrößert das Volumen des Zuschauersaals, was zu einer Verlängerung der Nachhallzeit führt. Außerdem fehlt noch das große ovale Ornament in der Mitte des Zuschauerraums, das später absenkbar sein wird und Scheinwerfer aufnehmen soll.

Auch im Apollosaal galt es, die Akkustik zu verbessern. Dazu haben die Mitarbeiter der Firma Rost unterhalb der neuen Decke ebenfalls eine in allen Raumdimensionen gerundete Rabitzkonstruktion gespannt, auf die später die speziellen Akustikplatten geklebt werden.

Neuer Firmensitz

Die starke Inanspruchnahme durch die Staatsoper hat auch dazu geführt, dass ein weiteres Projekt nur langsam vorankommt: der eigene Firmensitz. Bis 2014 hatte die Firma Rost in einem 2003 erworbenen denkmalgeschützten Gleichrichterwerk vom Architekten H. H. Müller residiert, das für ein weiteres Wachstum des Unternehmens aber nicht groß genug war. 2014 erwarb Rost daher ein anderes, wiederum einst der Elektrifizierung dienendes Industriegebäude in Pankow, ein ehemaliges Umspannwerk an der Berliner Straße 21, das nicht nur Büro und Wohnhaus beherbergt, sondern auch für Werkstatt und Lager reichlich Platz zur Verfügung stellt. Hier will der Stuckliebhaber ein „Museum“ für all die demontierten und gesicherten Ornamente, Figuren und Profile schaffen, die sich im Laufe der Zeit angesammelt haben.

Für die Zukunft sieht Sebastian Rost sein Unternehmen auf einem guten Weg. Durch die Qualität der Ausführung habe man sich einen so guten Ruf erarbeitet, dass die Akquise von interessanten und auskömmlichen Aufträgen sehr gut gelinge, auch wenn die Fertigstellung von großen Baustellen wie der Staatsoper immer heikel blieben, da schlagartig viele Kapazitäten frei würden. Dafür habe sich aber durch den Abschluss des Architekturstudiums und die Gründung des Architekturbüros das Leistungsspektrum erheblich erweitert. „Wenn man gut ist, muss man sich in einer Stadt wie Berlin als Stuckateur keine Sorgen machen, dass einem die Arbeit ausgehen könnte“, ist Sebastian Rost überzeugt.

Autor
Thomas Schwarzmann ist Redakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.
           „Ich lese bauhandwerk,
weil das Lesen von Fach­literatur                        einfach dazugehört.“

„Ich baue nichts,  von dem ich nicht überzeugt bin“

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