Alt mit neu verschmolzen
Rekonstruktion und Sanierung des Berliner Binikihauses

Bei der Rekonstruktion und Sanierung des Berliner Bikinihauses musste nicht nur mit einer Kombination unterschiedlicher Dämmstoffe die Gebäudehülle energetisch ertüchtig , sondern im inneren nach der Entkernung mit Leichtestrich auch ein ebene Grundlage für den neuen Hohlraumboden geschaffen werden.

Der langgezogene Flachbau des sechs Geschosse hohen Berliner Bikinihauses entstand in der Zeit von 1955 bis 1957 nach Plänen der Architekten Paul Schwebes und Hans Schoszberg. Im Erdgeschoss hatte das Gebäude eine Ladenzeile unter einer offenen Kolonnade. Während der Entstehungszeit wurde das mittlere Geschoss als offener Laubengang freigehalten, was dem Gebäude eine zweiteilige Struktur – eben wie ein Bikini – und seinen Namen gab. Auf der Rückseite befinden sich auch heute noch vier Treppenhäuser.

Veränderungen am denkmalgeschützten Bestand 

Um den deutlich in die Jahre gekommenen Gebäudekomplex vor dem Verfall zu retten, wurde nach einem Masterplan des Belgischen Architekten Belgiers Arne Quinze vom Büro SAQ architects das Konzept Bikini Berlin entwickelt, das Einkaufen, Arbeiten und Erholung miteinander kombiniert. 2012 übernahm das Münchner Architekturbüro Hild und K das Projekt, um die Planung von SAQ zu überarbeiten, den Anforderungen des Denkmalschutzes anzupassen und um den Umbau überhaupt möglich zu machen.

Um das Konzept des Masterplans umsetzen zu können, erhielt das Bikinihaus eine eingeschossige, zurückversetzte Aufstockung und zeigt sich entlang der Budapester Straße mit seinen Kolonnaden im Erdgeschoss in seiner nahezu ursprünglichen Gestalt. Rückwärtig erfuhr es bauliche Veränderungen: Hier entstand ein zweigeschossiger Neubau mit begrünter Dachterrasse, der an den Bestand anknüpft. Im Westen führt eine große Freitreppe am Zoopalast vorbei hinauf auf das Dach mit freiem Blick über den Zoo. An der Ostseite gelangt man von der Terrasse in das benachbarte, ebenfalls ertüchtigte Hotel und im Süden in das rundum verglaste, einst offene Zwischengeschoss. Hier sind – wie auch in den darunterliegenden zwei Etagen – Einheiten für den Einzelhandel und Gastronomie untergebracht.

Im nördlichen, neu errichteten Teil des Erdgeschosses befindet sich die so genannte Concept Mall : Eine doppelgeschossige Halle, die von einer Galerie eingefasst und von einem grünen Stahltragwerk überspannt wird. Ein 4 x 14 m großes, zentral in der Halle angeordnetes Panoramafenster stellt eine direkte Verbindung zum dahinterliegenden Affengehege des Zoos her. Die große Freitreppe gibt im Inneren den Weg hinauf bis zur Dachterrasse frei. In den verbleibenden Obergeschossen sind Büros untergebracht.

Rekonstruktion der 1950er Jahre Architektur 

Zu den vordringlichsten Aufgaben der Planer vom Büro Hild und K zählte die originalgetreue Rekonstruktion der Fassade unter Berücksichtigung heutiger energetischer Standards, denn obwohl das Haus im Laufe der letzten 50 Jahre immer wieder verändert wurde, blieb der grundsätzliche Stil erhalten. Selbst die typischen großen, ungeteilten Fensterfronten mit ihren minimalistischen Profilen blieben erhalten und das sollte auch nach dem Umbau so bleiben. Daher gehörte auch die Wiederherstellung der ursprünglichen Farben und Oberflächen der für die 1950er Jahre zeittypisch schlanken Fassadenprofile sowie den Vor- und Rücksprüngen aus Stahlbeton zu den Planungsaufgaben. So wurden die Sichtbetonoberflächen und Neubaufassaden gedämmt und neu verputzt. Um zumindest einen Teil der einstigen Materialität für die neue Fassade übernehmen zu können, schredderte man abgebaute, durchgefärbte Glaspaneele und mischte dieses Material als Zuschlag für den Putz bei. Teils plastisch geformte Elemente gliedern die neu gestaltete wärmegedämmte Putzfassade horizontal. Brüstungspaneele und geschosshohe Scheiben in den Farben Sand, Bernstein, Schwarz, Marmorweiß und Steingrau lockern die Fassade auf. Filigrane, golden eloxierte Elemente fassen die Glasfassade vertikal ein.

Dämmstoffkombinationen vermeiden Wärmebrücken

Um den heutigen wärmeschutztechnischen Anforderungen zu entsprechen, musste vor allem im Bereich der rekonstruierten Südfassade mit ihren Vor- und Rücksprüngen zwischen den verschiedenen Geschossen mit Flankendämmungen aufgerüstet werden. Nur so war es möglich, die Wärmebrücken der auskragenden Betondecken zu minimieren. Diese dämmten die Handwerker oberseitig mit 6 cm Schaumglas und unterseitig mit einer 6 cm dicken Innendämmung aus Calciumsilikat – beide mit einer WLG 045. Die bestehende Rippendecke des Erdgeschosses erhielt unterseitig im Bereich der Kolonnade eine 10 cm dicke Dämmschicht aus Mineralwolle.

Bei den verputzten Gebäudeteilen der Neubauten kam ein plastisch geformtes WDVS aus expandiertem Polystyrol (EPS) der WLG 035 zum Einsatz, so wie es im Forschungsprojekt „WDVS-Modulation“ vom Büro Hild und K gemeinsam mit der Firma Sto entwickelt wurde. Die verputzen Fassaden der  Bestandsgebäude dämmten die Handwerker dagegen mit formstabilen, nichtbrennbaren Fassadendämmplatten aus Steinwolle (Euroklasse A1) der WLG 035. Die Ganzglasfassa­de mit Aluminiumprofilen erhielt eine Wärmeschutzverglasung. In den oberen Geschossen sind die farbigen Brüstungspaneele teilweise mit 6 cm minera­lischer Dämmung der WLG 035 und außenseitig emaillierten Einscheibensicherheitsglas (ESG) eingesetzt.

Auf dem mit Aluminium gedeckten Dach verlegten die Handwerker ein zweilagiges Dämmsystem mit einer Neigung von drei Grad. Während die untere Lage aus 10 cm trittfesten Steinwolleplatten der WLG 035 besteht, wurde die obere, weichere Lage aus 6 cm dicken Steinwollematten mit gleicher WLG hergestellt. Bei der Dachterrasse über dem sechsten Obergeschoss sorgen 12 cm dicke Platten aus Polyisocyanurat-Hartschaum (PIR) der WLG 027 für den notwendigen erhöhten Wärmeschutz.

Leichtestrich für Statik und Brandschutz 

Im Inneren wurde das Bikinihaus weitgehend entkernt. Auf den stehen gebliebenen Rippendecken musste ein neuer Fußboden aufgebaut werden. Um den gewünschten Hohlboden auf den Rippendecken verlegen zu können, mussten die Handwerker zunächst wiederum den unebenen Betonuntergrund ausgleichen, wobei insbesondere auch der Brandschutz beachtet werden musste. Zudem durfte nur ein Estrich zum Einsatz kommen, der mit seinem Flächengewicht die vorhandenen Betondecken nicht überlastet und somit die hohen statischen Anforderungen erfüllt.

Nach einer technischen Beratung der Firma Schomburg mit den Planern vom Büro Hild und K Berlin konnte gemeinsam ein zementgebundener Leichtestrich des Herstellers (Aso-EZ-Light-Plus ) empfohlen werden. Dieser ist gemäß der Estrichmörtelnorm  EN 13 813 klassifiziert in CT-C25-F4. Weiterhin entspricht er der Brandschutzklasse A1 und war somit für den Einsatz im Bikinihaus gut geeignet. Bei einem Flächengewicht von etwa 14 kg/m² je cm Estrichdicke gegenüber einem gewöhnlichen Zementestrich mit einem Flächengewicht von etwa 22 kg/m² je cm Estrichdicke, konnte man von einer Gewichtsersparnis von etwa 37 Prozent ausgehen. Auch die Berechnungen des Statikers betätigten die Planungen.

Ausführung der Estrichlegerarbeiten 

Den Auftrag erhielt die Firma Bozkava und Günay Estrichbau GbR aus Berlin. Nach kurzer Einweisung durch einen Technikers der Firma Schomburg konnten die Arbeiten beginnen. Der Estrich sollte als Verbundestrich eingebaut werden. Als Haftschlämme diente Asocert-HB-Flex. Nachdem die Estrichleger den Betonuntergrund gründlichen gereinigt und ausreichend vorgenässt hatten, konnten sie die Haftschlämme mit einem herkömmlichen Straßenbesen aufbringen. Das Einbauen des Estrichs erfolgte dann nass in nass. Zum Anmischen verwendeten die Mitarbeiter der Firma Bozkava und Günay Estrichbau GbR einen Estrich Boy. Die erfahrenen Estrichleger schafften so 200 m² bis 300 m² pro Tag. Insgesamt wurden etwa 4400 m² Verbundestrich verlegt. In der Summe verbauten die Handwerker für die neuen Fußböden fast 200 000 kg Aso-EZ-Light-Plus über 5000 kg Asocert-HB-Flex verbaut.

Autoren

Rene Meinberg ist im technischen Service FNE Fliesen-,
Naturstein- und Estrichsysteme bei der Firma Schomburg in Detmold tätig.

Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

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