Gekonnt gekrümmt
Energetische Sanierung der historischen Kron-Apotheke in Ulm

1465 leistete sich ein wohlhabender Ulmer Tuchmacher ein imposantes Fachwerkhaus mit einliegender Weberei, Verkaufsraum, Wohnetage, Küchentrakt und allerhand Nebenräumen. Im Laufe der Jahrhunderte wurde das spätmittelalterliche Gebäude mehrfach umgebaut – zum letzten Mal im Jahr 2011.

Nach einem Eigentümerwechsel war zwecks Umnutzung eine energetische Totalsanierung in Angriff genommen worden, die die ausführenden Handwerksfirmen länger als ein ganzes Jahr beschäftigte. Seit der Fertigstellung 2012 bietet ein Hörgeräte-Akustiker in dem stattlichen Wohn- und Geschäftshaus am Rande der Ulmer Altstadt seine Dienste an, wo bis 2008 mehr als 50 Jahre lang in der ehemaligen Kron-Apotheke Salben, Säfte und Tabletten ausgegeben worden waren.

Das unter dem Namen Kron-Apotheke noch immer landläufig bekannte Gebäude zählt zu den besonders sehenswerten Bauten der Stadt, ein paar Straßenzüge und nur wenige Gehminuten vom Ulmer Münster entfernt. Zu seiner abwechslungsreichen, von tiefgreifenden Umbauphasen durchzogenen Geschichte passt, dass sich die unter der Last der Jahrhunderte ächzende Fassade durch ein modernes, bauphysikalisch exakt angepasstes Holzfaser-Wärmedämmverbundsystem energetisch wieder auf  Vordermann bringen ließ. Nach einjähriger Runderneuerung des denkmalgeschützten Hauses fanden die Fassadenarbeiten Anfang 2012 ihren Abschluss. Seither präsentiert sich die Gebäudehülle – mit sehr viel Liebe zum Detail – kunstfertig saniert. „Besser hätte die Verschmelzung historischer Bausubstanz mit natürlichen Holzfaserdämmstoffen kaum gelingen können“, würdigt Stefan Berbner, Vertriebsleiter des ökologisch orientierten WDVS-Zulieferers Inthermo, die Präzision und Anmut der vielschichtigen Sanierung.

Mit historischer Bausubstanz vertraut

Die gekonnte bauliche Instandsetzung trägt vor allem die Handschrift zweier alteingesessener Handwerksbetriebe, die sich trefflich auf ihr Gewerk verstehen: Die Holzbauarbeiten führte die Zimmerei Wolfgang Metzger aus, die es in Ulm schon seit dem Jahr 1900 gibt. Die Wärmedämmung mit Holzfaserdämmstoffen und das Verputzen der Fassade übernahm der 1962 gegründete Malerbetrieb Klöble, der über besondere Kenntnisse im Umgang mit historischen Beschichtungen verfügt.

Die Mitarbeiter des traditionsreichen Zimmereibetriebs Metzger ertüchtigten zunächst das Gebälk der Fachwerkkonstruktion mit originalgetreuen Holznägeln, legten verborgene Zwischenwände aus Eichenholz frei und stellten die statische Belastbarkeit der Holzbalkendecken wieder her – ganz so, wie es das historische Vorbild auferlegte. Ähnliche Detailbeflissenheit bewiesen die Handwerker auch am Dach: Die Eindeckung aus Biberschwanzziegeln wurde abgenommen, gesäubert und zwischengelagert, das Dachgebälk fachgerecht instandgesetzt und morsches Holz ausgewechselt. Der sichtbare Dachstuhl erhielt eine Aufdachdämmung mit natürlichen Dämmstoffen aus Holzfasern. Auch die Wangen der Gauben wurden mit maßgenau zugeschnittenen Holzfaserplatten ausstaffiert. Danach kamen die historischen Biberschwänze wieder an ihren angestammten Platz, so dass das abgestufte Dachensemble auf Besucher der Ulmer Altstadt heute so wie einstmals wirkt.

Materialtechnische Zeitreise

Ähnlich aufwendig gestaltete sich die Wiederherstellung einer bauphysikalisch intakten, statisch von Grund auf belastbaren Fassade. Im Laufe der Jahrhunderte hatten sich die Außenwände deutlich nach außen gewölbt, das Gebälk gekrümmt und verzogen. Die Gefache waren bei zahlreichen Umbauten mit verschiedenartigen Materialien verfüllt worden, teils mit Mauerwerk aus gebrannten Tonziegeln und Mörtel, teils mit Lehm und Stroh. Zum Vorschein kamen sogar einst sehr teure Eichenholzbohlen, die vom Abriss eines anderen Hauses stammen mussten und sich auf die Zeit noch vor Errichtung des Tuchmacherhauses datieren lassen.

Nachdem brüchiges Mauerwerk aus Teilen der Außenwandgefache  ausgemauert worden war, galt es für die Zimmerer, vom 2. bis 4. Obergeschoss eine Grundlattung herzustellen, die als Montagebasis für die gewählten Holzfaserdämmplatten dienen konnte. Für Maler- und Stuckateurmeister Hermes Klöble war es das erste Sanierungsobjekt, bei dem er eine historische Fassade nicht nur verputzen, sondern vorab mit Holzfaserdämmstoffen einpacken sollte. Über seine Erfahrungen berichtet er: „Wir hatten die Aufgabe, die gebogene Form der Fassade möglichst nachzubilden – also beizubehalten.“

Holzfaserdämmplatten ermöglichen zügiges Arbeiten

Der Bauherr hatte sich frühzeitig auf eine Holzfaserdämmung festgelegt, und auch Handwerksmeister Klöble hatte großes Interesse daran, das Naturmaterial auszuprobieren: „Der geringere Energieaufwand bei der Herstellung spricht aus ökologischer Sicht eher für Dämmstoffe aus Holz- statt aus Steinfasern. Auch verarbeitungstechnisch erwies sich die Entscheidung als richtig, denn der Zuschnitt und das Verputzen der Holzfaserplatten gingen zügig von der Hand. Was Verschnitt, Baustellenabfall und Entsorgung betrifft, sieht die Bilanz für Holzfaserdämmplatten ebenfalls vorteilhaft aus“, hebt Hermes Klöble hervor.

Die Wahl fiel auf die Inthermo HFD-Exterior Compact, weil sie robust, außergewöhnlich homogen und extrem maßhaltig ist. Die Herstellung erfolgt gemäß DIN EN 13171 im Trockenverfahren. In energetischer Hinsicht überzeugt vor allem der Lambda-Wert der Platten von 0,042 W/m²K bei 80 mm Dicke.

Die Handwerker empfanden die äußerst feste Oberfläche der HFD-Exterior Compact als vorteilhaft: „Die Holzfaserdämmplatte erwies sich als äußerst gutmütige Trägerfläche und ließ sich einfach beschichten. Den Grundputz haben wir dort, wo es möglich war, im Handumdrehen im Spritzverfahren aufgebracht und das weiße Armierungsgewebe wie vorgesehen eingebettet“, berichtet Malergeselle Ralf Dell, Vorarbeiter bei Hermes E. Klöble. Warum sich die HFD-Exterior Compact so gut zum Verputzen eignet, ist leicht erklärt: „Bei der in Ulm verwendeten Dicke von 80 mm beträgt die Druckfestigkeit mehr als 100 kPa. Das müssen andere Platten erst mal bringen. Bei geringeren Dicken liegt die Druckfestigkeit sogar noch höher“, betont Inthermo-Verkaufsberater Markus Weber-Hoppe.

In die Gefache wurde zwischen den Balken und Latten Holzflexdämmstoff eingebracht. Auf die ausgefachte Unterkonstruktion kam dann das eigentliche Inthermo Holzfaser-WDVS. Um die 200 m² große Fassade überhaupt mit einem WDVS ummanteln zu können, musste zunächst eine Grundlage zur Befestigung der Dämmplatten geschaffen werden. Auf den historischen Fachwerkbalken montierten die Handwerker daher vom zweiten bis zum vierten Obergeschoss die der Wandkrümmung angepasste Unterkonstruktion aus Konstruktionsvollholz. Im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss wurden die Holzfaserdämmplatten direkt auf die Außenwand geklebt und gedübelt.

Welcher Oberputz?

Der Hauseigentümer stellte sich als Deckputz einen Kalkputz vor, der von Maler Klöble jedoch als nicht geeignet angesehen wurde. Auf Zustimmung stieß bei allen Baubeteiligten der Vorschlag, einen faserarmierten Renoviermörtel zu verwenden, der Bauteilspannungen besonders gut auffängt und Feuchtigkeit nicht in die Dämmebene vordringen lässt, sondern für eine rasche Verdunstung sorgt. Zur Beschichtung der Fassaden des mittelalterlichen Fachwerkhauses schien das Spezialprodukt ArmaReno besonders gut geeignet. Es kam als Oberputz auf drei Gebäudeseiten flächendeckend zum Einsatz. Einzig die zur Altstadt gewandte Giebelseite wurde als Sichtfachwerk ausgeführt.

Autor

Achim Zielke M.A. ist Baufachjournalist und Inhaber der Presseagentur Textify in Bad Honnef.

Mittelalterliche Formvorgabe: Holzfaser-WDVS passt sich unregelmäßiger Fachwerkfassade an

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