Haus des Handwerks in Frankfurt saniert

Das Haus des Handwerks in Frankfurt musste dringend saniert werden. Die Handwerker verkleideten die marode Bestandsfassade des 1970er-Jahre-Bürobaus nach Plänen des Büros Turkali Architekten mit einer Vorhangfassade aus emaillierten Glas-Mosaikfliesen und bauten auch im Inneren einiges um.

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Das Haus des Handwerks in der Frankfurter Innenstadt ist ein typischer 1970er-Jahre-Bürobau mit horizontalen Fensterbändern und massiven Brüstungen. Ein Stahlbetonskelett aus innenliegenden Stützen und Balken trägt das siebengeschossige Gebäude. Das aufgeständerte Erdgeschoss macht einem Parkdeck Platz. Wie viele Häuser seiner Generation musste der Bau dringend saniert werden: Die Vorhangfassade aus Muschelkalk war schlecht gedämmt, die zwischen den Stützen eingehängten Betonfertigteile waren zum Teil durchfeuchtet, die Alu-Fenster hatten keine thermische Trennung. Im Sommer heizten sich die Innenräume stark auf. Schlauchartige Flure und bis zu 6 m tiefe Büros ließen die Etagen dunkel und monoton erscheinen, der Eingang wirkte gedrungen. Gebäude­tech­nik und Brandschutz waren nicht mehr zeitgemäß.

2005 bauten Turkali Architekten die 4. Etage zu ihrem Büro um. 2009 bekamen sie von der Eigentümergemeinschaft den Auftrag, auch die anderen Geschosse zu sanieren, in denen neben der Beruflichen Bildung der Handwerkskammer unter anderem die Vereinigten Frankfurter Innungen und der Verband Farbe Gestaltung Bautenschutz Hessen sitzen.

Trapezdecke über dem Parkdeck

Die Decke der Tiefgarage gestalteten die Architekten als fünfte Fassade im gleichen Farbton wie die Straßen- und Hofseite. Hierfür montierten die Handwerker an der bestehenden Betondecke eine Unterkonstruktion aus verzinkten Stahlblechen, die die Versorgungsleitungen aufnimmt. Daran hängten sie beidseitig mit Glasgittergewebe armierte, feuchtigkeitsresistente Zementbauplatten ab. Darunter befestigten die Monteure trapezförmige Elemente aus dem gleichen Material. Anschließend verspachtelten sie die Stöße mit Spezialmörtel und überklebten sie mit 10 cm breitem Gewebeband. Schließlich trugen sie einen 2 mm dicken Dekorputz auf und strichen die Decke im gleichen Beigeton wie die Fassaden.

Flächenbündig in Stürze und Seitenwände eingebaute LEDs leuchten die einzelnen, gegeneinander versetzten Trapeze aus. Pfeiler und Wände wurden dunkelblau gestrichen. Die maroden Asphaltplatten am Boden dich­te­ten die Handwerker mit farbig gestaltetem Epoxid­harz ab. Das Muster des Bodens spiegelt fragmentarisch die Linienführungen der versetzten Decken­trapeze. Durch die dunklen Boden- und Wandflächen bekommt die helle Decke einen schwebenden Charakter und erscheint – trotz 2,3 m lichter Höhe – nicht drückend.

Ein neues Gitter mit Schranke hält Wildparker von den Parkplätzen fern. Statt eines Standardgitters entwarfen die Architekten ein feines, astförmiges Gestänge aus weiß einbrennlackierten Stahlrundrohren,

ø 16 mm. Die Stäbe wurden in unterschiedlichen Winkeln auf einer dunkelgrau lackierten Unterkonstruktion aus U-Profilen verschweißt. Da sich das Weiß vor dem dunklen Hintergrund abhebt, nimmt man die massive Unterkonstruktion als Passant nicht wahr.

Passepartout aus Mosaikfliesen

Der Bestandsfassade schoben die Architekten an der Straßenseite eine Art Passepartout vor ­­– ein großformatiges „Bild“ aus rückseitig weiß emaillierten Klarglas-Mosaikfliesen. Durch das vorgehängte Schild blickt man wie durch einen Rahmen auf die neu verputzte, beige Fassade.

Die Handwerker der Firma Kerger aus Frankfurt am Main demontierten zunächst die alte Verkleidung aus Muschelkalkplatten. Dazu flexten und stemmten sie die 1,2 x 0,9 m großen, mit Bohrmörtelankern am Beton befestigten Platten ab und entsorgten sie getrennt von der Dämmung aus 3 cm Mineralwolle.

Von außen befestigten die Monteure eine hinterlüftete Vorhangfassade von Sto-Ventec an der Betonkonstruktion. Hierzu tellerten sie auf einer Aluminium-Edelstahl-Unterkonstruktion 16 cm Mineralwolle, fließkaschiert, WLG 035, auf. Darauf verschraubten sie Glasgranulatplatten als Putzträger, verstärkten diese mit einer Gewebearmierung und befestigten die 8 mm dicken Glasmosaikfliesen als quadratische Felder von je 30 x 30 cm mit Fliesenkleber. Damit die Fassade nicht reißt, wurden an den Brüstungsenden Dehnungsfugen in das Glasmosaik integriert und dauerelastisch verfugt. Einige Fliesen sind reversibel für Gerüstverankerungen ausgebildet.

Fensterbänke, Fensternischen, Lisenen und alle angrenzenden Bauteile verputzten die Maler und strichen sie beige. Den in Armierungsmörtel eingebetteten Feinputz filzten sie nach dem Aufziehen mit der Schwammscheibe ab und rollten zweifach flächig eine Reinacrylat-Fassadenfarbe auf.

In den Putz gefräste Fugen

Auf der Hofseite montierten die Handwerker der Firma Kerger ein WDVS, das sie mit einem Strukturputz versahen und beige strichen. Auf eine Verkleidung mit Glasfliesen wurde im Hof verzichtet, um dem gegenüberliegenden Altbau der Handwerkskammer optisch keine Konkurrenz zu machen. Zur Betonung der Brüstungsfelder frästen die Maler jedoch umlaufende,

2 cm breite Fugen in den Putz, die sich nach hinten auf 15 mm verjüngen. Dadurch entsteht ein interessanter Licht-Schatten-Effekt. „Alles wurde handwerklich vor Ort hergestellt, wir mussten extrem präzise vorgehen“, sagt Volker Reinke, Betriebsleiter und Bauleiter der Firma Kerger.

Die Handwerker dämmten die Fassade mit 16 cm Mineralwolle und schnitten mit der Fräse eine umlaufende Nut in die Dämmung. Anschließend kleideten sie die Fassade – auch die Fugen – vollflächig mit Armierungsgewebe aus. Auf die Grundierung brachten sie einen mineralischen Strukturputz mit Kratzputzcharakter auf und zogen ihn mit der Kunststoffscheibe auf 2 mm Kornstärke ab. Brüstungsfelder und umliegende Fassadenflächen strichen sie in leicht variierenden Beigetönen, um Lichtbrechungen stärker hervorzuheben.

„Unser Ziel war es, den Charakter des Hauses zu wahren und – wenn möglich – zu stärken“, sagt Projektleiter Dominik Loh von Turkali Architekten. Mängel und Schwächen wurden behoben oder abgemildert: Indem etwa die Mosaikfliesen auf der Straßenfassade erst 40 cm über dem Putz beginnen, wirkt der Eingang automatisch höher. Die klobigen Tür- und Fensterrahmen ersetzt eine aufgeklebte, rahmenübergreifende Glasscheibe, die optisch die Fuge des Parkdecks verlängert.

Trockenbau in Schichten

Auch im Treppenhaus knüpften die Architekten an den filigranen Stil des Altbaus an: Der Bodenbelag aus Betonwerkstein und das schlanke Treppengeländer blieben nahezu unverändert und strahlen typischen 70er-Jahre-Charme aus. LED-Ringleuchten unterstützen die Retro-Atmosphäre.

Damit das Treppenhaus noch feinteiliger wirkt, wurde es gestalterisch in Schichten aufgelöst. Trocken-, Putz- und Malerarbeiten übernahmen die Malerwerkstätten Mensinger. Die Flanken der Treppenläufe strichen die Handwerker anthrazit, um sie abzusetzen und zu betonen. Unter Podesten und Läufen hängten sie schlanke Gipskartondecken mit Formteilen ab. Mit Schablonen schnitten sie runde Aussparungen in die Gipskartondecken unter den Podesten, in die später die Ringleuchten flächenbündig eingelassen wurden.

Die Decken erhielten nach dem Grundieren, Spachteln und Schleifen einen fein abgewalzten Dispersionsanstrich. Auf die Seitenwände applizierten die Maler eine in Streifenoptik profilierte Vinyltapete von Vescom. „Die Profilierung zeigt ein schönes Licht- und Schattenspiel und betont durch ihre Längsstreifen die Optik des Treppenhauses in besonderer Weise“, sagt Bauleiter Sven Braune von den Malerwerkstätten Mensinger.

Zum Teil sitzen die Ringleuchten auf runden Unterkonstruktionen direkt auf der Wand: Die Maler strichen die Untersätze fünffach mit einem Hochglanzlack auf Wasserbasis und schliffen sie von Hand nach. Am Aufgang des Treppenhauses zur Dachterrasse doppelten sie die Seitenwände mit einer innenseitig gedämmten Gipskartonvorsatzschale auf, in der Ringleuchten und die vom Schreiner neu lackierten Original-Handläufe in Aussparungen flächenbündig versenkt wurden.

Unauffällig integrierte das Planungsteam auch die Gebäudetechnik: Die Feuerlöscher etwa verstecken sich hinter wandbündigen Holzklappen, die im gleichen Violett wie die Vinyltapeten lackiert wurden. Die Liste sorgsam geplanter, handwerklich perfekt umgesetzter Details ließe sich beliebig fortsetzen. Man spürt mit jedem Schritt: Es ist ein „Haus des Handwerks“.

Autor
Dipl.-Ing. Michael Brüggemann studierte Architektur in Detmold und Journalismus in Mainz. Er arbeitet als Redakteur und schreibt außerdem als freier Autor unter anderem für stern, DBZ, bauhandwerk und dach+holzbau.

Vor der Bestandsfassade montierten die Handwerker eine neue Fassade mit rückseitig weiß emailliertem Klarglas-Mosaik

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