Interview mit Hannelore Bostick über Knigge-Regeln für Azubis im Handwerk

Hannelore Bostick gibt seit vielen Jahren Knigge-Seminare für Handwerker und Azubis. Wichtig ist, stets einen guten Eindruck zu machen. Warum sie nun einen Ratgeber geschrieben hat, und welche Fettnäpfchen auf der Baustellen und im Büro lauern, erläutert sie im Interview.

1. Wer hat eher einen Knigge nötig, der Chef oder der Azubi?

Hannelore Bostick: Leider ist es manchmal so, dass auch der Chef die Knigge-Regeln beherzigen sollte. Noch immer gilt: Der Chef ist das Vorbild und lebt die Kultur des Unternehmens vor. Bei vielen Handwerksbetrieben findet sich auf der Homepage jedoch weder eine diesbezügliche Aussage noch eine Vision. Und auch die gute alte klassische Imagebroschüre gibt für den Mitarbeiter nicht bedingungslos vor, welche Ziele ein Unternehmen verfolgt. Aber ich habe auch schon gesehen, dass Unternehmen ihre Philosophie für die Mitarbeiter und Azubis in einem Leitfaden niederschreiben und den auch gendergerecht an jeden Mitarbeiter austeilen. Ob die Mitarbeiter das Büchlein nur ins Regal stellen oder tatsächlich bei Unsicherheiten hineinschauen, ist mir allerdings nicht bekannt.

2. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Handwerks-Knigge zu schreiben?

Bostick: In den vergangenen Jahren habe ich sehr viele Knigge-Seminare für Handwerker und für Azubis durchgeführt. Viele Eltern wollen oder können nicht die richtige Auskunft geben. Vielleicht haben sie auch selbst Unsicherheiten und freuen sich, wenn der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter ein Seminar anbietet. Manches Mal ist es auch die Mutter, die Hausfrau ist, aus einem anderen Land kommt und nicht helfen kann. Manches Mal sind auch die Umstände zu Hause anders als im Job. Oft ist beispielsweise dabei das Thema Flüchtlinge und deren Umgang mit den in Deutschland üblichen Manieren nicht wirklich bei den Betroffenen angekommen. Deshalb werden mittlerweile auch Knigge-Kurse für Migranten angeboten. Das ist ein guter Ansatzpunkt. Denn gerade im Handwerk mangelt es derzeit ja stark an Auszubildenden.

3. Während der Pandemie haben wir lernen müssen auf Abstand zu gehen. Wie schwierig ist das richtige Benehmen derzeit? Zum Beispiel: Steht der Handwerker mit oder ohne Maske vor der Haustür?

Bostick: Gerade die jungen Menschen konnten sich lange nicht impfen lassen. Im Gegenzug sind es genau die älteren Kunden, die in Sachen Corona übervorsichtig sind. Wenn also der Handwerker viele Privatkunden in seiner Adressdatenbank hat, dann ist es umso wichtiger, die Mitarbeiter rechtzeitig abzuholen und auf die bei Kunden vorzufindende Situation vorzubereiten. Der Abstand von 1,50 Meter ist von Haus aus eine natürliche Distanzzone, die man vor allem im Umgang mit Fremden und eben auch Kunden respektieren sollte. Dass in der Pandemie die Maske dazu gehört, ist ebenso selbstverständlich wie auf den sonst üblichen Handschlag zu verzichten.

4. Sie lassen wirklich nichts aus in Ihrem Ratgeber. Nicht mit dreckiger Kleidung beim Kunden anfangen, das Werkzeug sauber und ordentlich mitnehmen. Ist es nach Ihrer Erfahrung tatsächlich notwendig, solche Basics mit aufzunehmen?

Bostick: Deutschland gehört zur EU. Ein Zimmermann, der auf  Wanderschaft ist, weiß vielleicht nicht, wie er sich in Deutschland benehmen sollte! Selbst wir haben in unseren unterschiedlichen Bundesländern keine einheitlichen Regeln zu Corona. Umso mehr ist es wichtig, dass man immer im Kopf hat, dass man sein Unternehmen repräsentiert. Ein Beispiel: Ein Dachdecker-Azubi teilte mir mit, dass er nur drei Shirts für die Woche bekommen hat. Wenn die Shirts im Sommer durchgeschwitzt sind, dann hängt er sie abends zum Trocknen auf und zieht sie am nächsten Tag wieder an. Die Wäsche ist Mietwäsche und wird nur einmal in der Woche abgeholt. Muss ich mehr sagen? Oder nehmen Sie den Azubi, der aus prekären Verhältnissen stammt. Wenn er sich die Cola über seine Hose gekleckert hat oder die Soße vom Döner auf die Latzhose tropfte, dann kann er nicht unbedingt darauf hoffen, dass die Mutter die Hose am Abend wäscht, trocknet und bügelt, damit der Sohn am nächsten Tag saubere Sachen hat. Selbstverständlichkeiten sind nicht für jeden selbstverständlich. Oder nehmen Sie mal den Maler: Die Farbe läuft über, die Rolle beim Streichen des Stucks rutscht aus der Hand.  Es gibt halt in allen Betrieben immer noch Raum für Verbesserungen.

5. Mit welchen Fragen wenden sich junge Handwerker an Sie?

Bostick: Von der Frage, ob man jeden Duzen darf, ob man sein Handy während der Arbeit benutzen kann bis hin zur Frage, was man zu tun hat, wenn man zu spät kommt, habe ich schon alles gehört. Beschwerden über Kollegen, die sich nicht waschen, oder die Frage, wer den Arbeitsplatz aufräumt, gehören auch dazu. Das geht bis hin zur Nutzung der Toilette in der Firma oder beim Kunden. Auch das provokante T-Shirt, das man gerne trägt (mit dem berühmten Stinkefinger darauf), gehört zu den Themen, die wir in einem Seminar oder im persönlichen Gespräch diskutieren. Das Thema Respekt spielt dabei eine große Rolle.

6. Ein Azubi in einem Büro-Job und ein Azubi auf der Baustelle: Gibt es da Unterschiede im Verhalten? Braucht man im Büro noch etwas andere Knigge-Regeln ?

Bostick: Der Azubi im Büro muss ebenso höflich und zuvorkommend mit Kunden umgehen wie der Auszubildende auf der Baustelle. Die passende Rhetorik ist vor allem bei ganz jungen Menschen wichtig – was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Oder nehmen Sie das Thema Konzentration auf die Arbeit: Viele junge Leute neigen dazu, nebenher zu daddeln, zu spielen, Mails zu checken, Whatsapps zu beantworten oder unbedingt mitzukriegen, wer gerade was bei Facebook oder Instagram oder einem anderen Online-Portal gepostet hat. Dass das nicht während der Arbeitszeit geht, muss man lernen. Denn viele haben das ganz geschickt während der Schule unter dem Tisch erledigt. Auch hier gibt unser Buch Antworten.

7. Umgang mit Frauen auf dem Bau: Haben Sie da auch Knigge-Tipps? 

Bostick: Wenn eine Frau sich entscheidet, einen handwerklichen Beruf zu ergreifen, dann ist es ganz wichtig, dass sie den Unterschied zwischen Mobbing und Spaß einschätzen kann. Dass etwa auf dem Bau oft eine eher lockere Stimmung herrscht, muss man abkönnen. Aber ich glaube auch, dass ein junger Mensch, der einen „Blauen Anton“ anzieht, weiß, was ihn im Handwerk erwartet. Trotzdem sollte Zurückhaltung geübt werden, wenn der Kunde vor Ort ist oder mithören kann. Wer schon von vornherein lernt, sich dezent und höflich auszudrücken, der wird zum einen erfolgreicher sein und zum anderen bei jedem Kunden einen guten Eindruck hinterlassen.

Autorin
Michaela Podschun ist Redakteurin der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

Die Autoren

Hannelore Bostick arbeitet seit 30 Jahren im Bereich Marketing und ist PR-Beraterin. Seit 2010 ist sie zudem als Jobcoach aktiv. Sie unterstützt Handwerkskammern und gibt Inhouse-Seminare für Handwerksbetriebe. Hans-Joachim Wiehager ist Journalist und war bei großen Tageszeitungen und Fachmagazinen angestellt. Seit 2000 betreibt er ein Redaktionsbüro. Gemeinsam mit Hannelore Bostick veröffentlichte er 2005 das Fachbuch „Erfolgreich bewerben mit dem Europäischen Lebenslauf“
sowie 2010 den Ratgeber „Bewerben mit Erfolg“.

„Hilfe! Benimm-1x1 für das junge Handwerk“, 170 Seiten, ISBN 9798726722887 Printausgabe 19,90 Euro, Kindle E-Book 9,90 Euro, www.fit4-work.de/buch

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