Kritische Rekonstruktion des Klosters Dalheim

Mit der Aufstockung des Ost- und des Südflügels ist das Kloster Dalheim fast wieder komplett. Mit Abschluss des zweiten Bauabschnitts erstreckt sich das „Landesmuseum für Klosterkultur“ seit Oktober 2010 nun auch bis in diesen rekonstruierten Teil der Klausur hinein.

Die Geschichte des Klosters Dalheim ist typisch: Ende des 15. Jahrhunderts gegründet, wurde es im 18. Jahrhundert erweitert und in Teilen im Stil des Barock umgebaut bis es schließlich im Zuge der Säkularisierung nur noch landwirtschaftlich genutzt wurde. In dieser Zeit verwüstete ein Brand den Ost- und den Südflügel der Anlage. Da dieser Teil des als Gutshof genutzten Klosters nur noch als Viehstall diente, stellte man das Obergeschoss nicht wieder her, sondern schloss das Erdgeschoss mit einem Notdach ab.

Umnutzung zum „Landesmuseum für Klosterkultur“

Die Umnutzung des Klosters Dalheim begann schon in den 1990er Jahren. Wie in bauhandwerk 10/2007 zu lesen, eröffnete nach Abschluss des ersten Bauabschnitts im West- und im Gästeflügel nach Plänen der Architekten Pfeiffer Ellermann Preckel 2007 dort Europas erstes Klostermuseum. Der einstige Umbau des Klosters für die landwirtschaftliche Nutzung ist auch heute noch im Gästeflügel gut zu sehen. Der Mitte 2010 abgeschlossene zweite Bauabschnitt hatte im Wesentlichen die Aufstockung und damit Rekonstruktion der im Ost- und im Südflügel durch den Brand verlorengegangenen Obergeschosse zur Aufgabe.

Alle historischen Schichten werden gleich behandelt

Wie bereits im ersten Bauabschnitt, legten die Architekten aus Münster auch bei der Rekonstruktion großen Wert darauf, dass der Charakter der klösterlichen Anlage erhalten bleibt. Alles noch Vorhandene hat seine Berechtigung und soll in seiner Originalsubstanz erhalten bleiben. Die einander überlagernden historischen Schichten wurden dabei gleichberechtigt behandelt, was keine Selbstverständlichkeit ist. Das gilt auch für die vor allem im Zuge der Rekonstruktion hinzugekommenen Bauteile und Oberflächen, die als Zutat unserer Zeit erkennbar sein sollen. Dabei wird jedoch nirgends vordergründig nur der Kontrast zwischen Alt und Neu gesucht.

Dicke Wand im Erdgeschoss des Südflügels

Ein solcher Umgang mit originaler Bausubstanz und rekonstruierten Bauteilen lässt sich auch an den Kreuzrippengewölben der im Erdgeschoss zum Kreuzgang miteinander verbundenen Flügel erkennen. Während die Gewölbe im Kreuzgang des West-, Nord- und Ostflügels sogar mit allerlei wertvoller spätgotischer Malerei erhalten geblieben sind, ging das Kreuzrippengewölbe im Südflügel im Zuge der landwirtschaftlichen Nutzung verloren.

Die Außenwand zum Kreuzhof hin war hier aber noch im originalen Zustand mit den Gewölbeansätzen erhalten. Auch der Sockel der 1,5 m dicken Innenwand, die den Kreuzgang im Südflügel von den beiden Refektorien (Speisesälen) trennte, war in einer Höhe von knapp über einen halben Meter noch mit Treppenstufen und Resten der Türgewände vorhanden. Anhand dieser noch vorhandenen Reste mauerten die Handwerker die historisch einst vorhandene Wand aus Kalksandsteinen wieder auf 1,5 m Breite auf – natürlich nicht massiv, sondern als hohle Wand, in der Schränke und Technik verschwinden. Damit sind – wie ursprünglich angelegt – die Refektorien im Erdgeschoss des Südflügels wieder vom Kreuzgang getrennt.

Rippendecken und Kreuzgratgewölbe aus Beton

Die Rohbauer bildeten die Betondecken über den Refektorien ebenso wie die über den Räumen im Erdgeschoss des Ostflügels als Rippenkonstruktion aus. Für die Unterseiten verwendeten sie eine Stäbchenschalung, während sie die Rippen glatt schalten. Anders verhält es sich bei den Gewölben über dem Kreuzgang im Südflügel. „Nach langer Diskussion fiel die Entscheidung zugunsten der Wiederherstellung des Rundganges mit Betongewölben“, erinnert sich der Architekt Jörg Preckel vom Büro Pfeiffer Ellermann Preckel aus Münster. Für die Betongewölbe verwendeten die Rohbauer vorgefertigte Schalungen, auf die sie einen im Farbton an die Bestandsgewölbe angepassten Magerbeton stampften. Auf eine Bewehrung konnte hierbei verzichtet werden. „Der Beton gibt sich einerseits mit seiner porösen Oberfläche und den abstrahierten Konsolsteinen als neue Zutat zu erkennen und harmoniert andererseits gut mit den historischen Gewölben in den restlichen drei Kreuzgängen“, so Jörg Preckel.

Aufstockung des Ost- und des Südflügels

Auf die Erdgeschosse des Ost- und des Südflügels mauerten die Handwerker aus wärmedämmenden Hochlochziegeln ein weiteres Geschoss und rekonstruierten damit die ursprüngliche Höhe der Flügel. Die Maueröffnungen der Fenster der neu hinzugekommenen Etage sind rechteckig und unterscheiden sich damit deutlich von den historischen Spitzbogenfenstern im Erdgeschoss der Flügel. Eine Unterscheidung in neu und alt ist auch an den Fassaden beider Geschosse ablesbar, obwohl die Handwerker für die Aufstockung einen Kalkputz im Farbton und in der Putzmischung entsprechend dem an den Erdgeschossfassaden vorgefundenen Originalputz verwendeten. Die Unterscheidung in alt und neu wird anhand der unterschiedlichen Ausführung der Putzoberflächen und in den Details deutlich: Der Originalputz wurde im Erdgeschoss mit all seinen Alterungsspuren nur gereinigt und ausgebessert, während die Handwerker die neuen Putzoberflächen am Obergeschoss einheitlich und durch eine Schattenfuge getrennt vom fragmentarischen Originalputz darunter ausführten.

Auf die Mauerkronen des Südflügels setzten die Handwerker ein Dachtragwerk aus Stahlbindern, von dem sie mit Zugstäben eine Galerie abhängten. Für den Ostflügel bauten die Zimmerleute einen offenen Sparrendachstuhl aus mächtigen Eichenhölzern, während sie den Nordflügel mit einem flach geneigten Pultdach verschlossen, da hier kein Aufschluss über die ursprüngliche Form zu erlangen war. Dort wo Süd- und Ostflügel aufeinander treffen, entstand auf quadratischem Grundriss ein Treppenhaus als frei hängende Stahlbetonkonstruktion.

Mit den Arbeiten an den Dächern fand der zweite Bauabschnitt und damit die insgesamt rund 13 Millionen Euro teure Rekonstruktion der fehlenden Geschosse und die Sanierung der Flügel ihren Abschluss. Seit Oktober vergangenen Jahres laufen die Besucher des „Landesmuseums für Klosterkultur“ nun auch durch diesen wiederhergestellten Teil der Klausur. In den Erdgeschossen erleben sie monastische Kultur und Geschichte pur, denn hier wird das Kloster selbst zum Ausstellungsobjekt, während die Obergeschosse der Präsentation von Exponaten vorbehalten sind.

Mit dem Abschluss des zweiten Bauabschnitts wurden die Obergeschosse und Gewölbe wiederhergestellt

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