Landluft macht frei
Umbau eines Bauernhauses mit Scheune im Teutoburger Wald

Das Leben auf einem ehemaligen Bauernhof hat heute eine ganz besondere Faszination. Viel Tageslicht gab es jedoch in den Gehöften früher nicht. Daher war es für Architekt Wolfgang Herich beim Umbau eines Bauernhofs im Teutoburger Wald ein wichtiges Anliegen, viel Licht und Luft ins Gebäude zu lassen.

Bei dem im 18. Jahrhundert im Teutoburger Wald erbauten Bauernhof handelt es sich um ein Drei-Ständer-Fachwerkhaus. Es ist ein typisch niederdeutsches Hallenhaus, das aus einem großen Wirtschaftsteil im Osten und einem kleineren Wohnteil im Westen besteht, der als Kopfbau direkt an den Wirtschaftsteil anschließt. Beide Gebäudeteile sind unter einem gemeinsamen Satteldach zu einer Einheit verschmolzen. „Die ursprüngliche Grundriss-Struktur mit der großen Diele, den seitlich angrenzenden Stallungen, dem offenen Flottbereich und dem anschließenden Kammerfach war zwar noch gut ablesbar, aber zum Teil in einem maroden Zustand“, beschreibt der mit der Umbauplanung beauftragte Architekt Wolfgang Herich aus Belm seinen Eindruck vom Gebäude.

 

Sanierung und Erneuerung des Kopfbaus

In der Tat war das Haus in keinem guten Zustand. Zudem hatte man den Westgiebel irgendwann einmal aus Ziegelsichtmauerwerk neu errichtet. Das war für einen niederdeutschen Bauernhof nicht nur untypisch, sondern auch in statischer Hinsicht eine wackelige Angelegenheit. Der Gesamteindruck des denkmalgeschützten Gebäudes war durch diese Bausünde stark beeinträchtigt. Da war es für Wolfgang Herich nur folgerichtig, diesen Gebäudeteil abzureißen und aus Kalksandstein in den alten Proportionen neu zu errichten. „Durch die Erneuerung des Westgiebels bot sich die Möglichkeit, im Haus die Anforderungen und Wünsche der neuen Nutzer mit eindeutig heutiger Formensprache umzusetzen, so dass sich die Gegenwart mit ihren Ausdrucksformen zeigt“, so der Architekt. Daher kommt es auch, dass man von Westen her meint, einen Neubau zu sehen, von Osten jedoch an der Fachwerkkonstruktion und dem großen Dielentor den historischen Bauernhof eindeutig erkennt. Auf dieser Gebäudeseite wird auch schnell klar, dass die Handwerker die Konstruktion dort, wo die Bausubstanz und das äußere Erscheinungsbild des Hauses noch im ursprünglichen Zustand erhalten waren, mit viel Respekt vor der gebauten Tradition repariert haben. Sie räumten die Gefache aus und ergänzten die Fachwerkkonstruktion zimmermannsmäßig überall dort, wo diese durch Fäulnis in ihrer Statik beschädigt war. Auch der historische Dachstuhl konnte auf diese Weise erhalten bleiben. Den Dielenfußboden gruben die Handwerker komplett aus und stellten sämtliche Holzständer auf neue Punktfundamente. Das Fachwerk wurde anschließend neu mit Ziegelsteinen ausgemauert und dahinter eine zweite Mauerschale aus Kalkssandstein hochgezogen.

 

Viel Licht und Luft im Haus

Nach Norden hin blieb das ursprüngliche Erscheinungsbild beinahe unverändert. Sechs neue Holzfenster mit glasteilenden Sprossen wurden auf dieser Gebäudeseite in die Gefache eingepasst. Auch die vier weiß lackierten Holzfenster, welche die Handwerker im Ostgiebel über dem Dielentor einbauten, besitzen glasteilende Sprossen und sind mit historischen Beschlägen ausgestattet. Die maroden Holzflügel des Dielentores wurden hingegen ausgebaut und vom Schreiner durch ein großes Holzfenster ersetzt, das die Aufteilung des ehemaligen Dielentores gestalterisch aufnimmt und in die moderne Fensterkonstruktion übersetzt.

Ganz anders sieht es auf der Süd- und vor allem auf der Westseite des Hauses aus. Der aus Kalksandstein neu errichtete Kopfbau bot sich für moderne Fensterformate und Konstruktionen geradezu an. So lässt sich die Südseite des Kopfbaus dank einer bodentiefen Glas-Faltwand von Solarlux fast auf ganzer Länge zur großzügigen Terrasse hin öffnen. Dadurch kommt nicht nur viel Licht, sondern im geöffneten Zustand auch jede Menge frische Landluft ins Haus, denn die aus fünf Flügeln bestehende Glas-Faltwand lässt sich trotz ihres Gewichts von rund einer halben Tonne kinderleicht zur Seite schieben. Gefüllt ist die Faltwand mit einem Hitze spiegelnden Sicherheitsglas: Durch eine reflektierende Folie wird eine Überhitzung der Wohnräume dahinter vermieden.

In die Gefache des Wirtschaftsteils setzten die Handwerker auch auf der Südseite Holzfenster mit glasteilenden Sprossen ein. Eine Besonderheit sind die beiden fest verglasten Fenster, welche die Handwerker unter zwei der nebeneinander angeordneten, weiß lackierten Holzfenster in die Gefache einfügten. Sie werden innen zu einer bodentiefen Sitznische und lassen sich von außen mit Holzklappläden verschließen. Auch gibt es auf dieser Gebäudeseite in der Dachfläche insgesamt sechs Dachfenster von Velux. Zum Teil über der Galerie hinter dem Eingang angeordnet, leiten auch sie zusätzlich Tageslicht bis in das Erdgeschoss. Die modernen Metallfenster im Westgiebel tragen der zeitgemäßen Gestaltung dieser Gebäudeseite Rechnung. Zu Fensterbändern gruppiert, strukturieren sie neben den horizontalen Lärchenholzlamellen die Fassade.

Das Konzept einer großzügigen Belichtung und Belüftung verfolgte Wolfgang Herich auch beim Neubau eines Nebengebäudes, das die Handwerker am Standort einer alten Scheune in gleicher Form errichteten. Ursprünglich aus Ziegeln erbaut, verwendeten die Maurer Kalksandstein für die tragende Innenschale, die sie anschließend von außen mit Bruchsteinmauerwerk verkleideten.

Von Westen meint man einen Neubau zu sehen, von Osten zeigt sich der historische Bauernhof

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