Neubau der Kunsthalle Mannheim

Mitte vergangenen Jahres wurde die aus einem 1907 errichteten Altbau und einem Neubau nach Plänen des Büros gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner bestehende Kunsthalle Mannheim eröffnet – außen ein bronzefarbiges Edelstahlgewebe, innen anspruchsvoller Trockenbau.

Die Geschichte der Kunsthalle Mannheim beginnt bereits im Jahr 1907. Damals öffnete das nach Entwürfen des Architekten Hermann Billing errichtete Ausstellungshaus pünktlich zum 300. Stadtjubiläum erstmals seine Pforten. Schnell etablierte sich das Jugendstilgebäude mit einer Fassade aus rotem Sandstein als adäquater Ort für die Mannheimer Kunstsammlung, wurde 1909 zur Kunsthalle Mannheim und avancierte zum geschätzten kulturellen Treffpunkt der Mannheimer Bürger. Nach der Instandsetzung der Kriegsschäden wurde die Ausstellungsfläche der Kunsthalle 1983 um einen großen Erweiterungsbau ergänzt. Nachdem 2011 erhebliche Baumängel und Wasserschäden insbesondere in einem Tiefbunker unter diesem Anbau festgestellt wurden, entschied sich die Stadt Mannheim für den Abriss von Bunker und Anbau. An ihrer Stelle sollte ein neuer Gebäudekomplex entstehen, um das Stadtbild nachhaltig zu prägen und neue, zeitgemäße Perspektiven für die Aufgaben der Kunsthalle zu eröffnen.

Nachdem der neue Teil der Kunsthalle und das zuvor generalsanierte Jugendstilgebäude Mitte Dezember 2017 von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier feierlich eröffnet worden waren, hatten die Mannheimer Bürger die Gelegenheit, „ihre“ neue Kunsthalle kennenzulernen. Der Umstand, dass dabei noch vergleichsweise wenige Kunstwerke zu sehen waren – der reguläre Ausstellungsbetrieb begann erst im Juni vergangenen Jahres – tat der Begeisterung vieler Besucher keinen Abbruch: Zu beeindruckend war das Flanieren durch die neuen Räume und Galerien, die über zahlreiche Brücken, Stege und Kreuzungspunkte erschlossen sind.

Große Fensterfronten gewähren ungewohnte Ausblicke auf die Mannheimer Innenstadt und den in eine Jugendstilanlage eingebetteten Wasserturm, das Wahrzeichen Mannheims. Vor allem das Spiel mit neuen Perspektiven auf die Umgebung der Kunsthalle und das innovative Raumkonzept mit seinen hellen, transparenten Ausstellungsflächen hatten dazu geführt, dass sich der Entwurf des Büros gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner im Rahmen eines nichtöffentlichen, anonymen Architekturwettbewerbs gegen die nationale und internationale Konkurrenz durchsetzte.

Stadt in der Stadt

Neu- und Altbau der Mannheimer Kunsthalle bieten zusammen eine Nutzfläche von rund 13 000 m2, wovon etwa 5700 m2 für Ausstellungen genutzt werden können. Die Entwurfsidee des Neubaus spielt dabei auf die historische Stadtstruktur von Mannheim an: sieben Ausstellungs-Häuser (Kuben) gruppieren sich um ein großes, 21,5 m hohes, lichtdurchflutetes Atrium – das Bild einer „Stadt in der Stadt“. In den in Höhe und Breite unterschiedlichen Ausstellungskuben und den angrenzenden Räumen finden sich insgesamt dreizehn zwischen 250 m2 und 450 m2 große Galerien. Komplettiert werden die vielgestaltigen Ausstellungsflächen durch drei unterschiedlich dimensionierte Terrassen mit atemberaubenden Ausblicken und einem kleinen Dachgarten unter freiem Himmel. Die Pfosten-Riegel-Fassade wurde aus massiven, hoch wärmegedämmten Stahlbetonelementen errichtet. Alle Fenster sind mit einer Dreifach-Isolierverglasung ausgestattet. Von außen umgibt das Gebäude ein bronzefarbiges Edelstahlgewebe der GKD – Gebr. Kufferath AG als offene, transluzente Vorhangfassade, die einen eindrucksvollen und modernen Kontrast zum roten Sandsteinmauerwerk des Jugendstilgebäudes bildet. Als Ganzes erfüllt die Gebäudehülle die Anforderungen an den Passivhausstandard.

Das „Große Einmaleins“ des Trockenbaus 

Rund 100 unterschiedliche Handwerksbetriebe arbeiteten mehr als zwei Jahre Hand in Hand, um den eindrucksvollen Neubau zu errichten. Für Projektleiter Felix Schlotter von der Jaeger Ausbau GmbH + Co KG Zwickau und sein Team begannen die Ausbauarbeiten im Juni 2016, bereits unmittelbar nachdem die Rohbauarbeiten abgeschlossen waren. „Schon in dieser für uns frühen Bauphase war zu erkennen, dass hier ein ganz außergewöhnliches Gebäude entsteht. Entsprechend streng waren auch die Vorgaben: An den gesamten Trockenbau wurden bezüglich der einzuhaltenden Toleranzen und der Maßgenauigkeit höchste Anforderungen gestellt. Darüber hinaus galt es, einige spannende projektspezifische Herausforderungen zu lösen“, erinnert sich der Projektleiter. Sein bis zu 40 Mann starkes Team war insgesamt mehr als ein Jahr mit dem Innenausbau beschäftigt. Rund 7500 m2 Wandflächen und 6000 m2 Deckenflächen warteten auf die fachkundige „Behandlung“ durch die Bauprofis, die ihrerseits das „Große Einmaleins“ des Trockenbaus zeigen durften: Einfach- und Doppelständerwände, Brandwände, Schallschutzwände, gleitende Deckenanschlüsse, abgehängte Decken, teils aus Formteilen erstellte Deckenfriese, Integration von Lichtbändern, Lichtvouten und Nischen, unzählige Deckenausschnitte für diverse Einbauten – das Aufgabenheft der Monteure war gut gefüllt.

„Die größten Herausforderungen fanden sich in den Ausstellungsräumen und dem 700 m2 großen Atrium des Neubaus. Dort erhielt zum Beispiel die Unterseite einer Brücke, die die Räume im zweiten Obergeschoss miteinander verbindet, eine abgehängte Decke aus ,Rigips Bauplatten RB’, und das in einer Höhe von mehr als 16 m. Darüber hinaus waren in dem glasüberdachten Atrium, genauso wie in den Ausstellungsku­ben, in die teilweise durch raumbreite Fensterfronten viel natürliches Licht einfällt, höchste Oberflächenqualitäten gefragt. Die größte Glasfläche findet sich im Übergang vom Neubau zum so genannten Athenetrakt. Hier wurden einzelne Glaselemente zu einer Fläche von 21 m Höhe und 30 m Breite zusammengesetzt. Die Wände und Decken in diesen hellen Räumen mussten also absolut glatt ausgeführt werden, jede Unebenheit auf den großen Flächen wäre sofort störend sichtbar geworden“, so Felix Schlotter.

Auch schwere Kunstwerke sollten sicheren Halt finden

Dem Anspruch nach perfekten Oberflächen entsprachen die Ausbauprofis mit einer besonderen Idee, mit der sie zugleich die zweite elementare Forderung an den Museumsneubau erfüllten: Um an den bis zu 6,5 m hohen Vorsatzschalen in den Ausstellungskuben später auch schwere Kunstwerke an jeder beliebigen Stelle sicher befestigen zu können, sollten Unterkonstruktion und Beplankung so ausgelegt sein, dass sie Gewichte von bis zu 150 kg/m beziehungsweise 80 kg Punktlast sicher tragen. „Für den überwiegenden Teil dieser Vorsatzschalen waren bodenstehende, wandgehaltene Unterkonstruktionen aus verzinkten Stahlblechprofilen CW 125 in einem Abstand von 312,5 mm vorgesehen. Diese haben wir dann mit Montagewinkeln mit Langlochbefestigung an die dahinterliegende Stahlbetonwand montiert. Darüber hinaus wurden noch wandhängende Unterkonstruktionen aus CD 60 x 27 Profilen mit Direktabhängern an den Stahlbetonwänden befestigt. An anderer Stelle, wo wir etwa durch Lüftungseinbauten über den Ständerabstand von 312,5 mm gekommen sind, entstand die Unterkonstruktion aus Stahlhohlprofilen 120 x 80 x 4“, erläutert Felix Schlotter.

Die Beplankung aller Vorsatzschalen sollte ursprünglich einheitlich mit einer 22 mm dicken Mehrschichtholzplatte erfolgen, auf die als zweite Lage eine Hartgipsplatte montiert werden sollte. Felix Schlotter überzeugte die Planer und Bauherrenvertreter jedoch schnell von einer anderen Idee. „Als erste Lage haben wir die massive Trockenbauplatte ,Rigips Habito’ montiert. Diese extrem robuste und sehr harte Platte gewährleistet für sich genommen bereits die geforderte Lastabtragung. Trotz ihrer hohen Oberflächenhärte lassen sich die Platten aber so einfach verarbeiten wie normale Hartgipsplatten. Für die strahlend helle Optik der Wände haben wir dann mit der zweiten Beplankungslage gesorgt.“ Hierfür wählte das Ausbauteam die Designplatte „Rigips Die Weiße“. Der Vorteil: Die Platten verfügen über einen hochweißen Karton, so dass quasi schon in der Bauphase ein nahezu „fertiger“ Raumeindruck entsteht. „Dank des weißen Kartons der Platten, konnten die geforderten Q 3-Qualitäten absolut problemlos erreicht werden. Und in der Verarbeitung bietet ,Rigips Die Weiße’ gleich zweifach Erleichterung: Zum einen ist die Querkante der Gipsplatte ab Werk gefast und lässt sich ohne Bewehrungsstreifen verarbeiten, was einen schnelleren Baufortschritt ermöglicht. Zum anderen umfasst die Platte als Systemlösung mit dem ,Super Fugenfüller’, dem ,ProMix Finish Fertigspachtel’ sowie mit speziellen Schnellbauschrauben leistungsstarke Komponenten, die exakt auf die Verarbeitung der Platte abgestimmt sind“, erklärt Felix Schlotter. Um ein Gefühl für die hochwertige Oberflächenbehandlung zu vermitteln: In mehreren Arbeitsgängen verarbeiteten die Mitarbeiter von Jaeger Ausbau mehr als 8000 kg Fugenfüller und rund 1400 kg der ebenfalls hochweißen Fertigfeinspachtelmasse „ProMix Finish“ auf den Wand- und Deckenflächen.

Ausgezeichneter Trockenbau

Für die Expertenjury der 11. Rigips Trophy 2017|2018 gab es keine Zweifel: Die Jaeger Ausbau GmbH + Co KG Zwickau war für sie der klare Sieger in der Wettbewerbskategorie Trockenbau. Neben dem Umfang und der Vielfalt der auszuführenden Trockenbauarbeiten verbunden mit einer komplexen Baustellenlogistik und der kontinuierlichen Abstimmung mit zahlreichen parallel arbeitenden Gewerken erkannten sie vor allem die Innovationsleistung: Felix Schlotter und sein Team haben die Stärken unterschiedlicher Rigips-Systeme genutzt, um so den speziellen Anforderungen eines Kunst- und Kulturgebäudes gerecht zu werden.

Autoren

Karin Melder ist Projektmanagerin für Messen, Events und Promotion und Jens Förster ist Fachberater Trockenbausysteme bei der Saint-Gobain Rigips GmbH in Düsseldorf.

Baubeteiligte (Auswahl)

 

Bauherr Stiftung Kunsthalle Mannheim

Planung gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner, Hamburg, www.gmp-architekten.de

Statik schlaich bergermann partner, Stuttgart, www.sbp.de

Lichtplanung a.g Licht, Köln, www.aglicht.de

Ausbauarbeiten Jaeger Ausbau, Zwickau, www.jaeger-ausbau.de

Fachberater Trockenbausysteme Jens Förster, Saint-Gobain Rigips, www.rigips.de

 

 

Herstellerindex (Auswahl)

 

Edelstahlgewebe GKD – Gebr. Kufferath, Düren, www.gkd.de

Trockenbauplatten und Spachtelmassen

Saint-Gobain Rigips, Düsseldorf, www.rigips.de

Lichtdecken Rentex Wand- und Deckensysteme, Eggenstein-Leopoldshafen, www.rentex-systeme.de

LED-Leuchten Tridonic, Neu-Ulm, www.tridonic.com

Glas-Faltwand Solarlux, Melle, www.solarlux.de

Lichtdecken aus bespannten Rahmen

Die Raumsituationen in der Kunsthalle, die sich mit Trennwänden verändern lassen, verlangten auch ein besonders flexibles Beleuchtungskonzept. Die Lichtplaner vom Büro a.g Licht haben diese Anforderung mit einer nicht nur funktional sondern auch gestalterisch überzeugenden Lösung umgesetzt. „Wir haben uns für deckenintegrierte Lichtfelder entschieden“, erklärt Daniel Walden, der das Projekt bei a.g Licht betreute. Konstruktion und Ausführung der Deckenfelder erfolgte durch das Unternehmen Rentex. Der Spezialist für Lichtdecken und Lichtwände hat mit transluzenter Folie bespannte Rahmen eingebaut, um das Licht gleichmäßig in die Ausstellungssäle einzukoppeln. Durch den Klappmechanismus der Rahmen können jederzeit ohne großen Aufwand Revisionen vorgenommen werden. „Die Folie aus gewalztem Kunststoff ist leicht, farbneutral und hat einen hohen Transmissionsgrad. Als gut streuender Diffusor hat sie sich bereits vielfach in der Museums- und Ausstellungsbeleuchtung bewährt“, erklärt Uwe Jacob von Rentex. Auch die darüber liegenden, mit linearen „Tridonic LED Light Engines LLE ADV“ bestückten Leuchten-Gehäuse sind mit Revisionsklappen versehen.

Glas-Faltwand öffnet Restaurant zum Friedrichsplatz

Direkt neben dem Eingang eröffnete als Teil der Kunsthalle im Sommer vergangenen Jahres das Restaurant LUXX. Dessen Erdgeschoss ist im Gegensatz zu der dunkel gehaltenen ersten Etage lichtdurchflutet und fungiert als Schaufenster der Stadt. Die Offenheit im Innenraum wird durch eine große Terrasse ergänzt. Diese bietet fast doppelt so viele Sitzplätze wie der Innenraum. Um innen und außen grenzenlos zu verbinden und die Transparenz des Gebäudes zu unterstreichen, wurde eine Glas-Faltwand von Solarlux mit einer Öffnungsweite von 13 m in die Fassade eingebaut. Schon bei geschlossenen Elementen schafft das Faltsystem „Highline“ ungewöhnlich weite Blickbezüge. Die filigranen Profile mit einer Ansichtsbreite von nur 99 mm bieten maximale Durchsicht. Selbst wenn die Glas-Faltwand an kalten Tagen geschlossen bleibt, ermöglicht sie Transparenz und Umgebungsbezug – und das bei einem Uw-Wert von 0,8 W/m2K bei einer Bautiefe von nur 84 mm. Panzerglas, das den Anforderungen der Einbruchschutznorm RC2 entspricht, schützt vor ungebetenen Gästen in den Räumen der Kunsthalle.

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