Omas Häuschen
Umbau eines Wohnhauses in Grub am Forst zum Büro

„Wir versaufen unser Oma ihr klein Häuschen …“, heißt es im Schlager von Robert Steidl aus den 1920er Jahren. Nichts dergleichen hatte Renee Lorenz vom Architekturbüro [lu:p] im Sinn, nachdem er das Häuschen seiner Oma geerbt hatte. Er baute das 1956 in Grub am Forst errichtete Wohnhaus in zwei Bauabschnitten zum Architekturbüro um: Komplett mit Holz verkleidet, blieb zwar die Ku­batur bestehen – ansonsten hat sich das Haus innen wie außen aber vollkommen verändert.

Das Wohnhaus wurde 1956 in Grub am Forst in der damals üblichen Massivbauweise mit Holzbalkendecken und Satteldach errichtet. Aufgrund der weitgehend intakten Bausubstanz war es viel zu schade für einen Abriss und natürlich auch, um es ungenutzt dem Verfall preiszugeben. Das fand auch Renee Lorenz, der das Haus seiner Oma 2000 erwarb, indem er die Verwandtschaft ausbezahlte. „Von Anfang an war die Idee da, aus dem Haus ein Architekturbüro zu machen. Zunächst sollte im Dachgeschoss auch eine Wohnung eingebaut werden. Von diesem Plan sind letztendlich aber nur eine Schlaf-empore und das für ein Büro recht umfangreich ausgestattete Bad übrig geblieben“, erzählt Bauherr und Architekt Renee Lorenz.

Arbeiten statt Wohnen

Um das Wohnhaus als Architekturbüro nutzen zu können, bedurfte es grundlegender Um­bauten. Diese erfolgten in zwei Phasen: Im ersten Bauabschnitt entstand im Erdgeschoss 2001/2002 das Architekturbüro. Das Haus erhielt neue Holzfenster und eine neue Heizung. Zudem wurden der Grundriss und die Raumfunktionen geändert. Eine Wand des ehemaligen Schlafzimmers musste hierzu abgebrochen werden. Schlaf- und Wohnzimmer wurden zu einem offenen Büro, die Küche zum Besprechungsraum und das ehemalige Bad zur Teeküche. Die alten Böden wurden komplett ausgebaut, neue Leitungen in Bodenkanälen zu den freistehenden PC-Arbeitsplätzen geführt und als neuer Fußboden ein mit Epoxidharz beschichteter Zementestrich eingebracht. Lediglich der Besprechungsraum erhielt Industrieparkett. „Danach mussten wir eine ganze Zeit lang arbeiten, um Geld für den zweiten Bauabschnitt zu verdienen“, erinnert sich Renee Lorenz.

Wandlungsfähiges
Wohnhaus

Erst 2006, im zweiten Bauabschnitt, sollte das Haus auch sein äußeres Erscheinungsbild komplett verändern: Die feuchten Grundmauern wurden abgegraben und mit bituminöser Dickbeschichtung, einer Drainage und einer Perimeterdämmung trocken gelegt. Schließlich sollte der Keller künftig als Archiv und Modellbauraum dienen. Am Gebäudesockel brachten die Putzer ein WDV-System auf. Alle übri­gen Außenwand- und Dachflä­chen packten die Zimmerleute hingegen mit Mineralwolledämmung ein, die sie sowohl an der Wand als auch am Dach mit einer hinterlüfteten Brett­verschalung mit offener Fuge aus gehobeltem Lärchenholz verkleideten. Die Regenrinnen und Fallrohre verbergen sich hinter diesen Holzlamellen.

Der Kellereingang wurde unter den Hauseingang verlegt, zu dem die Besucher auf einem Betonband von der Straße geleitet werden. „Aus einem hinterleuchteten Firmenschild mit integriertem Briefkasten entwickelt sich das Betonband zum ‚Roten Teppich’ für Ankommende, bevor es sich zur Eingangstreppe faltet und schließlich als Vordach endet“, beschreibt der Architekt die Entwurfs-idee. Die Treppe und das Vordach kommen dabei ohne Stützen aus – sie hängen an einem in der alten Holzbalkendecke verlaufenden Zugband.

Viel hat sich auch im Inneren geändert: Im Dachgeschoss wurde eine Wand komplett ab­gebrochen, so dass ein gro­ßes Büro entstand. Kleinere Wandabschnitte und ein Teil des Deckenaufbaus der Kehlbalkenlage zum Spitzboden hin mussten weichen, um mehr Licht und Luft im Dachgeschoss zu erhalten. Da das Haus ursprünglich auch als Wohnhaus genutzt werden sollte, bauten die Handwerker ein Bad mit einem vom Architekten selbst angefertigten Beton­waschbecken und eine Dusche mit Edelstahlrückwand ein. Die versenkt eingebaute Badewanne ist im nicht genutzten Zustand mit einem Holzrost abgedeckt. Der Spitzboden wurde als weiteres Überbleibsel der ursprüngli­chen Wohnidee zur Schlafgalerie. Hinauf kommt man über eine geländerlose Stahltreppe.

Unsichtbar befestigte Treppe

Für die Montage der Stahltreppe bohrten die Handwerker dem geplanten Treppenlauf folgend im Dachgeschoss zwei Lochreihen quer durch die massive Mittelwand. Insgesamt ergaben sich daraus 15 Bohrungen, die auf zwei Reihen verteilt im Abstand von 40 cm übereinander liegen, wobei die obere der beiden Reihen eine Bohrung mehr besitzt. Damit die Bohrungen zu Befestigungspunkten wurden, steckten die Schlosser Gewindestäbe hindurch und verschraubten diese in der Rückseite der in zwei Teilen in der Schlosserei vorgefertigten Treppenkonstruktion (Treppenwange mit angeschweißten Trittstufen). Die Gewindestäbe sind über lastverteilende Flachstähle auf der anderen Seite der Wand mit Muttern fest verschraubt.

Zur Egalisierung der Wandun­ebenheiten putzten die Handwerker anschließend die Wange oberflächenbündig ein. Damit auf der Wand, aus der die Treppenstufen – unsichtbar befestigt – wie Stahlschwerter herausragen, eine homogene Oberfläche entstehen konnte, befestigten sie auf der gesamten Wandfläche samt der Wange Gipskartonplatten und verspachtelten diese anschließend mit Gips.

Fenster in die Vergangenheit

Alle übrigen Wandflächen erhielten einen Kalkzementputz als Unterputz, in den die Handwerker ein rissüberbrückendes Glasfasergewebe einbetteten. Als Oberputz wurde wiederum Gipsputz verwendet. An einigen Stellen ließen sie jedoch die alten Wände vom neuen Putzaufbau frei. „Hier entstanden Fenster in die Vergangenheit, die zeigen, dass unter den modernen Oberflächen alte Bausubstanz steckt“, erklärt Renee Lorenz.

Hochgebirgssichere
Dachhaut

Beim Dach wollte der Architekt auf Nummer sicher gehen. Er brauchte ein absolut wasserdichtes Unterdach, denn die „Dachdeckung“ aus Lärchenholzbrettern verlegten die Zimmerleute als offene Verschalung auf einer hochresistenten Konterlattung aus Bangkirai auf den beiden Satteldachflächen. „Die sichtbare Außenhaut schützt das Haus damit nicht vor der Witterung. Das Regenwasser trifft hinter den Lamellen auf eine Wetterhaut, um von dort auf dem schnellstmöglichen Weg in Regenrinnen und Fallrohren gebündelt abgeleitet zu werden“, so Renee Lorenz.

Das alte ungedämmte Steildach deckten die Handwerker hierzu ab. Die darunter zum Vorschein kommende Sparrenlage hatte sich unter der Last der alten Dachziegel im Laufe der Jahrzehnte verformt und musste von den Zimmerleuten ausgeglichen und zur Aufnahme einer ausreichenden Zwischensparrendämmung um 40 mm aufgedoppelt werden. Zwischen die Sparren brachten die Handwerker Mineralwolledämmung auf einer Dampfbremse mit variablem sD-Wert ein. Den oberen Abschluss des Dachdämmpakets bildet eine auf der Außenseite sorgfältig verlegte, diffusionsoffene Unterspannbahn. Darauf befestigten die Zimmerleute eine 80 mm hohe Konterlattung, dann eine Holzschalung. Darüber wurde eine uneingeschränkt freibewitterungsfähige Dachdichtungsbahn von Stamoid verlegt, die ursprüng­lich für extreme Klimabedingungen in den Hochgebirgen entwickelt wurde. „Die diffusionsoffene Bahn aus acrylatbeschichtetem Polyestervlies lässt Feuchtigkeit in Form von Wasserdampf nach außen entweichen, gewährleistet aber als wasserführende Ebene, dass kein Wasser eindringen kann“, so der Architekt. Die Oberfläche der Konterlatten ist mit Rillen versehen, damit das Wasser selbst an den Berührungspunkten mit der äußeren Verschalung abfließen kann. Untergelegte Nageldichtungsbänder sorgen dafür, dass die wasserführende Dachhaut zuverlässig und dauerhaft dicht bleibt. „Die Bildung von Wassersäcken galt es dabei unbedingt zu vermeiden. In den Bereichen der Fenster mussten deshalb beide Ebenen der Dachdichtungsbahn so verlegt werden, dass alles ankommende Wasser seitlich der Fenster ablaufen kann. Besonders bei Sonneneinstrahlung wird die trocknende Wirkung der Luftzirkulation im Dachaufbau deut­lich: Am First entweicht merklich war­me Luft, die alle – von innen oder außen – in diese Ebene eingedrungene Feuchtigkeit unmittelbar ins Freie befördert“, erklärt Renee Lorenz.

Fazit

Die Komplettverkleidung der Außenwände und Dachflächen mit gehobelten Lärchenholzbrettern hat das Wohnhaus aus den 1950er Jahren von außen vollkommen verwandelt. Das zeitgemäße Erscheinungsbild wird zudem vom fehlenden Dachüberstand, den verborgenen Regenrinnen und Fallrohren sowie dem zu einem Betonband ausgeformten Eingangs-element geprägt.

Im Haus sind es vor allem die erneuerten Bauteiloberflächen und das Licht, das für die innere Verwandlung sorgt. Die Neuanordnung der Fenster bringt nicht nur viel Tageslicht ins Architekturbüro, sondern erlaubt den Mitarbeitern auch ungewöhnliche Ausblicke in die Umgebung. Über die neuen Dachfenster gelangt Tageslicht durch die großzügige Deckenaussparung im Spitzboden hindurch bis ins Dachgeschoss.

All das erzeugt eine helle und luftige Arbeitsatmosphäre, die den Mitarbeitern des jungen Architekturbüros [lu:p] viel Raum für neue Ideen und Entwürfe lässt

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