Putzfassade des Kultur- und Kongresszentrums Altötting in  Besenstrich-Technik

Die ruhige, kraftvolle Fassade des neuen Kultur- und Kongressforums in Altötting belebt ein in Besenstrich bearbeiteter Putz. Im Foyer verbargen die Handwerker die nötige Technik in einer Trockenbau­decke aus Kreissegmenten. Mit Video!

Große Kirchenschiffe mit steilen Satteldächern und hoch aufragenden Türmen prägen die Silhouette des niederbayrischen Marienwallfahrtorts Altötting. Für den Bau des neuen Kultur- und Kongressforums ergänzte das Büro Florian Nagler Architekten das Stadtbild um ein weiteres Langhaus. Die neue Stadthalle mit ihrem weithin sichtbaren Holzschindeldach fügt sich so selbstverständlich in das Ortsbild ein, als sei sie schon immer dagewesen.

Der langgestreckte Riegel knüpft mit seinen Dimensionen an die Kirchenschiffe an und greift charakteristische Merkmale aus dem Stadtbild auf. Längs- und Giebelwände bilden eine klare Kontur und sind vom Dach durch eine tiefe Entwässerungsfuge getrennt. Die einfache, markante Gebäudeform wird durch unterschiedlich gestaltete Oberflächen belebt: Der Wandputz wurde mit einem Besenstrich bearbeitet, Decken und Giebel mit feinen Putzbändern, die Fenster mit Faschen abgesetzt. Das Steildach schmücken rund 160 000 Holzschindeln. Die Architekten verzichteten auf Gauben, Dachflächenfenster oder Photovoltaikanlagen: Das Dach strahlt Ruhe und Kraft aus und prägt als fünfte Fassade den Stadtraum.

Ebenso klar strukturiert ist das Innere des Hauses: Vom neuen Vorplatz aus gelangt man in ein lichtes Foyer, an das sich Tagungsräume, Büros und klosterartige Innenhöfe anschließen. Herzstück des Neubaus ist der imposante Saal im Obergeschoss mit rund 800 Plätzen und einem bis zum First offenen, 18 m hohen Holzdachstuhl. Die in dezentem Silbergrau lasierten Holzoberflächen schaffen ein zurückhaltendes Ambiente für Messen, Konzerte, Bälle oder Tagungen.

Besenstrichputz als Hingucker

Die Fassade aus 25 bis 30 cm Ortbeton und einem WDV-System schmückt ein Oberputz in Besenstrichstruktur, der die ebenen Wände mit einem feinen Licht- und Schattenspiel überzieht. Für das WDV-System montierten die Handwerker der Firma AS Ausbau & Service GmbH 14 bis 18 cm dicke, nicht brennbare Mineral­schaumdämmplatten mit minerali­schem Klebe­mörtel auf der Außenwand und befestigten sie mit Thermo­dübeln. Die Gebäudeecken verstärkten sie mit 10 mm dicken, schlagfesten Calcium­silikatplatten: Diese wurden auf entsprechend dünnere Mineraldämm­platten geklebt und gedübelt. „Ein zusätzlicher Schutz vor Vandalismus, falls jemand gegen eine Ecke tritt oder schlägt“, sagt Bauleiter Stefan Lambertz vom Büro Florian Nagler Architekten.

Im Anschluss betteten die Putzer die Armierung in eine Lage mineralischen Gewebespachtel und trugen nach dem Abbinden die Grundierung auf. Dann zogen sie mit der Traufel den mineralischen Oberputz in 3 mm Kornstärke auf. Danach zogen zwei Handwerker den frisch aufgetragenen Putz mit dem Besen gleichmäßig horizontal ab. „Viele Nutzer wollen heute Putzfassaden, die völlig identisch aussehen, wie Fototapeten. Aber es gibt auch einen Gegentrend: Bei diesem Putz bleibt die Handschrift des Putzers erkennbar“, sagt Torsten Lemme, Geschäftsführer der AS Ausbau & Service GmbH.

Die hohen, schmalen Fenster an der Eingangsseite rahmen feine Putzfaschen. Auch Traufen, Giebel und die Decke über dem Erdgeschoss werden durch weiße Putzbänder abgesetzt. Für die 10 breiten Faschen trugen die Handwerker einen Filzputz aus Kalkzement mit einer Körnung von 0,5 bis 1 mm auf. Diesen zogen sie mit einer rostfreien Stahltraufel auf die getrocknete Grundierung auf und rieben ihn dann mit einer weichen Schwammscheibe ab. So entstand eine gleichmäßig glatte, quarzsandähnliche Oberfläche. Anschließend zeichneten sie die Faschen an, klebten sie mit einem Konturenband ab und verputzten die umliegenden Flächen. Zum Abschluss rollten sie zweifach flächig einen Silikonharzanstrich auf, der die Fassade vor Algenbefall und Schlagregen schützt.

Eine Herausforderung waren die Anschlüsse des Putzes an die bündige Aluminium-Glasfassade im Erdgeschoss. „Bei Laibungen hat man immer einen gewissen Spielraum. Hier aber musste der Putz genau die Außenkante der Fenster treffen. Das erforderte ein sehr präzises Putzen und Einmessen“, sagt Torsten Lemme. Da sich die dunkle Alufassade im Sommer stark aufheizt, war es sehr wichtig, die unterschiedliche Ausdehnung der Fassadenelemente aufzufangen. Kompribänder gleichen Bewegungen um +/- 5 mm aus und beugen damit Rissen vor. Um ein Eindringen von Feuchtigkeit in die Konstruktion zu vermeiden, verwendeten die Putzer zudem speziell aufeinander abgestimmte Putzprofile.

Decke aus Kreissegmenten

Ebenso wie die Fassade machen auch die Innenräume einen ruhigen, aufgeräumten Eindruck. Die Technik wurde geschickt integriert und der Blick auf Materialien und Oberflächen gelenkt. So verbergen sich Rauchmelder, Lautsprecher, Lichtvouten, Ab- und Zuluftventilatoren im Foyer in runden Deckenelementen mit einem Durchmesser von 4,50 m. „Die sich überlagernden Kreise ergeben zusammen ein diffuses Bild, so dass man die Einbauten nicht mehr wahrnimmt“, sagt Projektleiter Stefan Lambert.

Die Decke besteht aus drei sich überlagernden Kreis-ebenen, die in der Schlosserei mit einer Stahlkonstruktion sowie Trockenbauprofilen und einer Vollholz-Aufkantung teilvorgefertigt wurden. Auf der Baustelle dämmten die Monteure der Baierl Demmelhuber Innenausbau GmbH die Elemente mit 40 mm dicken Mineralwollplatten, beplankten sie unterseitig mit 25 mm dicken, schallabsorbierenden Holzwolle-Leichtbauplatten und bespannten sie mit weißem Stoff. Als Klemmhülsen für den Stoff schraubten sie an den Rändern weiße Stahlbleche auf die Holzrahmen. „Die am Boden montierten Kreissegmente wurden dann angehoben und mit Teleskop-Gewindestangen sowie einer Abhängung an der Betondecke befestigt“, sagt Bauleiter Thomas Bauer von Baierl Demmelhuber.

Die unterste Lage aus „Lichtringen“ wurde mit einer Stahlkonstruktion, UA-Profilen 75/40/2 mm und Verbindungstraversen vorgefertigt. Jeder Ring besteht aus vier Teilen, die die Handwerker auf der Baustelle mit Hilfe von Teleskop-Einschieblingen an den jeweiligen Abhängepunkten verschraubten und mit gebogenen Gipskarton-Fertigteilen beplankten. Hinter der Ringaufkantung montierten sie auf einer Gipskarton-Unterkonstruktion verdeckte LED-Lichtvouten, die den Raum indirekt beleuchten. Die Lüftungskanäle wurden weiß gespritzt und fügen sich nahezu unsichtbar in den Deckenspiegel ein.

Terrazzo, fünffach geschliffen

Die glatten Wände sind aus furnierter, weiß lackierter Spanplatte und nehmen Schränke und Garderoben auf. Um für den Terrazzo-Beton einen wandähnlichen, beigen Farbton zu erzielen, verwendete die R. Bayer Betonwerksteinwerk GmbH einen Stein aus der Region, der im Transportbetonwerk mit Weißzement und Farbpigmenten gemischt wurde.

Auf der Baustelle bauten die Betonbauer den Boden zweischichtig nass ein. Dazu pumpten sie zunächst 6 cm Unterbeton auf  Trittschalldämmung und Fußbodenheizung, dann folgten 2,5 cm Oberbeton. Anschließend verteilten sie den Beton, zogen ihn ab und glätteten ihn mit dem Flügelglätter. Den eingebrachten Beton deckten sie mit einer Folie zehn Tage lang ab, zudem wurden die Räume regelmäßig stoßgelüftet. „Das ist wichtig, da der Boden sonst über die Oberfläche zu schnell austrocknet und Risse bekommen oder sich an den Rändern aufschüsseln kann“, sagt Geschäftsführer Richard Bayer.

Anschließend schliffen die Handwerker die Oberfläche in fünf Schleifvorgängen mit Diamantschleifmaschinen 6 mm ab – bis auf die Hälfte der Gesteinskörnung. So entstand eine hochglänzende Oberfläche, bei der die Körnung besonders zur Geltung kommt. Für den mehrfachen Anschliff wurden unterschiedliche Körnungen mit immer feinerem Schliff benutzt. Die ersten vier Schleifgänge erfolgten trocken. Anschließend verspachtelten die Handwerker die durch das Schleifen offen gelegten Luftporen mit dem gleichen Grundmaterial und schliffen den Stein abschließend nass. „Es sollten möglichst alle Poren verschlossen werden, damit sich später durch das Begehen oder Reinigen kein Schmutz mehr in den Poren absetzen kann“, sagt Richard Bayer. Schließlich versiegelten sie den Terrazzo mit Imprägniermitteln gegen Wasser und Weinflecken.

Die Mühe hat sich gelohnt: Wände und Decken gehen fließend ineinander über und schaffen im Kultur- und Kongressforums in Altötting einen stimmungsvollen, durch Licht und Material geprägten Empfang.

Über die Montage des 18 m hohen Dachstuhls und die Eindeckung mit rund 160 000 Holzschindeln berichten wir parallel in der zur bauhandwerk gehörenden Zeitschrift dach+holzbau.

Autor
Dipl.-Ing. Michael Brüggemann studierte Architektur in Detmold und Journalismus in Mainz. Er arbeitet als Redakteur und schreibt außerdem als freier Autor unter anderem für stern, DBZ, bauhandwerk und dach+holzbau.
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