Restaurierung und Umbau des Unesco-Weltkulturerbes Kloster Maulbronn

Über zehn Jahre hat es gebraucht, um die  Gebäude für das Evangelische Seminar in der Klosteranlage im baden-württembergischen Maulbronn zu sanieren. Durch die sehr gute Zusammenarbeit einer Vielzahl von Akteuren wurde der historische Wert des Unesco-Weltkulturerbes gesichert.

Die Klosteranlage in Maulbronn, zwischen Stuttgart und Heidelberg gelegen, gilt als die besterhaltene mittelalterliche Klosteranlage nördlich der Alpen und gehört seit 1993 zum Unesco-Weltkulturerbe. Sie wird jährlich von bis zu 200 000 Besucherinnen und Besuchern aufgesucht. Das Kloster wurde 1147 von Zisterzienser-Mönchen gegründet und im 16. Jahrhundert in eine evangelische Klosterschule umgewandelt. Heute ist das Evangelische Seminar Kloster Maulbronn ein staatliches Gymnasium mit Internat in Trägerschaft der Evangelischen Landeskirche Württemberg. Von 2007 bis 2018 wurde die Klosteranlage in diversen Bauabschnitten saniert und ausgebaut. Der hervorragende bauliche Erhaltungszustand sowohl einzelner Gebäude als auch der gesamten Anlage ist darauf zurückzuführen, dass hier in der Geschichte der knapp 900 Jahre kontinuierlich genutzten Anlage immer wieder gebaut, angepasst und saniert wurde. Das älteste Bauwerk ist die Klosterkirche. Das im Mittelalter gegründete Kloster existiert hingegen nicht mehr. Neben der Kirche zählen zu den wesentlichen Bauten die Klostermühle, das Jagdschloss, das Oberamtsgefängnis, das Laiendorment, das Herrendorment, das Herrenrefektorium und die Hörsäle. Neu hinzugekommen ist 2012 die Neue Küche in bewusst moderner Gestalt.

Nicht den Überblick verlieren

Zu den jüngsten Maßnahmen gehören die Sanierungen des Herrendorments, des Herrenrefektoriums und der Hörsäle. Das Herrendorment bildet den östlichen Abschluss des Kreuzgangs, der sich an der Nordseite der Kirche anschließt. Er gliedert sich in das Herrendorment Süd und das Herrendorment Nord und beherbergt heute Klassenräume, Lehrerzimmer und Büros im Ober- sowie den Musiksaal im Dachgeschoss. Die Hörsäle (Bezeichnung im Seminar für Klassenräume), Kleiner Hörsaal, Großer Hörsaal und Neuer Hörsaal befinden sich am nördlichen Kreuzgang und reihen sich im Obergeschoss um das Herrenrefektorium. Der Große Hörsaal ist über dem Brunnenhaus, das in den Innenhof ragt, der Kleine Hörsaal zwischen Herrendorment und Herrenrefektorium und der Neue Hörsaal im ehemaligen Speisesaal zwischen Herrenrefektorium und Laiendorment zu finden. Nicht so einfach, hier nicht den Überblick zu verlieren! Was waren also die interessantesten Arbeiten?

Herrendorment Nord

Holger Probst, kommissarischer Leiter der Abteilung Hochbau im Amt Pforzheim des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg erläutert: „Das Herrendorment Nord war als letzter Bauabschnitt der Gesamtmaßnahme besonders spannend, da hier mit den Klassen- und Lehrerzimmern die Kernelemente der Schule untergebracht sind. Zudem war eine Reihe chirurgischer Eingriffe erforderlich, beispielsweise bei der Nachrüstung einer barrierefreien Erschließung und einer zusätzlichen Innentreppe.“ So konnte hier ein Aufzug eingebaut werden, der vom Erdgeschoss bis unter das Dach, als erste durchgängige Erschließung im Gebäude, alle Geschosse miteinander verbindet. Die historische Gewölbedecke war an dieser Stelle bereits in den 1970er Jahren durch eine Stahl-
betondecke ausgetauscht worden, die nun entfernt werden durfte.

Aufzug auf einer Stahlbetonplatte

„Es war knifflig und hat am Ende gerade so gepasst, aber wir wollten auf keinen Fall ein additives Erschließungselement vor das Gebäude stellen“, so Architekt Probst. Problematisch war unter anderem, dass unter dem Gebäude die Verdolung der Salzach verläuft, und daher keine Unterfahrt möglich war. Der Aufzug steht hier nun auf einer lastverteilenden Stahlbetonplatte. Aber auch nach oben war der Platz knapp bemessen, so dass die Überfahrt nun 2 cm vor dem Dachgebälk abschließt. Der letzte Treppenlauf musste im obersten Geschoss um 90° gedreht werden, um das Dachtragwerk aus dem 15. Jahrhundert zu erhalten. Im Herrendorment Nord gibt es zudem noch einen weiteren spannenden Raum der Anlage: den so genannten „Großen Keller“ im Erdgeschoss. Er diente viele Jahre als Abstellraum und hat den Charakter einer – vermutlich auf Grund zu hoher Feuchte – nicht fertiggestellten mittelalterlichen Baustelle. Die Ausformungen der Gewölbe und Säulen lassen darauf schließen, dass der Raum ursprünglich eine eher repräsentative Anmutung erhalten sollte.

Über dem Gewölbe hatte es eine etwa 1,50 m hohe Schotterschüttung gegeben, um das Höhenniveau im Obergeschoss auszugleichen. Diese hohen Lasten hatten zu Rissbildungen in der Gewölbekonstruktion geführt. Die Risse mussten daher saniert und eine der Sandsteinstützen mit einer reversiblen Klammer (Stahlkorsett) gefasst werden.

Lichthof und Musiksaal

Oberhalb der offensichtlich zu schweren Schüttung befindet sich der Lichthof, dessen Niveau auch im Zuge der Sanierung erhalten bleiben sollte. Daher wurde die alte Schüttung zunächst abgetragen und auf archäologische Funde untersucht. Als neue Schüttung wurde dann eine deutlich leichtere Alternative aus Glasschotter gewählt. In der Mitte des Lichthofs wurden in einem 3,50 m x 3,50 m großen Quadrat Sitzstufen eingelassen, an deren unterstem Punkt der historische Fußboden unter einer Glasplatte sichtbar ist. Ein Stahlfachwerkträger mit einer Spannweite von 16 m unterstützt die historische Holzkonstruktion, so dass diese weitestgehend erhalten werden konnte.

Im Dachgeschoss des Gebäudes, über einen kurzen Flur an den Lichthof grenzend, liegt der Musiksaal, dessen historische Fassung teilweise freigelegt wurde, nachdem er in den 1970er Jahren den Charme eines austauschbaren praktischen Innenausbaus erhalten hatte. „Uns war wichtig, auch innen ablesbar zu machen, dass man sich in einem historischen Gebäude befindet“, betont Probst. „Dazu gehörte die Freilegung der Deckenkonstruktion mit all ihren Störungen in Form von abgeschnittenen Deckenbalken, aber auch der Umgang mit den Fensteröffnungen.“ Die ursprünglich gotischen Bogenfenster der Giebelseite waren nämlich im 19. Jahrhundert durch Rechteck-Fenster überformt worden. Hier wurden nun beide Zeitschichten erhalten, indem der Sandsteinsturz aus dem 19. Jahrhundert auch jetzt den oberen Abschluss der eigentlichen, öffenbaren Fenster bildet, über dem Sturz aber auch der gotische Bogen wieder freigelegt wurde. Hier fällt zudem durch ein festsitzendes Glas zusätzlich Licht in den Raum.

Neuer Hörsaal und Herrenrefektorium

Um die Wiederherstellung bauzeitlicher Raumeindrücke ging es auch beim Neuen Hörsaal. Der zum Ende des 19. Jahrhunderts erbaute Raum mit sichtbarer Holztragkonstruktion wurde ursprünglich als Speisesaal genutzt. „Auch diese Decke war in den 1970er Jahren geschlossen worden. Dabei waren alle Auflager entfernt und die Hängekonstruktion auf entsprechender Höhe abgesägt worden“, erzählt Projektleiter Rolf Creyaufmüller, ebenfalls als Architekt beim Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg tätig.

„Durch Zufall haben wir im Außenbereich zwei der originalen Auflagersteine gefunden, so dass diese wieder eingebaut und neue Konsolen nach ihrem Vorbild gefertigt werden konnten. Anschließend wurden fehlende Teile der Deckenkonstruktion, wie Kopfbänder und Verstrebungen, ergänzt.“ Heute lernen die Schülerinnen und Schüler im weiß verputzten Raum mit Rundbogenfenstern unter einer markanten Holzdecke und historischem Kronleuchter.

Mönche waren nicht bescheiden

Neben diesem ehemaligen Speisesaal gibt es gegenüber dem Brunnenhaus, zwischen dem Herrendorment Nord und dem Laiendorment, das Herrenrefektorium, ein prächtiger, repräsentativer Speisesaal, in dem die Bescheidenheit der Mönche offenbar nicht im Vordergrund stand. Seine Architektur bewegt sich zwischen romanischen Rundbogenfenstern und einem gotischen zweischiffigen Gewölbe mit profilierten Rippen. Das Schadensbild dieses Gebäudetrakts hatte verschiedene Punkte aufgezeigt. Wesentlichster Aspekt war allerdings ein großer Riss, innen und außen sichtbar, über dem nördlichsten Fenster der Westfassade. Es wurde recht schnell klar, dass der Schaden bereits kurz nach der Errichtung des Gebäudes entstanden und immer weiter gewachsen war.

Deutlich wurde auch, dass der südliche Wandabschnitt nach außen verkippt war. Grund dafür war die Absenkung einer Pfeilervorlage, die nun nicht mehr abstützen konnte, sondern, im Gegenteil, wie ein Gewicht an der Wand hing. Als erste Maßnahme wurden Ost- und Westfassade temporär miteinander verspannt, so dass der beschädigte Pfeilerfuß freigelegt und die mangelhaften Steine ausgetauscht werden konnten. Zudem wurden parallel Risse, Absenkungen und andere Schäden an Putz und Steinen konservatorisch behandelt. Heute dient das Herrenrefektorium ausschließlich touristischen Zwecken.

Möbelsystem unterstreicht neue Zeitschicht

Die Architekten und Tischler entwickelten für das Kloster ein Möbelsystem aus Holz, das vor allen Dingen in den Schlafräumen der Klostermühle, des Jagdschlosses und im Laiendorment, aber auch in leicht abgewandelter Form in der Bibliothek, zwischen Herrendorment und Kirche, zum Tragen kam. Den Architekten war wichtig, mit dem Möbelsystem und auch den neuen Treppenläufen eine einheitliche neue Zeitschicht in die Klosteranlage einzubringen.

Das System besteht aus  geölten Eichen-Leimholzplatten. Besonders augenfällig sind dabei die keilgezinkten Eckverbindungen,  die den Möbeln Stabilität verleihen und sie zudem hochwertig und individuell wirken lassen, obwohl der finanzielle Aufwand nicht wesentlich  höher war als für vergleichbare Spanplattenmöbel. Bei den Möbeln der Schlafräume handelt es sich um ein modulares System, bestehend aus Bett, Schrank und einer bettlangen Boxenablage, aus der sich die Schlafraum-Möblierung individuell zusammenstellen lässt.

Gute Lösungen beim Brandschutz

Wie in eigentlich allen Denkmalschutz-Sanierungsprojekten war auch der Brandschutz ein Thema. Glücklicherweise wurden durch die ausgesprochen konstruktive Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro Schuster & Partner sowie der Forschungsstelle für Brandschutztechnik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) schnell gute Lösungen gefunden. So wurde beispielsweise die neue Treppe im Herrendorment trotz einer zu schmalen Laufbreite genehmigt, da anhand einer Entfluchtungssimulation aufgezeigt werden konnte, dass alle Schüler rechtzeitig durch By-Pass-Lösungen über andere Zimmer zum sicheren Aufzugsschacht im F90-Bereich gelangen könnten.

Autorin

Dipl.-Ing. Nina Greve studierte Architektur in Braunschweig und Kassel. Heute lebt und arbeitet sie als freie Autorin in Lübeck (www.abteilung12.de) und ist unter anderem für die Zeitschriften DBZ, bauhandwerk und dach+holzbau tätig.

Baubeteiligte (Auswahl)  

               

Bauherr Land Baden-Württemberg vertreten durch den Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg Amt Pforzheim, www.vermoegenundbau-bw.de        

Architektur  Vermögen und Bau Baden-Württemberg Amt Pforzheim, Gerhard Habermann, Konrad Heß, Holger Probst, Rolf Creyaufmüller, Stephane Castel, www.vermoegenundbau-bw.de

Nutzer Seminarstiftung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg Evangelisches Seminar Maulbronn, www.seminarstiftung.de

Bauphysik/Akustik  Dr. Schäcke & Bayer, Waiblingen, www.ib-schaecke.de

Stahl- und Metallbau Winterhalter Stahlbau, Freiburg, winterhalter-stahlbau.com

Fensterbau Common Fensterbau, Maulbronn, www.common-fensterbau.de,

Fensterbau Rutsch, Meckesheim, rutsch.de

Trockenbau Nada Medic Trockenbau, Altdorf, medic-trockenbau.de

Konservierung Naturstein  Johannes Abel, Auggen, abel-stein.de

Tischler Tischlerei Muckenhaupt, Neuweiler-Agenbach

Maler Ulrich Mausolf, Ispringen, maler-mausolf-pforzheim.de,

Fürner Malerbetrieb, Maulbronn, fuerner.de, Arno Schorn, Marxzell, malermeisterschorn.de

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