Vom Bunker zum Hochhaus
Bochumer Rundbunker wird dank Aufstockung zum höchsten Bürogebäude der Stadt

Der 22 m hohe Bunker im Zentrum von Bochum ist heute Sockelbau eines 89 m hohen Hochhauses und damit das höchste Bürogebäude der Stadt. Gerhard Spangenberg stockte den denkmalgeschützten Bau um 15 Haupt- und 3 Nebengeschosse auf. Damit der Bunker das Gewicht tragen kann, musste er statisch ertüchtigt werden.

Der nach Plänen des Architekten Friedrich Kirchmeier 1942 an der Bochumer Universitätsstraße errichtete Luftschutzbunker bot über 500 Menschen einen Sitz- beziehungsweise Liegeplatz. Tatsächlich suchten während der Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg über 3000 Menschen in ihm Schutz. Wie alle anderen Bunker, verlor auch dieser nach dem Krieg seine Funktion und stand nach verschiedenen Zwischennutzungen leer.  Nachdem ein Investorenwettbewerb 1999 ohne Ergebnis geblieben war, schlug die Logos Gruppe 2004 der Stadt eine Aufstockung auf 89 m zu einem Hochhaus vor – diesmal um 15 und nicht wie im Investorenwettbewerb zuvor um 5 Geschosse. Der Entwurf des Berliner Architekten Gerhard Spangenberg, der die eigens gegründete „Arbeitsgemeinschaft Bunker Universitätsstraße“ leitete, fasst die auf den Bunker aufgesetzten ovalen Geschosse zu drei Paketen mit je fünf Hauptgeschossen zusammen. Jedes dieser gegeneinander verdrehten Pakete entspricht der Höhe des Bunkers. So ergibt sich ein harmonisches Höhenverhältnis von 1:3 zwischen Alt- und Neubau.

Neue Gründung im alten Bunker

Der Bestand bot mit etwa 2 m dicken Außenwänden, einer ebenso dicken Sohlplatte sowie einer Stahlbetondecke als Dach ein einem Bunker würdiges, massives Erscheinungsbild. „Da das Dach, die Sohlplatte und das komplette Innenleben des Bunkers zurückgebaut werden mussten, bedeutete dies entsprechend große Anstrengungen für das Abbruchunternehmen“, erinnert sich Udo Teigelkötter, Bauleiter der Exzenterhaus Bochum GmbH & Co. KG, die 2008 mit den Bauarbeiten begann. Die 2 m dicken Bunkerwände waren nach Abschluss der Rückbauarbeiten zwar noch so tragfähig, dass sie einiges an Lasten aufnehmen konnten, jedoch nicht das Gewicht, das die 15 aus Stahlbeton errichteten Geschosse ihnen aufbürden. Dies machte eine Tiefengründung für die zusätzlichen Lasten erforderlich.

Hier begann für die Mitarbeiter der Firma Bauer Spezialtiefbau aus Essen ein wahres Abenteuer – nicht nur, weil in unmittelbarer Nähe zwei U-Bahnschächte verlaufen. Zudem war die Öffnung im Bunker zu eng, um Bohrgerät nachträglich im Bunker aufzubauen. So musste die zur Bohrpfahlgründung erforderliche Maschine (eine Bauer BG 28) voll aufgebaut – lediglich ohne Gegengewichte, Kellystange und Bohrwerkzeug – mit dem Kran eingehoben werden. Die Arbeit wurde von der Spezialfirma Franz Bracht mit einem der stärksten Teleskop-Kräne Europas ausgeführt. „Das Einheben der Maschine war natürlich eine Attraktion“, meint Gerald Hegemann von der Firma Bauer Spezialtiefbau. „Das Bohrgerät mit einem Gewicht von 98 Tonnen wurde angehoben und in die Höhe geliftet.“ Vor allem war aber das Absetzen der Maschine im Inneren des Bunkers für den Kranfahrer ein wahrer Blindflug. Über Funk wurde ihm mitgeteilt, wie viel Meter es noch bis zum Boden waren.

Die Arbeit, die das Bohrgerät anschließend im Bunker zu verrichten hatte, war zwar nicht umfangreich, aber nichtsdestotrotz anspruchsvoll: Zwölf Pfähle mussten mit einem Durchmesser von 1,2 m bis in eine Tiefe von 33 m getrieben werden. Für die Bodenplatte über diesen Bohrpfählen beförderten die Mitarbeiter der Bauunternehmung Peter Holthausen anschließend 410 m3 eines Betons der Druckfestigkeitsklasse C40/50 der Firma Cemex mit einer Großmastpumpe in den Bunker. Die Bodenplatte trägt zusammen mit den Bohrpfählen und einem neuen, innen liegenden Treppenhaus einen Großteil der aufgesetzten Geschosse. Nur ein Teil der Lasten wird über die alten Bunkermauern abgetragen. In diese schnitten die Rohbauer Konsolen ein und drückten Beton unter die Bunkerwände, um sie zu stabilisieren.

Mit der Tiefgründung hatte man sinnvollerweise außerdem auch die Geothermie erschlossen. So befinden sich heute neben dem Treppenhaus mit Aufzug und der großzügigen Lobby vor allem Räume für die Gebäudetechnik im Bunker. Um diese dort verteilen zu können betonierten die Rohbauer zwei Geschossdecken und bis zu 7 m hohe Wände in den Sockelbau hinein.

Helle Büroetagen mit Sichtbeton und Glas

Die nun folgenden Schalungsarbeiten für die insgesamt 15 im Grundriss eiförmigen, 3,75 m hohen Geschosse, die zu drei gegeneinander verdrehten Paketen à fünf Geschossen und jeweils über ein 1,8 m hohes Zwischengeschoss miteinander verbunden sind, stellten hohe Anforderungen an die Schalungsarbeiten der Rohbauer, denn hier musste zum überwiegenden Teil Sichtbeton der höchsten Klassifizierung erreicht werden. Hierzu montierten die Mitarbeiter der Bauunternehmung Peter Holthausen pro Geschoss drei Schaltische, die sie per Kran in die Höhe transportierten und auf der jeweils obersten Ebene wie Tortenstücke zusammenfügten. „Für das oberste Geschosspaket mussten die Handwerker eine auskragende Spezialschalung bauen“, erinnert sich Udo Teigelkötter, denn hier kragen die Geschossdecken über einen Stützring bis zu 4,5 m weit aus.

170 m3 Beton beförderten die Rohbauer mit dem Schlauchkübel für die Stützen, Wände und Decken je Geschoss bis in eine Höhe von fast 90 m – 130 m3 davon in der Sichtbetonklasse SB4, also der höchsten im 2004 herausgegebenen Merkblatt „Sichtbeton“ geforderten Qualität. Der Rest entspricht den Sichtbetonklassen SB0 bis SB3. Für die dünnen Decken und für die Innenwände verwendeten die Rohbauer einen Beton der Druckfestigkeitsklasse C40/50. Die 15 Stützen, die je Geschoss die Decken tragen, benötigten einen Beton der Druckfestigkeitsklasse C50/60. „Die Anforderungen an die Sichtbetoneigenschaften sind hier sehr hoch. Die Betonoberfläche soll möglichst wenige Poren aufweisen“, betont Baustoffprüfer Jörg Weißkopf, verantwortlich für die Qualitätsüberwachung im Cemex-Lieferwerk Essen-Kray. „Vor der Betonage der ersten Sichtflächen haben wir eine Probefläche erstellt, die der Bauherr und der Architekt abgenommen haben.“

Die Dicke der Geschossdecken nimmt zur Fassade hin ab, um durch deren filigrane Aluminium-Glas-Konstruktion möglichst viel Tageslicht bis tief in die Bürogeschosse zu lassen. Nach Abschluss der Bauarbeiten in diesem Jahr fällt der Blick aus den Büros von hier oben auf die Universität, das benachbarte Grün und auf die Innenstadt. „Einfach in die Höhe zu bauen, würde die Bezüge zum stadttopografischen Umfeld unterbelichten. Jetzt drehen sich die Nocken in drei strategisch wichtige Richtungen“, beschreibt Architekt Gerhard Spangenberg den Bau und meint damit die drei gegeneinander verdrehten Geschosspakete, die dem Gebäude seinen Namen gaben: Exzenterhaus – aus der Mitte gedreht.

Die Geschossdecken der Aufstockung kragen über einen Stützring bis zu 4,5 m weit aus

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