Wo der letzte Tote des II. Weltkriegs starb

Stuckverzierte Fassaden und Decken, imposante Raumhöhen, Türen und Böden der Gründerzeit sowie luxuriöse Ausstattung prägen das „Palmengarten-Palais“ in Leipzig. Für die Sanierung des als „Capa-Haus“ bekannten Ensembles wurde unter anderem das Innendämmsystem „iQ-Therm“ eingesetzt.

Eine Postkarte von 1911 tituliert das Gründerzeithaus Jahnallee 61 in Leipzig als „Prachtbau am Palmengarten“. Mit seinen Gliederungen, Balkonen und den Wintergärten war es ein wichtiger Bestandteil des historischen Stadtbildes. Seine Bewohner waren reiche Unternehmer, Handwerksmeister und Künstler. International bekannt wurde es aber als das „Capa-Haus“. Hier machte der amerikanische Kriegsberichterstatter Robert Capa das Foto, das am 14. Mai 1945 im Life-Magazin unter dem Titel „Der letzte Tote des II. Weltkriegs“ erschien. Es zeigte einen jungen amerikanischen Soldaten, der bei der Befreiung Leipzigs hier Posten bezogen hatte und von einem deutschen Scharfschützen erschossen worden war.

Das ist aber nur eine Episode in der wechselvollen Geschichte dieses Gebäudeensemles, das sich auch auf die Luppenstraße 26/28 erstreckt, die vor über hundert Jahren mit Glanz und Gloria begann und in den 1990er Jahren katastrophal zu enden drohte. Das Haus stand leer und verfiel. Bemühungen der Stadt um seine Erhaltung blieben lange erfolglos. Im Herbst 2011 musste aus juristischen Gründen sogar dem Abrissantrag des damaligen insolventen Eigentümers stattgegeben werden. In der Neujahrsnacht 2012 brannte der Dachstuhl der Luppenstraße 28 aus.

Rettung in letzter Sekunde

Durch Sturmschäden in der Dachfläche und durch den Brandschaden im Dachstuhl war jahrelang Regenwasser ungehindert eingedrungen; im hinteren Gebäudeteil waren bereits einige Geschossdecken ein­gestürzt. Im Vorfeld hatte es bereits mehrere Besitzer-
wechsel gegeben, aber alle waren nicht handlungs- beziehungsweise zahlungsfähig, um das Objekt retten zu können.

Zum Retter in der Not wurde die im bayerischen Mühldorf ansässige LS Immobiliengruppe. Geschäftsführer Horst Langner: „Wir wissen um die Einzigartigkeit dieses Gebäudeensembles und möchten ihm nun wieder den glanzvollen Ausdruck von Tradition und Stilgeschichte, der den Historismus der Gründerzeit wiederspiegelt, zurückgeben.“

Nach ersten Sicherungsarbeiten begannen die Planungen für eine denkmalgerechte Sanierung. Mit
einer Investitionssumme von 12 Millionen Euro sollten 41 Wohneinheiten mit überzeugenden Grundrisskonzepten und drei Gewerbeeinheiten neu entstehen – hochwertig modernisiert mit neuen Eichenparkettböden, stilvollen Holzfenstern, Bädern, Haustechnik und Aufzugsanlage.

Sanierung in drei Bauabschnitten

Das Ensemble „Palmengarten-Palais“ besteht aus drei herrschaftlichen Wohn- und Geschäftshäusern und zählte zu den letzten unsanierten Objekten direkt am prachtvollen Palmengarten. Nach den Plänen des Investors bleibt das gesamte Areal mit der Jahnallee 61 (Capa-Haus) sowie die in der Luppenstraße 28 und 26 angrenzenden Gebäude erhalten. Die bestehende Bausubstanz wurde denkmalgerecht saniert und damit das historische Stadtbild zurückgewonnen. Die Fassaden mit den Gliederungen und Zierelementen wurden restauriert, nach alten Vorlagen ergänzt und die ehemaligen Wintergärten mit Blick zum Palmengarten wieder hergestellt. Getreu dem historischen Nutzungskonzept entstanden im Erdgeschoss erneut Gewerbe- und Ladenflächen, in den Obergeschossen Wohnräume. Auch die einzigartigen historischen Treppenhäuser und die noch vorhandene Innenausstattung wurden denkmalgerecht aufgearbeitet.

Im März 2015 begann die LS mit der Sanierung in drei Bauabschnitten. Erster Bauabschnitt Luppenstrasse 26; mit dreimonatigem Abstand wurde mit dem Bauabschnitt Luppenstraße 28 und weiteren dreimonatigem Abstand mit dem Capa-Haus begonnen. Um die Standsicherheit der Gebäude zu gewährleisten, brachten die Handwerker unter allen drei Gebäuden eine Stahlbetonplatte von bis zu 42 cm Dicke ein. Anfang September 2015 wurde der erste Bauabschnitt Luppenstraße 26 fertiggestellt bis auf die aufwendigen Malereien im Treppenhaus.

Das Energiekonzept

Mit der Ausarbeitung des Konzepts für die energetische Sanierung beauftragte der Investor Langner das Energieberatungsbüro Preiß. Die Zielmarke: Effizienzhausstandard bei Wahrung der Belange des Denkmalschutzes. Preiß ist mit seinen Beratern und Ingenieuren deutschlandweit an der energetischen Sanierung denkmalgeschützter Gebäude und großer Wohneinheiten beteiligt.

Die Experten machten sich an die Arbeit und errechneten die Komponenten, um den Effizienzhausstandard zu erreichen. Die Berechnungen führte man auf Grundlage der Energieeinsparverordnung (EnEV) 2009 durcht. Die Rahmendaten: denkmalgeschütztes Wohn- und Geschäftshaus, Baujahr um 1900, unterkellert, ausgebautes Dach und vier Geschosse. Bezugsfläche nach EnEV: 1394,7 m2.

Die IST-Analyse der Außenwände im Obergeschoss ergab einen U-Wert von 0,97 W/m2K – der Sollwert eines Effizienzhauses 100 gestattet hingegen nur einen U-Wert von 0,24 W/m2K.

Um diese Zielmarke zu übertreffen entwickelten die Planer folgendes Konzept:

Innendämmung mit Remmers „iQ-Therm 30“ aller denkmalgeschützten massiven Außenwände
12 cm dicke Außendämmung für die Gebäuderückseiten
16 cm dicke Zwischenbalkendämmung der neuen Loggien- und Gaubenwände sowie der Decke im unbeheizten Dachraum
4 cm dicke EPS-Dämmmplatten gegen Trittschall
10 cm dicke PU-Dämmung der Kellerdecken, Loggien, Terrassen und Dach
16 cm dicke Zwischensparrendämmung am Dach

Weitere Komponenten ihres Energiekonzeptes waren der Einbau neuer Fenster und die Optimierung der Anlagentechnik durch den Einbau eines Blockheizkraftwerks.

Nach Umsetzung aller vorgeschlagenen Maßnahmen ergibt sich ein Endenergiebedarf für das Leipziger Capa-Haus an der Jahnallee 61 von etwa 106 000 kWh/
Jahr. Der Transmissionswärmeverlust H‘T des Gebäudes liegt bei 0,502 W/m2 K; der Primärenergiebedarf Qp bei 47,996 kWh/m2a. Mit diesen Werten sind die Anforderungen an ein KfW-Effizienzhaus 100 nach EnEV 2009 weit übertroffen. Vorteil für die Investoren: ein Tilgungszuschuss auf ihre Darlehenssumme aufgrund der erfolgreich durchgeführten energetischen Sanierung nach dem KfW-Programm Nr. 151.

Das Ziel war nicht nur die Senkung des Endenergiebedarfs für das Capa-Haus, es sollte durch die „iQ-Therm“ Innendämmung auch eine Erhöhung der Innenwandtemperatur erreicht werden. Denn die Wand-Oberflächen-Tem­peratur eines Bauteils in einem Raum hat einen hohen Einfluss auf die empfundene Behaglichkeit. Auch für den Innenausbau wurden Produkte von Remmers eingesetzt. Des weiteren erfolgte die Fensterbeschichtung mit Induline Premium Coatings (4-Schicht-Aufbau) und der Fassadenanstrich mit Remmers Silikonharzfarbe LA.

Historisches Nutzungskonzept reanimiert

Heute dominiert das Palmengarten-Palais wie einst das gesamte Straßenbild. Das historische Treppenhaus, mit seiner herrschaftlichen Holztreppe lädt Besucher zu einer Reise in die Vergangenheit ein. Die Mieter sind eingezogen, und im Erdgeschoss hat das Café Eigler eröffnet. Die Inneneinrichtung im Stil der 20er Jahre, ist eine Reminiszenz an vergangene Zeiten, am Eingang empfängt das große Kuchenbuffet. Historisch Interessierte kehren dort ein und besuchen die Dauerausstellung „War is over – Robert Capa in Leipzig“. Die Sammlung zeigt das Kriegsgeschehen nur dieses einen Tages 18. April 1945 in Leipzig. Es sind Fotografien der Kämpfe in der Umgebung des Neuen Rathauses und am Elsterflutbecken. Auch das Foto „The Last Man to Die“ ist unter den Exponaten. In die drei Läden neben dem Café zogen die Hausverwaltung, ein Planungsbüro und die Leipziger Denkmalstiftung ein.

Im April dieses Jahres wurde ein Abschnitt der Lützner Straße umbenannt in „Bowmanstraße“. Das Straßenschild wurde an diesem Tag in einem kleinen Festakt enthüllt und erinnert nun für alle Zeiten an den US-Soldaten Raymond J. Bowman, der hier vor 71 Jahren am 18. April 1945 erschossen wurde. Am Haus an der Jahnallee 61 erinnert nun eine Gedenktafel an die damaligen Ereignisse.

Preiswürdig

Die erstklassige Umsetzung der Instandsetzungskonzepte – vor allem durch die vorbildliche Kooperation von Restauratoren, Planern und Behörden – gilt inzwischen als gelungenes Sanierungsbeispiel für denkmalgeschützte Bauten des frühen 20. Jahrhunderts. Aus diesem Grund werden die beteiligten Handwerker, Architekten, Planer und Investoren auch mit dem Bernhard-Remmers-Preis für herausragende handwerkliche Leistungen in der Baudenkmalpflege ausgezeichnet, der am 10. November im Rahmen der Messe „denkmal“ in Leipzig verliehen wird.

Autor
Jens Engel ist Produktmanager Fassaden- und Bautenschutz bei der Remmers Baustofftechnik GmbH in Löningen.
x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 7-8/2012

Energiespar-Denkmal Innendämmung in einem Gründerzeithaus in Leipzig

Sowohl die Bausubstanz als auch die gestalterischen Elementen zeugen vom re­prä­sen­tativen Charakter des Bauwerks im Stile der bür­ger­lich-städtischen Architektur der Jahrhundertwende....

mehr
Ausgabe 12/2013

Endstation Zukunft Sanierung und Umbau des Alten Bahnhof Warendorf zum modernen Geschäftshaus

Der Alte Bahnhof ist ein typischer ländlicher Bahnhof aus dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts. Die Form des zweigeschossigen Gebäudes mit seiner dreiteiligen Baugruppen aus gelb-rotem Backstein...

mehr
Ausgabe 1-2/2017

Viel zu sehen gab es auf der Messe denkmal in Leipzig

Seit 1994, als die denkmal zum ersten Mal in Leipzig noch in den alten Messehallen stattfand, hat sich die Messe im euro­päischen Kultur- und Wissenstransfer zu einem festen Bestandteil entwickelt....

mehr
Ausgabe 10/2011

Kapillaraktive Innendämmung mit Tapete

Wie in vielen anderen Städten entstanden in der Gründerzeit auch in Stuttgart repräsentative mehrgeschossige Wohnbauten. So auch das 1889 in der Stuttgarter Mörickestraße, einer vom damaligen...

mehr
Ausgabe 09/2017

Sanierung und Ausbau des historischen Rathauses in Tübingen

Das historischen Rathaus am zentralen Marktplatz in Tübingen wurde in kleinerer Form bereits 1435 errichtet und in den Jahren 1495/1496 um ein zusätz­liches Obergeschoss ergänzt. In seiner...

mehr