Neubau der Ferienwohnungen des Feldhofs in Vilpian in Südtirol

Der Neubau der Ferienwohnungen des Feldhofs in Vilpian (Südtirol) ist ein schlichter flacher Riegel, der handwerklich so gut ausgeführt ist, dass der Anschluss aller Bauteile und Flächen – vor allem auch der gestockhammerten Sichtbetonflächen – auch in der letzten Ecke perfekt aussieht.

Der Norden von Italien war schon in den 1950er Jahren, vor allem aber ab den 1960er Jahren bei uns Deutschen, aber auch bei den Italienern selbst, ein beliebtes Reiseziel. Schon damals war Südtirol im Sommer bei Wanderern und im Winter bei Skifahrerinnen angesagt. Natürlich bedurfte es entsprechender Unterkünfte für die steigende Zahl der Gäste. In der Anfangszeit des Südtiroltourismus wohnten viele Urlauber einfach mit bei den Gastfamilien, was deren Familienleben erheblich störte. Recht bald erkannte jedoch manch Südtiroler und manche Südtirolerin das Potenzial, das im Tourismus steckt. So wurden viele Höfe und zahlreiche Häuser zu Hotels erweitert. Diesen Trend unterstützte die damalige Lokalpolitik, indem sie Qualität belohnte und zum Beispiel mit dem Bädergesetz von 1972 den nachträglichen Einbau von sanitären Anlagen förderte. Heute zählt der bergige Norden Italiens über 30 Millionen Übernachtungen pro Jahr, vor allem aus dem deutschsprachigen Raum und Italien. Viele Familien leben in Südtirol direkt oder indirekt vom Tourismus. So auch die Familie Thurner in Vilpian – und das schon in dritter Generation.

Umbau oder Neubau?

Das Ensemble aus Haupthaus und direkt daran angeschlossener ehemaliger Scheune vor Beginn der Um- und Neubauarbeiten Das Ensemble aus Haupthaus und direkt daran angeschlossener ehemaliger Scheune vor Beginn der Um- und Neubauarbeiten
Foto: Christian Thurner

Das Ensemble aus Haupthaus und direkt daran angeschlossener ehemaliger Scheune vor Beginn der Um- und Neubauarbeiten
Foto: Christian Thurner
Schon die Großeltern von Christan Thurner betrieben Landwirtschaft. Auch sie vermieteten bereits Gästezimmer und wohnten mit den Feriengästen unter einem Dach. In den 1970er Jahren baute Christian Thurners Großvater den 1940 errichteten Bauernhof um. Seitdem gab es Zimmer mit Waschbecken und gemeinschaftlicher Dusche und WC auf dem Flur. Das blieb bis 2017 so. Zwei Jahre zuvor war die Großmutter gestorben, die in der zum Wohnhaus umgebauten Scheune gewohnt hatte. Nun stand der halbe Hof auf einmal leer. Zudem waren nicht nur die in die Jahre gekommenen Ferienzimmer mittlerweile sanierungsbedürftig, gleiches galt auch für die Wohnung der Mutter. Gaby und Christian Thurner überlegten einen Umbau mit Sanierung des Altbaus und gingen mit ihren Vorstellungen zu einem Architekten. Nachdem ihnen auch ein zweiter Architekt von einem Umbau zu Ferienwohnungen abriet, denn der Altbau sei dafür viel zu verschachtelt und von Niveauversprüngen durchsetzt, kam der Gedanke an einen Neubau auf. Da traf es sich gut, dass Gaby Thurner im benachbarten Terlan in einer Raiffeisenbank arbeitet, die zuvor nach Plänen der Architektin Sylvia Hafner Polzhofer umgebaut worden war. Da beiden Thurners nicht nur diese, sondern auch weitere Arbeiten der Architektin sehr gut gefielen, beauftragten sie Sylvia Hafner Polzhofer mit dem Entwurf eines Neubaus, der sich mit dem noch zu sanierenden Altbau verbindet.


Umbau und Sanierung des Altbaus

Mit den 2017 begonnenen Sanierungsarbeiten sollte der leerstehende Scheunenteil, in dem die Großmutter einst wohnte, verschwinden. Hierzu trennten die Handwerker die ehemalige Scheune vom Haupthaus zunächst mit einer Diamantseilsäge. Danach begann der Rückbau, durch den etwa die Hälfte vom Bestand verschwand. Die Wohnungen im Haupthaus wurden saniert und umgebaut, wobei auch eine Ferienwohnung entstand. Neue Fenster mit Dreifachverglasung und ein 17 cm dickes Steinwolle-WDVS sorgen beim Altbau für einen zeitgemäßen energetischen Standard. Der Hauseingang wurde von der Süd- auf die Nordseite verlegt. Hier befindet sich auch der neue Treppenaufgang und setzt die den Alt- und Neubau verbindende Sichtbetonscheibe an. Mitte 2018 waren die Sanierungs- und Umbauarbeiten fertig und der Neubau konnte beginnen.

Gestockhammerter Sichtbeton

Alle ans Ziegelmauerwerk anschließenden Sichtbetonelemente wurden vor Ort geschalt und gegossen Alle ans Ziegelmauerwerk anschließenden Sichtbetonelemente wurden vor Ort geschalt und gegossen
Foto: Christian Thurner

Alle ans Ziegelmauerwerk anschließenden Sichtbetonelemente wurden vor Ort geschalt und gegossen
Foto: Christian Thurner
Sichtbeton ist ein wesentliches gestalterisches Element des Neubaus. Für die Architektin Sylvia Hafner Polzhofer stellte sich die Frage, ob es überhaupt möglich wäre, die entworfenen Sichtbetonelemente in so extremen Längen ohne Stützen zu bauen. Matthias Thaler, der sich mit seinem Betrieb Innovabau auf Sichtbeton spezialisiert hat, stand hier beratend zur Seite: „Die Herausforderung bestand für uns darin, die Bauteile ohne Abstriche bei der Ästhetik herzustellen. Natürlich durfte sich auch nichts durchbiegen oder gar reißen“, sagt Maurermeister Thaler.

Zunächst musste jedoch der Rohbau aus Hochlochziegeln auf der Stahlbetonplatte über dem Keller errichtet werden. Die Ziegelwände des zweigeschossigen Gebäudes erhielten ebenfalls ein WDVS aus 17 cm dicker Steinwolle. Alle an den gemauerten Rohbau anschließenden Betonelemente wurden von Matthias Thaler vor Ort geschalt und gegossen. Anschließend wurden die Betonoberflächen gestockhammert. Der Steinmetz greift traditionell zum Scharriereisen, wenn er dem Naturstein von Hand eine definiert raue Oberfläche verleihen will, der Maurer nimmt für Beton den Stockhammer. Beim traditionellen Stockhammer besteht der Schlagkopf aus einem gleichmäßigen Gittermuster einzelner Pyramidenspitzen. Wenn diese auf die Betonoberfläche treffen, bringen sie den Beton dosiert zum Abplatzen, so dass auch hier eine definiert raue Oberfläche entsteht. Mit unterschiedlichen Pyramidengrößen, Höhen und Anzahl sind verschiedene Schlagbilder möglich. Ein handwerkliches Verfahren der Oberflächenbearbeitung von Beton, das schon der Architekt Frank Lloyd Wright für seine Bauten schätzte.

Ausgeführt wurden die Arbeiten am Sichtbeton in Vilpian mit einer kleinen Stockmaschine von Flex, die mit einer rotierenden Stockeinheit mit drei Kegeln ausgestattet ist, die mit insgesamt 60 Hartmetallspitzen bestückt sind. Für die direkt und gut sichtbaren Stellen am Neubau nahm Maurermeister Thaler die Stockmaschine selbst zur Hand. „Das ist fast Handarbeit, die Maschine hat die Arbeit nicht sehr erleichtert“, meint Matthias Thaler. Die meisten Flächen hat jedoch ein Erntehelfer aus der Slowakei übernommen, der aus seiner Heimat bereits Erfahrungen mit dieser Bearbeitungsmethode mitbrachte.

Für die direkt und gut sichtbaren Stellen am Neubau nahm Maurermeister Thaler die Stockmaschine selbst zur Hand Für die direkt und gut sichtbaren Stellen am Neubau nahm Maurermeister Thaler die Stockmaschine selbst zur Hand
Foto: Thomas Wieckhorst

Für die direkt und gut sichtbaren Stellen am Neubau nahm Maurermeister Thaler die Stockmaschine selbst zur Hand
Foto: Thomas Wieckhorst
Das Stockhammern verleiht dem Sichtbeton eine optisch weichere Oberfläche. Sie ist jedoch nicht so rau, als dass man sich daran verletzen könnte, sie fühlt sich eher weich an. Das liegt an der besonderen Zusammensetzung des Betons. „Da haben wir ziemlich herumgetüftelt“, erinnert sich Matthias Thaler. „Letztendlich haben wir einen von uns entwickelten Zement mit besonderen Zuschlagstoffen verwendet, der den Beton besonders elastisch macht“, so Thaler. Diese Eigenschaften machen den gestockhammerten Beton auch zum idealen Bodenbelag rund um den Pool des Feldhofs: Zum einen entstand so ein auch bei Nässe rutschhemmender Belag, der sogar bei starker Sonneneinstrahlung nicht zu heiß wird. Zum anderen fügt sich der Pool mit seiner flächigen Betonumrandung wie selbstverständlich in das Ensemble aus Alt- und Neubau und nimmt überdies genau wie die verbindende Sichtbetonscheibe auf Höhe des ersten Obergeschosses die Fluchten beider Gebäudeteile auf.

Neubau als KlimaHaus A

Der italienische KlimaHaus A-Standard beschreibt ein NZEB (nearly zero energy building), also ein „Nahe-Null-Energie-Haus“, das einen Heizenergiebedarf unter 30 kWh/m²a aufweisen muss. Um dies zu erreichen, ist zum einen eine gut gedämmte Gebäudehülle erforderlich. Dies leisten das gedämmte und mit Kies bestreute Flachdach in Kombination mit den Außenmauern aus Hochlochziegeln mit Steinwolle-WDVS sowie die dreifach verglasten Fenster. Diese bauten die Handwerker sowohl als raumhohe randlose Festverglasung ein, mit der sich große Fensterflächen erreichen lassen, als auch als bewegliche Dreh-, Kipp- und Schiebefenster aus Rahmenprofilen, die außen aus Aluminium und innen aus Holz bestehen.

Im Obergeschoss des Neubaus befinden sich vier großzügige Ferienwohnungen, das landwirtschaftliche Gerät des Obstbauernhofs ist im Erdgeschoss versteckt Im Obergeschoss des Neubaus befinden sich vier großzügige Ferienwohnungen, das landwirtschaftliche Gerät des Obstbauernhofs ist im Erdgeschoss versteckt
Foto: Thomas Wieckhorst

Im Obergeschoss des Neubaus befinden sich vier großzügige Ferienwohnungen, das landwirtschaftliche Gerät des Obstbauernhofs ist im Erdgeschoss versteckt
Foto: Thomas Wieckhorst
Durch die großen Fenster hat man eine hervorragende Aussicht auf die umgebenden Berge, die Apfelplantagen und auf den mit Salzwasser gefüllten Pool vor den Ferienwohnungen. Zum anderen gehört zu einem Klimahaus A-Standard eine automatische Wohnraumbelüftung. Die Fußbodenheizung wird von einer Wärmepumpe gespeist und Strom kommt von der PV-Anlage auf dem Dach. Im Sommer wird durch die Fußbodenheizung das zur Bewässrung der umliegenden Apfelplantagen erforderliche kalte Wasser geleitet, so dass sich das in den Wohnräumen verlegte Parkett und die Bodenfliesen in den Sanitärräumen angenehm kühl anfühlen, ohne dass man kalte Füße bekommt. Vielmehr wird der Raum auf diese Weise auch im Sommer angenehm klimatisiert.

Fazit

Die Bauleitung hat Christian Thurner selbst übernommen und auch immer wieder beim Bauen selbst angepackt. Denn es sollte ein Haus werden, in das die Thurners am liebsten selber einziehen würden. „Wir haben alles so gemacht, als würden wir für uns selbst bauen“, sagt Christian Thurner, der ein genaues Auge auf alle Details hatte. Und das sieht man den vielen gelungenen Details auch an. Die Gäste wissen das sehr stimmige Gesamtkonzept zu schätzen. Ein Ganzes besteht eben immer auch aus der Summe seiner Teile und die sind beim „Feldhof“ in Vilpian dank des klugen Entwurfs der Architektin von den Handwerkern einfach perfekt ausgeführt.

Autor

Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschrift bauhandwerk.

Baubeteiligte (Auswahl)

 

Bauherren Gaby und Christian Thurner, I-Terlan-Vilpian, www.feldhof.bz.it  

Architektin Sylvia Hafner Polzhofer, I-Terlan 

Rohbauarbeiten Innovabau, Matthias Thaler, I-Sarntal, innovabau.it 

Tischlerarbeiten Tischlerei Gasser, Sarnthein, www.tischlerei-gasser.com 

Bodenlegerarbeiten Zöggeler Alfred, Mölten

 

 

Herstellerindex (Auswahl)

 

Hochlochziegel Rapis-Ziegel Schmid, Schwabmünchen, www.rapis.de 

WDVS Baumit, Bad Hindelang, www.baumit.de 

Stockmaschine Flex Elektrowerkzeuge, Steinheim, www.flex-tools.com

Weitere Informationen zu den Unternehmen
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