Probefahrt mit dem VN5 von LEVC

Mit dem VN5 verspricht LEVC Elektromobilität ohne Reichweitenangst. Der Transporter nutzt dieselbe Range-Extender-Antriebstechnik, die im Londoner TX-Elektrotaxi zum Einsatz kommt. Der VN5 bietet so Emissionsfreiheit, wenn es nötig ist, und eine Gesamtreichweite von über 489 km.

Sie gehören zu London wie der Tower oder Big Ben: Die „Black Cabs“, die schwarzen Londoner Taxis. Ursprünglich entwickelt wurden sie von Carbodies – fast 70 Jahre lang lieferte das britische Unternehmen, das später in LTI beziehungsweise LTC umbenannt wurde, diese Ikonen des Londoner Stadtverkehrs. Doch dann geriet der Hersteller in finanzielle Schieflage und wurde von Geely übernommen, zu dem heute auch Marken wie Volvo, Polestar oder Lotus gehören.

Der chinesische Konzern richtete den Taxi-Hersteller völlig neu aus – was auch schon der neue Name widerspiegelt: London Electric Vehicle Company oder kurz LEVC. Zwar blieb das Unternehmen seinen Wurzeln treu und entwickelte zunächst ein Plug-in-Hybrid-Taxi für London – rund 4300 dieser TX Taxis fahren mittlerweile in London, weitere in vielen anderen Städten Großbritanniens und weltweit. Doch LEVC wollte sich von Anfang an nicht nur auf den Taxi-Markt konzentrieren. So brachte der Hersteller in 2021 den Elektrotransporter VN5 auf dem europäischen Festland auf den Markt.

Der VN5 Ultima kann mit 22 kW Wechselstrom oder 55 kW Gleichstrom geladen werden Der VN5 Ultima kann mit 22 kW Wechselstrom oder 55 kW Gleichstrom geladen werden
Foto: Olaf Meier

Der VN5 Ultima kann mit 22 kW Wechselstrom oder 55 kW Gleichstrom geladen werden
Foto: Olaf Meier
Genau dieses Fahrzeug steht jetzt vor uns: ein VN5 in der Top-Ausstattungsvariante Ultima. Auf den ersten Blick fällt die markante Front auf – sie wurde vom Londoner Taxi übernommen. Doch obwohl der Transporter einige Designmerkmale mit dem berühmten Taxi gemein hat, ist der VN5 ein komplett zweckorientiert konstruierter Van mit einem 401 mm breiteren Radstand und einer 110 mm höheren Dachlinie.

Elektroantrieb mit Bordgenerator

Der VN5 verfügt über einen batterieelektrischen Antrieb, dessen Reichweite mithilfe eines Range-Extenders deutlich erhöht wird. Dieser Bordgenerator – ein kleiner 1,5-Liter-Benzinmotor – hat keine Verbindung zur Antriebsachse, sondern lädt nur bei Bedarf die Batterie auf. Allerdings muss sich der VN5 mit seiner rein elektrischen Reichweite nicht verstecken: Fast 100 km schafft er emissionsfrei, sparsamere Fahrer können im reinen EV-Modus nach dem WLTP-Testverfahren für Stadtverkehr eine Reichweite von 122 km erreichen. Mit dem Range-Extender schafft er dann sogar eine Gesamtreichweite von 489 km. Mit dieser Kombination von Langstreckenfähigkeit und Emissionsfreiheit vor Ort ist der Brite eine interessante Alternative für Handwerker, die ihren Einsatzort häufiger weiter entfernt von ihrem Standort haben, in Innenstädten dann aber möglichst emissionsfrei unterwegs sein müssen.

Mit dem kombinierten Ladeanschluss Typ 2/CCS ist sowohl AC- als auch DC-Laden möglich Mit dem kombinierten Ladeanschluss Typ 2/CCS ist sowohl AC- als auch DC-Laden möglich
Foto: Olaf Meier

Mit dem kombinierten Ladeanschluss Typ 2/CCS ist sowohl AC- als auch DC-Laden möglich
Foto: Olaf Meier
Zum Laden der Batterie verfügt der VN5 je nach Ausführung entweder über ein 11 oder 22 kW On-board-Ladegerät sowie über eine 50 kW Gleichspannungslademöglichkeit – mit ihr ist der Stromspeicher in nur 30 Minuten vollständig aufgeladen (bei 22 kW würde das 75 Minuten brauchen).

Der Fahrer kann über drei Fahr-Modi das Zusammenspiel von Range-Extender und elektrischem Antrieb steuern: Im „Pure EV“-Modus wird der Range-Extender ausgeschaltet und ausschließlich elektrische Energie genutzt. Der „Smart-Modus“ schaltet automatisch zwischen der Lithium-Ionen-Batterie und dem benzinbetriebenen Range-Extender um, je nach Geschwindigkeit und Gasbetätigung des Wagens. Und im „Save-Modus“ schließlich wird der Range-Extender genutzt, um die Batterieladung für später zu speichern. Das kann vor allem für Fahrer nützlich sein, die über Schnellstraßen zur Baustelle pendeln und die elektrische Energie in städtischen Gebieten einsetzen können oder müssen.

Praxisorientierter und komfortabler Fahrerbereich

Alle wichtigen Fahrzeugfunktionen werden über den Touchscreen gesteuert Alle wichtigen Fahrzeugfunktionen werden über den Touchscreen gesteuert
Foto: Olaf Meier

Alle wichtigen Fahrzeugfunktionen werden über den Touchscreen gesteuert
Foto: Olaf Meier
Ausgewählt werden die Fahrmodi über einen zentral positionierten 9-Zoll-Touchscreen, über den auch alle anderen wichtigen Einstellungen vorgenommen werden und ebenfalls das Bild der Rückfahrkamera dargestellt wird. Angenehm dabei: Der Touchscreen reagiert sehr präzise und schnell. Grundsätzlich überzeugt der Fahrerbereich des VN5: Auch wenn die Materialien nicht unbedingt den Begriff „hochwertig“ verdienen, so machen sie doch einen soliden und gut verarbeiteten Eindruck. Der Fahrersitz ist ergonomisch geformt und voll anpassbar; die Lenkradsäule ist längs- und höhenverstellbar.

Auch beim Fahren – mit und ohne Last – hinterlässt der Transporter einen guten Eindruck. Auf der Autobahn ist zwar bei Tempo 130 (laut Tacho) Schluss, aber das reicht aus, um gut im Verkehr „mitzuschwimmen“. In der Innenstadt kann der VN5 seine Taxi-Gene nicht verleugnen: Mit seinem phänomenal kleinen Wendekreis von nur 10,1 m kommt man um jede Ecke, das Einparken wird zum Kinderspiel (zum Vergleich: Der Golf hat einen Wendekreis von 10,9 m).

Professionelle Ladekapazität

Der Laderaum ist 2447 mm lang und 1574 mm breit (zwischen den Radkästen 1109 mm) Der Laderaum ist 2447 mm lang und 1574 mm breit (zwischen den Radkästen 1109 mm)
Foto: Olaf Meier

Der Laderaum ist 2447 mm lang und 1574 mm breit (zwischen den Radkästen 1109 mm)
Foto: Olaf Meier
Dabei ist der VN5 alles andere als ein Kleintransporter: Seine Ladekapazität von bis zu 5,5 m³ macht es möglich, problemlos zwei Euro-Paletten (1000 mm x 1200 mm) zu laden. Die Nutzlast beträgt dabei bis zu 778 kg für unsere Variante. Der Transporter ist mit einer großen Seitentür ausgestattet (durch die eine Palette seitlich eingeladen werden kann) sowie mit einer 60/40 geteilten Hecktür. Acht Verzurrösen im Laderaum sorgen für eine einfache Ladungssicherung. LEVC kooperiert zudem mit verschiedenen in Europa führenden Zulieferern, so dass der VN5 mit Regalsystemen, Dachgepäckträgern, Lichtbalken und anderen maßgefertigten Modifizierungen ausgestattet werden kann. Zu den autorisierten Partnern gehören Bott, Sortimo, Modul-System und Paneltex.

Fazit

Der VN5 überzeugt auf ganzer Linie: Mit seinem Antriebskonzept, seiner Manövrierbarkeit, seinen Fahreigenschaften und seinen Transportkapazitäten. Seine robuste Aluminium-Monocoque- und SMC-Struktur (SMC steht für ein Gemisch aus Harz und Carbon- oder Glasfaser) verspricht eine hohe Langlebigkeit. Eine Wartung ist alle 40 000 km fällig, und LEVC gibt eine Garantie von fünf Jahren/240 000 km auf das Fahrzeug und von acht Jahren/240 000 km auf die Batterie. Unser Testfahrzeug kostet 58 750 Euro (exkl. MwSt.), die günstigste Variante ist für 53 750 Euro zu haben.

Autor

Dipl.-Ing. Olaf Meier studierte Maschinenbau und arbeitet als freier Fachjournalist. Er lebt in Mönchengladbach und schreibt unter anderem als Autor für die Zeitschrift bauhandwerk.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 04/2021

Elektrischer Kleintransporter "Combo-e Cargo" von Opel

Der neue Opel „Combo-e Cargo“ schafft mit seiner 50 kWh-Batterie bis zu 275 km Reichweite gemäß WLTP. Die Batterie kann in rund 30 Minuten bis zu 80 Prozent wieder aufgeladen werden. Der...

mehr
Ausgabe 04/2020

Vollelektrisch, Hybrid und Brennstoffzelle: e-Transporter im Vergleich

Der „eSprinter“ steht zun?chst als Kastenwagen mit einem zul?ssigen Gesamtgewicht von 3500 kg zur Verf?gung Foto: Daimler

Die Elektromobilität und elektrisch angetriebene Fahrzeuge sind inzwischen markttauglich. So erreichten die kumulierten Neuzulassungen laut Verband der Automobilindustrie VDA am 1. Januar 2020...

mehr
Ausgabe 06/2021

Erste Eindrücke vom Elektro-Transporter „Goupil G6“

In Zusammenarbeit mit spezialisierten Aufbau-Herstellern kann der neue „Goupil G6“ – hier in der Ausstattungsversion als Abrollkipper von Dalby – auf verschiedene Einsatzbereiche zugeschnitten werden

Noch ganz „frisch“ wirken die beiden „Goupil G6“, die für die Probefahrt bereitstehen: Folien schützen die Fahrersitze, die Reifen wirken wie gerade aufgezogen und keine Schramme im Kastenaufbau...

mehr
Ausgabe 11/2020

Malerbetrieb testet Elektrotransporter e-NV200 im praktischen Alltag

Volker Kempen (links) und sein Team von „neuefarbe!“ vor dem Testwagen, einem Nissan e-NV200 mit einer Reichweite von 275 Kilometern und 80 Kilowatt starkem Elektroantrieb

Innovative Ideen der Oberflächengestaltung mit traditionellem Handwerk verbinden – das ist das Motto, nach dem Volker Kempen mit seinem Team von „neuefarbe!“ rund um Mönchengladbach für kreativ...

mehr
Ausgabe 05/2011

Aufgefrischter Ford-Transporter

Das Facelift gibt unserem Testwagen, einem Ford Transit Connect 1,8 TDCI mit langem Radstand und Hochdach, ein durchaus modernes Aussehen: Der modifizierte vordere Stoßfänger und der aktualisierte...

mehr