LWL-Freilichtmuseum Detmold eröffnet weiteres Wohnhaus nach dreijähriger Restaurierung

Von Michaela Podschun

Der Fernseher in der guten Stube, Kühe und Hühner gleich nebenan: Das „Haus Stöcker“, das im Freilichtmuseum Detmold am Sonntag, 19. September, eröffnet wird, ist eine weitere Bereicherung auf dem 90 Hektar großen Gelände. Zeigt es doch den allmählichen Wandel hin zum Lebensstil der 60er Jahre. Während die Tiere noch wie früher direkt im Haus statt in einem separaten Stall untergebracht waren, hatte sich Familie Stöcker doch schon die ein oder andere moderne Errungenschaft gegönnt. In der Waschküche stand eine Waschmaschine, in der Küche der Elektroherd. Und die ersten Filme flimmerten über die Mattscheibe.

Nach gut dreijähriger Restaurierung bauten die Handwerker das ursprünglich aus dem Jahr 1797 stammende Gebäude aus Burgholdinghausen (Kreis Siegen) im Bereich des Siegerländer Weilers wieder auf. Eingelagert war es im Museum bereits seit 1965. Nach einer kleinen Feierstunde mit geladenen Gästen ist das Haus ab Sonntagnachmittag offiziell zugänglich. Vor Ort sein wird die Tochter von Annette und Herbert Stöcker, der letzten Besitzer. Zeitzeugen sind für das Restauratoren-Team ein Glücksfall. „Annette Stöcker hat uns vor ihrem Tod im vergangenen Jahr ein ausführliches Interview gegeben und vieles noch aus ihrer Erinnerung schildern können. Dieses Wissen ist in den Wiederaufbau des Hauses miteingeflossen“, sagt Lisa Niemann. Sie ist im Museum im Bereich Marketingassistenz tätig.       

Rund 20 Handwerker leisten Detektivarbeit

Das Wohnhaus ist das zweite Gebäude, das die 1960er Jahre im Gelände repräsentiert. Die historische Tankstelle aus Siegen-Niederschelden aus dem Jahr 1951, die im Zustand der 1960er Jahre zu sehen ist, war das erste Gebäude aus diesem Jahrzehnt, das der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) 2013 in seinem Freilichtmuseum eröffnet hat.

Rund 20 Handwerker gehören zum Team, darunter die Gebäuderestauratoren Holger Kelm, Tobias Striewe und Bernd Brückmann. „Es ist immer eine Art Detektivarbeit, dem Leben der damaligen Bewohner nachzuspüren“, schildert Holger Kelm den Alltag. Ein Blick fürs Detail hilft ihnen, so ein Haus aus unzähligen Puzzleteilen zu rekonstruieren. „Die Treppe ins obere Geschoss beispielsweise ist original. Auf den Stufen haben wir noch Reste von Grannen gefunden, die übermalt waren. Ein Hinweis für uns, dass die Bewohner Stroh für ihr Vieh oben auf dem Dachboden gelagert haben, und es über die Treppe getragen haben. Eine mühselige Arbeit.“

Erbaut wurde es ursprünglich von einem jüdischen Kaufmann

Erbaut wurde das Wohnhaus 1797, der erste Besitzer war der jüdische Kaufmann Benjamin Moses, der für die damalige Zeit ein sehr modernes Wohnhaus errichtete. Modern war, dass es komplett auf einem hohen Bruchsteinsockel stand und damit besser vor Bodenfeuchte geschützt war. Daraus ergaben sich grundsätzlich bessere Wohnverhältnisse. Der Name Stöcker taucht erst mit dem Besitzwechsel um 1860 an die Familie Stöcker auf. Sie bewohnten es bis 1959. Im Inneren wird der Zustand aus den 50er Jahren gezeigt.

Alle Holzteile in der Halle auslegen und sortieren, historische Schrauben finden oder anfertigen, Fenster und Türen sichten und bei Bedarf rekonstruieren, die Inneneinrichtung detailgenau nachstellen: Die Arbeit der Restauratoren-Teams ist immens. Wir haben ihnen über die Schulter schauen dürfen. 

Ein ausführlicher Bericht über die handwerkliche Arbeit im Museum lesen Sie im Dezember im Magazin bauhandwerk. Die kleine Feierstunde am Sonntag ist auch eine Würdigung der Handwerker. Passend dazu wird einen Tag vorher, am Samstag, 18. September, der „Tag des Handwerks“ bundesweit gefeiert. 

www.lwl-freilichtmuseum-detmold.de

Autorin

Michaela Podschun ist Redakteurin der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

 

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