Dämmstoffe aus Hanf, EPS, Mineralwolle und Holzweichfaser im Großversuch

33 Wohnblöcke der Berliner Wohnungsgenossenschaft Märkische Scholle Wohnungsunternehmen eG werden in Berlin-Lichterfelde bis 2020 saniert. Fünf Gebäude dienen zugleich als Forschungsprojekt zur Erprobung unterschiedlicher Dämmmaterialien wie Hanf, EPS, Mineralwolle und Holzweichfaser.

Die Berliner Wohnungsgenossenschaft Märkische Scholle Wohnungsunternehmen eG hat sich 2014 auf den Weg gemacht, 33 Wohnblöcke des Quartiers Lichterfelde Süd von Grund auf zu sanieren. Bis 2020 sollen nahezu 1000 Wohnungen energetisch und optisch wieder in tadellosen Zustand versetzt oder im Zuge des Bestandsersatzes neu gebaut werden. Das Mammutprojekt bietet der Märkischen Scholle die Möglichkeit, sich nachhaltig von anderen Wohnraum­anbietern in der Hauptstadt abzuheben. Mehr noch: Fünf  Bestandsgebäude wurden zu Vergleichszwecken mit unterschiedlichen Dämmmaterialien saniert – unter anderem mit dem neuen Fassadendämmsystem „Capatect Natur+“ von Caparol, das auf Hanf basiert und vor Ort vom Fassadenfachbetrieb Fabetec verarbeitet wird.

Planvoll agieren, umfassend sanieren

„Trotz anhaltend sehr hoher Wohnraumnachfrage, vor allem in Boomtowns und Ballungsräumen, sind unsanierte Wohnungen in Gebäuden mit hohem Energiebedarf kaum noch kostendeckend zu vermieten. Deshalb muss die Wohnqualität möglichst vieler älterer Immobilien zeitnah auf ein Niveau gebracht werden, das sich am Neubaustandard orientiert. Gebäude nicht nur technisch für die nächsten Jahre fit zu machen, sondern auch optisch aufzuwerten, verbessert dabei die Vermietbarkeit enorm“, weiß Uwe Kretschmer, Prokurist des Wohnungsunternehmens Märkische Scholle eG. Insgesamt wurden für die Sanierung des Quartiers mehr als 70 Millionen Euro budgetiert. Vier Gebäude des Quartiers werden annähernd warmmietenneutral saniert, indem die Wärmeversorgung der gebäudetechnisch von Grund auf zu modernisierenden Wohnblöcke künftig ausschließlich durch erneuerbare Energien erfolgt. Zielsetzung war dabei, spätere Mietaufschläge auf die Differenz zwischen Kalt- und Warmmiete vor Sanierungsbeginn zu begrenzen. Ein sehr soziales Modell, das Nachahmung verdient. Möglich wurde dieser Ansatz durch einen Zuschuss von über 740 000 Euro aus dem Umweltinnovationsprogramm des Umweltministeriums.

Hoher Umweltnutzen

„Durch den Wegfall des Verbrauchs von Fernwärme zum Heizen und elektrischer Energie zur Warmwasserbereitung in Durchlauferhitzern können bilanziell alleine bei den vier untersuchten Gebäuden des Leuchtturmprojekts jährlich fast 200 Tonnen CO2 eingespart werden. Ein Ergebnis, an dem sich andere wohnungswirtschaftliche Unternehmen, die vielleicht gerade eine umfassende Bestandssanierung planen, ein Beispiel nehmen können“, sagt Dipl.-Ing. Taco Holt­huizen, Architekt und Geschäftsführer des Ingenieurbüros eZeit, das von der Märkischen Scholle für die Quartierssanierung mit der Generalplanung beauftragt wurde.

Grünes Licht für Hanf

Um sicherzustellen, dass die Entscheidung über den favorisierten Fassadendämmstoff nicht auf ein vermeintlich preiswertes, unterm Strich aber womöglich unzureichend effizientes Dämmsystem fällt, holten sich die Verantwortlichen Rat von mehreren Fassadendämmtechnikexperten. Einer von ihnen war Planer und Objektberater Michael Karst, der in Berlin für den Farbenhersteller Caparol Unternehmen der Wohnungswirtschaft berät. Er schlug vor,  Außenwände sanierungsbedürftiger Gebäude mit Hanf zu dämmen – genauer gesagt mit dem neuen Dämmsystem „Capatect Natur+“, das es in Deutschland erst seit dem Frühjahr 2016 gibt. Diese Idee stieß bei der Märkischen Scholle sofort auf offene Ohren; und zwar umso mehr, als es am Markt an robusten, hocheffi­zienten, dabei ökologischen Dämmstoffalternativen für hohe Mehrgeschossgebäude bislang fehlte.

WDVS im Leistungsvergleich

In Lichterfelde sollte das auf einer Hanfdämmplatte basierende Fassadensystem zunächst unter Real­bedingungen getestet werden, bevor über eine weitergehende Anwendung entschieden wird. Da in der Schwel­mer Straße mehrere Wohnblöcke aus den 1930er Jahren wie aufgereihte Perlen einer Kette ­nebeneinanderstehen, die in unsaniertem Zustand alle einen vergleichbaren Heizenergiebedarf von knapp 170 kWh/m²a aufwiesen, bot sich dieser ­Straßenzug für einen Vergleich der Leistungsfähigkeit verschiede­ner Fassadendämmstoffe und -systeme geradezu an.

Ein einmaliges Experiment begann: Saniert werden die Fassaden mehrerer benachbarter Gebäude in der Schwelmer Straße auf jeweils etwa 1100 m² mit verschiedenen Dämmmaterialien. So kam auf fünf Mehrfamilienhäuser jeweils ein anderes WDVS auf der Basis von EPS (Dalmatiner-Dämmplatte), Mineralwolle, Holzweichfaser (System Inthermo) und Hanf (System Capatect Natur+).

Die Sicht der Praktiker

„Hanf lässt sich angenehmer verarbeiten als Mineralwolle, weil Mineralwolle kratzt und zu roten Händen führt“, berichtet Malermeister Christian Lahayn, Anwendungstechniker bei Caparol, über seine praktischen Erfahrungen in der Verarbeitung von Mineralwoll- im Vergleich zu Hanfdämmplatten. Der positive Eindruck, den Hanf als Dämmstoff hinterlässt, wird auch von Fabetec-Geschäftsführer Andreas Berndt geteilt: „Hanf ist eine Bereicherung für Fabetec. Unser Kompetenzspektrum wurde durch das Hanfobjekt der Märkischen Scholle in Berlin-Lichterfelde erweitert.“

On top aufgestockt

Hinzu kam die Erweiterung aller gedämmten Häuser um ein Staffelgeschoss, dessen Außenwände beim Wohnblock Schwelmer Straße 32-36 mit einem Inthermo Holzfaser-WDVS ummantelt wurden. Der ökologisch orientierte Bauzulieferer Inthermo ist auf den Holzbau spezialisiert und gehört als Vertriebsgesellschaft ebenso wie Caparol zur DAW SE. Am Staffelgeschoss brachten die Handwerker 18 cm dicke Holzfaserdämmplatten des Typs „Inthermo HFD-Exterior Compact“ auf die Außenwände auf. Anschließend armierten und verputzten sie die Wände, die mit „Inthermo HFD-Color Öko“ im Farbton Amber 85 gestaltet wurden.

Wissenschaftliche Begleitforschung

Um genaue Messwerte zu erhalten, wurden Sensoren eingebaut. Gemessen wird in regelmäßigen Abständen neben dem Temperaturverlauf auch die Feuchtigkeit im Bauteil, um Aussagen über das Rücktrocknungsvermögen der applizierten Putze treffen zu können und das Verhalten der Dämmplatten verschiedener Wärmedämm-Verbundsysteme – beispielsweise ihren sommerlichen Hitzeschutz – unter Realbedingungen zu ermitteln. Das Forschungsvorhaben wird von der Beuth-Hochschule für Technik (Fachbereich IV für energieeffizientes Bauen/Prof. P. Jochum) wissenschaftlich begleitet. Das Forschungsprojekt ist auch insofern bemerkenswert, als alle WDVS von Vertriebsgesellschaften der DAW SE stammen. Der Anbieter zählt zu den wenigen Unternehmen in Europa, die das komplette Dämmstoff-Spektrum führen und Wärmedämm-Verbundsysteme in solcher Vielfalt liefern.

Der Langzeitversuch in Berlin-Lichterfelde ist auf mehrere Jahre angelegt. Über den Projektverlauf und die Zwischenergebnisse der Begleitforschung wird Caparol von Zeit zu Zeit berichten.

Weitere Informationen finden Sie hierzu auch unter www.hanf-daemmt-gruener.de und www.caparol.de

Einen Vergleich natürlicher Dämmstoffe finden Sie auch in der Ausgabe 1-2.2015 der bauhandwerk und in der Ausgabe 3.2015 der bauhandwerk. Dort finden Sie auch einen Beitrag über verschiedene Hochleistungsdämmstoffe.

Autor

Achim Zielke M.A. ist Baufachjournalist in Bad Honnef und arbeitet unter anderem für die Firma Caparol Farben Lacke Bautenschutz in Ober-Ramstadt.

Baubeteiligte (Auswahl)

Bauherr/Auftraggeber Märkische Scholle eG,

Berlin, www.maerkische-scholle.de

Generalplanung eZeit Ingenieure , Berlin,

ezeit-ingenieure.de

Fassadenbeschichtung Fabetec, Berlin,

www.fabetec.de

Farbengroßhandel Gustav Knittel, Berlin,

www.knittel-farben.de

WDVS-Zulieferer Caparol, Ober-Ramstadt,

www.caparol.de

Zulieferer Holzfaser-WDVS Inthermo,

Ober-Ramstadt, www.prefab-solutions.de

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