Energetische Fachwerksanierung mit Lehm
Sanierung eines Fachwerkensembles in Soest mit Mineralplatten und Lehm

Bei der Sanierung eines denkmalgeschützten Fachwerkhauses in Soest verarbeiteten die Handwerker eine Innendämmung aus Lehmmörtel mit Mineraldämmplatten. Das diffusionsoffene Dämmsystem, das daraus entsteht, ist speziell für historische Fachwerkhäuser geeignet.

Das im späten 18. Jahrhundert in Soest errichtete Fachwerkhaus blickt auf eine lebhafte Vergangenheit zurück, die sich bis heute an den Fassaden des denkmalgeschützten Gebäudes ablesen lässt. Unterschiedliche Holzbearbeitungen, Holzquerschnitte und Verzimmerungen der Fachwerkständer an den Traufseiten sind Zeugnisse von mindestens zwei grundlegenden Umbauten zu Beginn und zum Ende des 19. Jahrhunderts, in deren Folge der Kernbau aus ursprünglich drei Gebinden zu einem größeren Wohnhaus mit insgesamt sieben Gebinden erweitert wurde. Durch den Einbau neuer Fenster erhielt damals die Fassade ihre heutige Gliederung. Gleichzeitig wurde damals auch das bis heute bestehende Raumkonzept angelegt.

Weitere massive Eingriffe in die Bausubstanz waren nach dem Krieg notwendig. Dabei richteten die Handwerker beide Giebel neu auf. Ein Bombentreffer in der Nachbarschaft hatte das Dach so stark beschädigt, dass es vollständig erneuert werden musste. Auf der Südseite wurde außerdem der untere Teil der Außenwand durch Ziegelmauerwerk ersetzt – wohl als Ersatz für zerstörte Hölzer. Die Innenwände erhielten Vormauerschalen aus bis zu 10 cm dicken Holzwolle-Leichtbauplatten mit Zementputz, um leichte Schiefstellungen auszugleichen. Aktuell wird das Gebäude zu einem Wohnhaus mit integriertem Büro umgebaut und soll nach seiner Fertigstellung alle Ansprüche an modernes Wohnen erfüllen.

Desolater Zustand: Bereit für den Abriss

„Alles in allem“, resümiert Architekt Raffael Wundes vom Büro Dieckmann & Hohmann aus Soest den Status unmittelbar vor Beginn der Sanierungsarbeiten, „hatten wir hier einen sehr heterogenen und desolaten Bestandsbefund, bei dem auch mit unvorhersehbaren Bauarbeiten zu rechnen war.“ Aus wirtschaftlichen Gründen hatte das Architekturbüro daher den Abriss des Hauses beantragt, das ursprünglich wahrscheinlich als Nebengebäude zu einem der umliegenden größeren Wohnhäuser gehörte. Nachdem der Antrag jedoch von der Denkmalbehörde abgelehnt wurde, stand der Erhalt des Gebäudes im Vordergrund.

Um aufsteigende Feuchtigkeit zu minimieren, verfüllten die Architekten zunächst den etwa um 1900 nachträglich angelegten Keller im vorderen Bereich des Hauses. Sämtliche Wände wurden abschnittsweise etwa 70 cm unterfangen, um etwas mehr Raumhöhe zu gewinnen. Ursprünglich waren die Räume knapp 2 m hoch. Gleichzeitig erhielt dabei die unter dem Haus am Fuß des Kellerabgangs vorhandene Quelle eine Anbindung an den nahen Bachlauf.

Die Fassade wurde „aufgehübscht“. In den Außenwänden ließen die Planer nicht mehr tragfähige Hölzer ersetzen. Teile der Konstruktion, die nur partiell geschädigt waren, ergänzten die Handwerker in Absprache mit der Denkmalbehörde und führten Neuausfachungen mit Lehmsteinen beziehungsweise weich gebrannten Tonziegeln aus. Der Einbau neuer Fenster in zweiflügeliger Ausführung mit Isolierverglasung und Sprossen sorgt für eine hohe Authentizität der historischen Fassade.

Im gesamten Gebäude mussten alte, nicht tragfähige Farb- und Putzschichten entfernt und ersetzt werden. „Insgesamthaben wir nur für das Freilegen der Außenwände fünf Container Schutt aus dem Haus entfernt“, erinnert sich Raffael Wundes. Da das Gebäude nach Abschluss der Bauarbeiten als Wohnhaus genutzt werden soll, war eine Dämmung der Außenwände geplant. Das Wärmedämmkonzept wird ergänzt durch die Installation einer neuen Heizungsanlage in Gas-Brennwerttechnik.

Feuchteschäden an der Konstruktion vermeiden

Die Forderung der Denkmalpflege nach Erhalt der historischen Fassade konnte nur durch ein Innendämmung erfüllt werden. „Wir haben hier ein System ohne Folie gesucht“, erklärt Architekt Wundes. Bei der Verwendung einer Dampfsperre kann man viele Fehler bei der Ausführung machen, die schließlich schwerwiegende Konsequenzen haben. Wundes weiß, dass speziell bei Fachwerk der Dämmkonstruktion eine besonders hohe Bedeutung beizumessen ist: „Die Kombination von so verschiedenen Materialien wie Holz, Ziegel, Naturstein, Lehm und Kalk und deren unterschiedliches Verhalten bei veränderten klimatischen Verhältnissen erfordern eine genaue Betrachtung. Speziell bei der Ausführung einer Innendämmung sind daher Besonderheiten zu berücksichtigen, die dem Schutz der tragenden Holzkonstruktion dienen.“ Dabei gelte es, so Wundes, vor allem auch Feuchteschäden an der Konstruktion zu vermeiden. „Die können leicht auftreten, denn eine Fachwerkfassade ist nie ganz schlagregendicht.“ Der Einsatz eines kapillaraktiven Dämmstoffs, der über ein Austrocknungspotential nach innen zum Raum hin verfügt – da keine Dampfsperre im Weg ist – sei die einzige Alternative.

Guter Feuchtekapillartransport

Seitens des Denkmalamtes wurde gefordert, die Innendämmung mit Holzweichfaserplatten auszuführen. Wegen eines generell günstigeren Feuchtekapillartransportes von Mineraldämmplatten gegenüber Holzweichfaserplatten konnte der Architekt jedoch Ytong Multipor Mineraldämmplatten durchsetzen. Hilfreich für die Beantragung der denkmalrechtlichen Erlaubnis war ein feuchteschutztechnischer Nachweis, den Ytong Multipor Gebietsleiter Peter Böhm erstellen ließ, auf dessen Basis das Denkmalamt zustimmte. Ausschlaggebend war auch, dass die Mineraldämmplatte gegen Schwamm- und Schimmelbefall resistent ist, während die Holzweichfaserplatte dafür einen geeigneten Nährboden bieten kann. „Außerdem ist das System einfach zu verarbeiten: Eine unkompliziert zu montierende und wenige Schichten umfassende Innendämmung, ohne Folien und feuchtigkeitsregulierend“, sagt Raffael Wundes. Wichtig war auch, dass der Hersteller die Mineraldämmplatten als System mit Lehmmörtel anbietet. „Das kapillare Feuchtetransportvermögen von Lehmmörtel wirkt mit seiner sehr geringen Ausgleichsfeuchte konservierend auf die umschlossenen Hölzer“, so Peter Böhm. „Speziell bei Fachwerkgebäuden ist Lehmmörtel sehr gut geeignet. Die Materialien passen zusammen und harmonieren miteinander“, ergänzt Architekt Wundes.

Kompletter Wandaufbau mit nur einem Material

Speziell im vorliegenden Fall bietet Lehm vor allem Vorteile durch sein breites Anwendungsspektrum, das es ermöglicht, den kompletten Wandaufbau neben der Dämmplatte mit nur einem Material zu erstellen. Das ausschließlich aus Lehmpulver und Natursanden bestehende Material wird gleichermaßen als Ausgleichsputz bei Unebenheiten im Untergrund oder als Klebemörtel für die Mineraldämmplatte eingesetzt, außerdem als Armierungsputz mit Gewebeeinlage beziehungsweise als abschließender Oberputz auf den Mineraldämmplatten.

Das Material kann – wichtig gerade bei dem hier vorliegenden heterogenen Bestand – auf fast allen Untergründen verarbeitet werden: Mineraldämmplatten, Leichtmörtel, Kalk- oder Kalkzementputze, Lehmsteine und Lehmbauplatten, alle Arten von Mauerwerk, Schilfrohr, Ziegeldraht oder Fachwerkgeflecht.

Ausgleichsputz mit Lehm

Vor Verarbeitung des Lehmmörtels durch die Firma Andreas Peukert aus Soest, die sich auf Holz- und Bautenschutz sowie Trockenbau spezialisiert hat, entfernten die Restauratoren die alten Holzwolle-Leichtbauplatten der Nachkriegssanierung sowie alte und nicht tragfähige Putzschichten. Schadstellen wurden beigearbeitet. Manche Wände mussten komplett aufgearbeitet werden. Die Deckenfelder öffneten die Handwerker in allen Anschlussbereichen. Danach begradigten sie alle Außenwände mit Lehmmörtel als Ausgleichsputz. So konnte die anschließende vollflächige Verklebung der 80 mm dicken Dämmplatten deutlich vereinfacht und somit beschleunigt werden. Diese wurden nach Austrocknung des Ausgleichsputzes im Fugenverband auf den Untergrund geklebt und zusätzlich mit vier Schraubbefestigern pro Quadratmeter im Fachwerkholz befestigt. Dazu trugen die Handwerker den Lehmmörtel mit einer 10 mm Zahntraufel auf der Plattenunterseite auf und kämmten ihn durch, damit die Platten auf dem Untergrund eingeschwommen werden können. Dabei werden die Dämmplatten press gegeneinander gestoßen. Eine Verklebung der Stoßfugen ist nicht erforderlich. Durch das vollflächige Auftragen des Lehmmörtels als Dämmplattenkleber konnte die gesamte Wand hohlraumfrei erstellt werden. „Weil man die Mineraldämmplatten in Kombination mit dem Lehmmörtel satt und vollflächig auf der Wand aufbringen kann, funktioniert eine Innendämmung auch bei den unregelmäßigen Wänden eines denkmalgeschützten Fachwerkhauses“, erklärt erläutert Raffael Wundes.

Armierungsschicht aus Lehm

Nach dem Verkleben der Mineraldämmplatten wurde Lehmmörtel mit Gewebeeinlage als Armierungsschicht aufgebracht. Die Schichtdicke betrug etwa 8 mm. Sobald die Armierung getrocknet war (Trocknungszeit etwa 1 mm pro Tag) konnte eine 5 bis 6 mm dicke Oberschicht aus Lehmmörtel aufgetragen werden. Für sämtliche Schichten verwendeten die Handwerker die gleiche Lehmmischung. Abschließend wurde der Lehmoberputz durch Abfilzen streichfertig bearbeitet. Die Endbeschichtung kann alternativ mit den Systemkomponenten Silikatinnenfarbe oder Lehmfarbe ausgeführt werden. Bei letzterer erfolgt die Verarbeitung mit Rolle, Quast oder Pinsel. Die Farbe wird in weiß angeboten, andere Farbtöne werden durch Zugabe von Farbpigmenten erreicht.

„Speziell bei Fachwerkgebäuden ist Lehmmörtel sehr gut geeignet“

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