Studentenleben im Stadtquartier in Münster

Dass ein studentisches Wohnquartier in Münster nach Plänen des Büros Kresings GmbH von der Firma Heijmans Oevermann nicht nur bezahlbar, sondern auch zügig gebaut werden konnte, liegt wesentlich an den dort verwendeten Planelementen aus Kalksandstein.

Wohnanlagen unterliegen in Innenstädten vielen
Anforderungen. Dies sind vor allem Vorgaben zur effi­zienten Nutzung des Grundstücks sowie die Einbeziehung der vorhandenen Baustrukturen und benach­barten Grundstücke. Häufig ergibt sich daraus eine symmetrische, geradlinige und funktionale Bebauung, die nicht selten an klassische Kasernen erinnert.

Neue Wohnkonzepte für Münster

Aus ebendiesem Anlass lobte die Landesregierung NRW schon 2009 einen Landeswettbewerb zur konkreten Bebauung eines Standortes in Münster aus. Es ging um das Thema „Innerstädtisches Wohnen“ mit dem Schwerpunkt „innovativer Planungsansätze für studentischen Wohnraum“. Da es sich um einen konkreten Standort mit zeitnaher Umsetzung handelte, gab es seitens der Auslober auch weiterführende Vorgaben. So waren neben den städtebaulichen Aspekten auch die des zeitgemäßen studentischen Wohnens gefragt. Durchmischt strukturierte Gebäude sollen Wohnraum für Einzelpersonen, studentische und nichtstudentische Paare, Familien und Wohngemeinschaften in einem ausgewogenen Verhältnis bereitstellen.

Auf der etwa 26 000 m2 großen Grundstücksfläche, die zahlreiche markante Höhenunterschiede aufweist, befand sich zur Zeit des Wettbewerbs noch ein nicht mehr sanierungsfähiges Stundenwohnheim, das abgerissen werden sollte. Aufgrund der städtebaulichen Situation mit direkt angrenzenden intensiv genutzten Dienstleistungsgebäuden ging man auch für den Neubau von einer dichten mehrgeschossigen Bebauung aus. Zudem sollte die neue Anlage in ihrer gesamten Struktur und Geschossigkeit zwischen dem östlich gelegenen Wohngebiet und dem westlich gelegenen Büronutzungen vermitteln.

Der aus diesem Wettbewerb mit dem 1. Preis ausgezeichnete Entwurf des Büros Kresings Architekten aus Münster wurde realisiert und Mitte 2014 offiziell eingeweiht. In der Auseinandersetzung mit den Vorgaben aus dem Wettbewerb gelang es dem Architekten Rainer Maria Kresing gemeinsam mit Stefan Fuchs, Guido Becker, André Pannenbäcker und Jan Tölle auf dem vorgegebenen Grundstück nicht nur eine weitere Wohnanlage zu planen, sondern ein eigenständiges, kleines Quartier.

Innerstädtisches Quartier mit variantenreicher Kleinteiligkeit

„Warum fühlen wir uns in mittelalterlichen Stadtstrukturen mit ihren gebogenen Straßen, bei denen man das Ende nicht sehen kann, wohl“, fragte sich Rainer Maria Kresing. „Es ist die unmittelbar sinnlich-körperliche Wirkung, ein Gefühl von Heimat im Sinne von Nestwärme.’“ Genau diese Kleinteiligkeit und Maßstäblichkeit greift sein Entwurf für die Studentenwohnanlage Boeselagerstraße in Münster auf. Trotz der immerhin 535 Bewohner auf einer Gesamtwohnfläche von rund 18 000 m2 entstand ein eigener „fließender asymmetrischer Stadtraum“, der ein fast dörfliches Geborgenheitsgefühl vermittelt, ohne erdrückend zu wirken.

Kern des Entwurfes sind vier Baublöcke mit gleicher Grundform. Sie bilden keine regelmäßigen Rechtecke, die kurzen Seiten sind unterschiedlich lang, dadurch fehlen rechte Winkel. Allein durch diese individuelle Verschiebung entsteht eine gewisse Dynamik. Aber auch die Anordnung der vier Blöcke untereinander wirkt eher wie „wahllos hingeworfene Puzzlestücke“, so Rainer Maria Kresing. Sie sind bewusst asymmetrisch angeordnet. So entstehen an manchen Stellen enge Durchgänge, an anderen Stellen offene, unvermutete Plätze. Analog zu den Städten der Gründerzeit gibt es nicht die klare Trennung zwischen öffentlichen und privaten Bereichen, sondern viele Abstufungen und dynamische Übergänge. Zudem umschließen die vier Blöcke eigene Innenhöfe, wie bei einer klassischen Quartierbebauung. Sie bilden als ruhige private Zone einen Rückzugsort, dienen zugleich aber auch den Bewohnern des Quartiers zur Gemeinschaftsbildung. Weiter unterteilen sich die vier Baukörper in je ein Haupt- und je ein Hinterhaus. Daraus ergeben sich Nischen, Winkel, Aufweitungen und Verengungen. Da die Gebäudehöhe der Haupthäuser entlang der Hauptwege variiert, entstehen optische Verbindungen zwischen den Innenhöfen und den öffentlichen Außenbereichen. Maximal viergeschossig angelegt, wirken die Blöcke durch die ständigen Wechsel in Höhe und Blicktiefe verschachtelt und kleinteilig.

Zügiger Baufortschritt mit Planelementen

Intensive Farben an den Fassaden der Blöcke unter­strei­chen die positive Grundstimmung der An-
lage. Tomatenrot, Sonnengelb, Grasgrün und Ives-Klein-Blau kombiniert mit weißen Faschen um die Fenster asso­ziieren eine südländische, entspannte Atmosphäre.

Je nach Zimmeranzahl und Nutzung variieren die Wohnflächen zwischen 25 m2 und 180m2. Neben
1-, 2- und 3-Zimmerwohnungen werden auch Gruppenwohnungen mit fünf integrierten Appartements angeboten.

Alle Häuser sind im Passivhausstandard – KfW Effizienzhaus 40/Passivhaus 40 – errichtet und bieten so neben dem Lebenskomfort auch einen hohen Wohnwert bei reduzierten Nebenkosten. Um die Anforderungen an einen wärmebrückenfreien und luftdichten Bau zu erfüllen, verwendete die mit den Rohbauarbeiten betraute Heijmans Oevermann GmbH aus Münster eine Kombination aus Unika Kalksandstein Planelementen in den Dicken 11,5 cm in RDK 1,8, 15 cm in RDK 2,0, 17,5 cm in RDK 1,8 und 20 cm in RDK 2,2 sowie Filigrandecken aus Beton. Zudem kamen für Schachtabmauerungen die Bauplatte BP 10 in RDK 1,2 zum Einsatz.

Bereits im Vorfeld der Bauarbeiten fertigten die
KS-Spezialisten von Unika entsprechende Wandverlegepläne auf der Basis des Gebäudeentwurfs an. Denn Planelemente ermöglichen eine umfassende Material- und Bau­stellenab-
laufoptimierung. Alle Kalksandsteine wurden aus dem nahegelegenen Werk Unika Kalksandstein Westfalen GmbH in Haltern am See, abgestimmt auf den Baustellen­ablauf, geliefert. Die Planelemente lassen sich schnell und einfach von Ein- oder Zwei-Mann-Teams, unterstützt durch Versetzgeräte, auf der Baustelle vermauern. Das Zusammenspiel der maßgenauen Vorkonfektionierung mit der einfachen und rationellen Versetztechnik führt zu einer spürbaren Beschleunigung des Baufortschritts. Dies war insbesondere aufgrund des sehr engen Zeitfensters für die Erstellung der Studentenwohnanlage in Münster von Vorteil. Zeitweise waren dort bis zu 12 Minikräne zum Versetzen der Planelemente im Einsatz. Zudem können dank der Wandverlegepläne mögliche Fehlerquellen bereits im Vorfeld entdeckt und beseitigt werden. Die in den Plänen enthaltenen exakten Flächenangaben ermöglichen darüber hinaus verlässliche Prognosen über die Bauzeit, wodurch der gesamte Bauablauf noch besser koor­diniert werden kann.

Energetisch und sozial zukunftsfähige Wohnanlage

In Kombination mit einem hocheffizienten WDVS und passenden Fensterrahmen samt Verglasung konnte der geforderte Wärmeschutz der Hüllfläche von U ≤ 0,15 W/m2K problemlos erfüllt werden. Gleichzeitig bietet das massive Mauerwerk aus Kalksandstein einen hervorragenden Schallschutz, der durch entsprechende Fenster und Türen unterstützt wird.

Als weitere energetische Maßnahme verfügt jeder Bau über eine geothermische Anlage mit je drei Sonden in bis zu 120 m Tiefe.

Damit erfüllt die neue Wohnanlage in Münster nicht nur optisch, sondern auch technisch modernste Standards und bietet mit einem Mietpreis von 5,40 Euro je m2 (Nettokaltmiete) attraktiven Wohnraum gemäß den Kriterien des sozialen Wohnungsbaus. Zudem ermöglicht die neue Anlage dank konsequenter Barriere­freiheit das Nebeneinander von Studenten, Familien und Älteren. Mit der vorhandenen Substanz und dem städtebaulichen Konzept ist die Wohnanlage selbst für die Zeiten ab 2020, ab denen prognostiziert die Zahl der Studierenden zurückgehen soll, ein ansprechendes Wohngebiet mit einer gesunden Infrastruktur.

Weitere Informationen finden Sie im Internet unter www.initiative-bezahlbarer-wohungsbau.de

Autor
Sven-Erik Tornow betreibt das Presse-Büro Flüstertüte in Köln und unterstütz Unika bei der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Durchmischt strukturierte Gebäude schaffen Wohnraum für Einzelpersonen, Paare, Familien und Wohngemeinschaften

Maßgenaue Vorkonfektionierung und rationelle Versetztechnik führen zur Beschleunigung des Baufortschritts

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