Die Görlitzer Synagoge als Beispiel gelungener Denkmalpflege
15.10.2025Mit der Eroberung Jerusalems und der Zerstörung des Tempels durch die Römer begann die Diaspora des Judentums, das über ganz Europa zerstreut wurde. Oft nutzten die Gläubigen als Gebetsstätten und Synagogen recht unauffällige Bauten, die sich schlicht in das umgebende Häuserbild einfügten. Erst mit dem Beginn der Emanzipation im 18. und 19. Jahrhundert wurden die Synagogen als selbstbewusste Einzelbauten sichtbarer im Stadtbild. Ein Beispiel dafür ist die ehemalige Synagoge in Görlitz, welche mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) aufwändig saniert wurde.
Das am 8. März 1911 eingeweihte Gotteshaus entstand nach Plänen der Dresdner Architekten Lossow & Kühne und ist als bedeutendes Werk des späten Jugendstils von überregionaler Bedeutung. Die monumentale Ausprägung der Baukörpergestaltung mit der harmonischen baukünstlerischen Innengestaltung gehört zu den bemerkenswerten Leistungen der Synagogenarchitektur in Europa. Der mächtige Bau dokumentiert das Selbstbewusstsein und die gesellschaftliche Anerkennung der jüdischen Gemeinde zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der voluminöse Bau wurde in Quadern errichtet - mächtige Lisenen, hohe Portale und ein Thermenfenster strukturieren die Fassade. Den hinteren Gebäudeteil überragt ein hoher quadratischer Turm mit Attika und Thermenfenstern. Der hohe turmartige Gebäudeteil bildet einen wichtigen städtebaulichen Akzent.
Die alte Synagoge in Görlitz wurde aufwändig saniert
Foto: Marie-Luise Preiss/Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Erbaut in den schweren Formen des Neoklassizismus stellt die Synagoge ein ausgezeichnetes Beispiel für die Architektur der ersten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts dar. Besondere Beachtung verdient das Bauwerk auch als einer der frühen Stahlbetonbauten Deutschlands. Der Bau ist eine Synthese der um das Jahr 1909 aktuellsten architektonischen Strömungen und Vorstellungen im liberalen deutschen Judentum zu verstehen.
Die Synagoge hat zwei Betsäle: Der große Kuppelsaal war ursprünglich für rund 550 Betende ausgelegt. Nach der 2021 beendeten Sanierung hat er noch Raum für 310 Plätze. Er wird ergänzt durch eine Wochentagsynagoge für 50 Betende. In der Reichspogromnacht wurde die Synagoge gerettet, weil die Görlitzer Feuerwehr den Befehl, nicht einzugreifen, zu spät erhielt. Sie rückte aus, um den Brand zu löschen, so dass zwar der Innenraum beschädigt wurde, die Trägerstruktur und damit der Bau jedoch erhalten blieb. Die Gemeinde wurde im Jahr darauf gezwungen, das Gebäude weit unter Preis zu verkaufen. Da nach dem Krieg in Görlitz keine jüdische Gemeinde mehr existierte, wurde das Bauwerk 1963 an die Stadt Görlitz verkauft. Die Stadt erklärte die Synagoge zwar zum Kulturdenkmal, investierte aber nicht in den Erhalt des Gebäudes. Die Synagoge verfiel. 1991 wurde sie endlich gesichert und ab 1996 nach Klärung aller Rechtsfragen wieder hergestellt.
Mit Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz konnten mehrere Sanierungsabschnitte etwa im westlichen Langhaus oder im Kuppelinnenraum abgeschlossen werden. Um den Kuppelraum und das Foyer wieder nutzen zu können, musste das Gewölbe statisch gesichert werden. Zuletzt wurden die Stuckelemente wieder an der Decke befestigt. Die Fenster wurden nach historischen Bildern rekonstruiert, noch vorhandene Türen aufgearbeitet. Schrittweise konnte mit vereinzelten Förderungen und Sachförderungen sowie dem Einsatz des Görlitzer Zentrums für Handwerk und Denkmalpflege der Innenraum instandgesetzt werden. Mit Fertigstellung der haustechnischen Anlagen lässt sich die Synagoge wieder nutzen. So kann die beeindruckende Raumgestaltung von der Öffentlichkeit erneut in aller Schönheit wahrgenommen werden.