Fabrik wird Effizienzhaus 55
Umnutzung einer Textilfarbik in Berlin

Vor über 100 Jahren wurde das Fabrikgebäude in der Gründerzeit im Kerngebiet des Berliner Bezirks Prenzlauer Berg errichtet. Nach aufwendiger Sanierung und Umnutzung markiert es als erstes e-wohnhaus Deutschlands den Umbruch in ein neues Wohnzeitalter.

Der Entwurf für die Umnutzung der ehemaligen Fabrik in Berlin Prenzlauer Berg stammt von der Planungsgesellschaft hmp hertfelder & montojo und realisiert die Vision vom vernetzten Leben des Bau-Medienprojekts „e-wohnen der zukunft“. Dazu gehören ein hohes Niveau in puncto Schall- und Brandschutz ebenso wie Ästhetik ohne Extravaganz.

Von der Textilfabrik zum Effizienzhaus 55

Nahe dem Alexanderplatz wurde eine 1910 erbaute ehemalige Textilfabrik nach dem e-wohnstandard umgebaut und als Energieeffizienzhaus 55 saniert. Das Bau-Medienprojekt „e-wohnen der zukunft“ versteht sich als ein Ansatz, Architektur-, Design und Technologiekonzepte miteinander zu verschmelzen. Ziel ist es, die komplexen Bedürfnisse urbaner Menschen an Wohnen und Arbeiten in einer multifunktionalen Wohnwelt zusammenzuführen und dabei energiebewusstes Leben zu erleichtern. In Berlin Prenzlauer Berg entstand in der ehemaligen Textilfabrik bundesweit nun das erste e-wohnhaus als Mehrfamilienhaus auf über 2500 m2 Fläche. Zudem entstand im Erdgeschoss ein Showroom des Architekten Alexis Dornier, in dem Besucher die Vision e-wohnen 2022 erleben und testen können. Vom ersten bis zum fünften Obergeschoss sind 32 barrierefreie Wohnungen mit fließenden Raumzonen entstanden. Die Innenraumgestaltung mit integrierten Wohnskulp­turen zum Sitzen und Liegen ist mit elektronischer Wohntechnologie verknüpft. Die Penthouse-Etage hingegen ist als konvexer Dachkörper in Holzbauweise neu auf das Gebäude aufgesetzt und zeigt als e-büro der Zukunft, wie eine flexible Arbeitswelt Form annimmt.

Gemeinschaftsprojekt für höchste Wohnansprüche

Das Projekt wurde gemeinsam mit Partnern aus Industrie, Handwerk und Forschung realisiert. Die frühzeitige Partnerschaft mit Knauf erwies sich als guter Weg, um die leere Gebäudehülle mit Ideen zu füllen. Ge­schwungene Wohnskulpturen erhielten die gewünschte Ästhetik und Funktion. Anforderungen an Brand- und Schallschutz wurden wirtschaftlich gelöst und erreichen ein hohes Niveau, wie eine aktuelle bau­akustische Güteprüfung belegt. Sie weist aus, dass eine Wohnungstrennwand in Knauf Systembauweise die Schallschutzstufe III nach VDI 4100 um 6 dB überschreitet. Komponenten wie das Schiebetürelement Krona Kit Futura ermöglichen den Bewohnern, ihre als offen angelegte Raumskulptur flexibel den individuellen Bedürfnissen anzupassen. Die hochdämmenden Dach- und Wandaufbauten der in Holzbauweise aufgesetzte Penthouse-Etage bieten in Verbindung mit dem Knauf Insulation Luftdicht-Dämmsystem LDS langfristig Sicherheit.

Energiebewusster e-wohnstandard im Bestand

Initiator von „e-wohnen der zukunft“ ist der Medienunternehmer Dirk Fabarius. Auslöser seiner Initiative waren eigene Erfahrungen bei seiner Wohnungssuche in Berlin, wie er erläutert: „Nirgends habe ich eine Wohntechnologie gefunden, die ich als Selbstverständlichkeit angesehen habe, wie Netzwerkanschlüsse oder zentral steuerbare Lampen. Da reifte mein Entschluss, selbst einen neuen Wohnstandard zu schaffen und diesen auf dem Markt zu etablieren.“ Seit 2005 hat Fabarius drei Projekte im Bezirk Prenzlauer Berg – allesamt Gebäude aus der Gründerzeit – in eigener Regie mit Partnern aus der Industrie realisiert. Inzwischen hat eine private Investorengruppe in der Mendelssohnstraße das komplett entkernte Fabrikgebäude in ein e-wohnhaus umgebaut. Multimedia-Verkabelung, Licht-Management, Netzwerktechnologie und Intranet ermög­lichen eine intelligente technische Vernetzung und Steuerung. Andreas Kieb, Kommunikationschef der di-Vision bau-medien-projekte von Fabarius, erklärt: „e steht für Erlebnis, für Emotionen, für Energiebewusstsein und erst dann für elektronische Wohntechnologie. Wir schaffen einen neuen Wohnstandard, der sich den Bedürfnissen des Bewohners anpasst, nicht umgekehrt!“

Die Planungsgesellschaft hmp hertfelder & montojo hat diesen Ansatz kon­sequent umgesetzt. Um die hohen Anforderungen an die Energieeffizienz des Gebäudes zu erfüllen, sind unterschiedliche bauliche, haus- wie steuerungstechnische Komponenten aufeinander abgestimmt:  angefangen von einer hoch wärmegedämmten Gebäudehülle, dem Einbau von Dreischeiben-Wärmeschutzverglasung, der konsequenten Minimierung von Wärmebrücken, der Nutzung einer dezentralen Lüftungsanlage mit bis zu 80 Prozent Wärmerückgewinnung, dem Anschluss an das Fernwärmenetz, der Einzelraumregelung für die Flächenheizung/-kühlung, der Möglichkeit eines individuellen Lichtmanagements bis hin zu einer intelligenten Wohnungsvernetzung, die das Energiemanagement insgesamt erleichtert und transparent macht. Dennoch ging es für die Architekten weniger um die technische Ausrüstung als solche, sondern vielmehr darum, diese in die Architektur der Innenräume zu integrieren und insgesamt ein Wohnkonzept umzusetzen, das eine neue Multifunktionalität entwickelt.

 

Innenraumarchitektur in Trockenbauweise

Küchen werden Lofts, Wohnzimmer verwandeln sich in Lounges, Arbeit und Wohnen gehen ineinander über, müssen sich aber auch störungsfrei voneinander trennen lassen, um die angestrebte „Work-Life-Balance“ zu wahren. Jeder Wohnungsgrundriss wird von einer dynamisch geformten Wohnskulptur markiert. Häufig setzt diese einen Mittelpunkt innerhalb einer offenen Raumfolge und inszeniert die Funktionen Kochen und Wellness. Auch das Design der Deckenebene mit unterschiedlichen Höhen und dynamischen Rundungen wirkt raumprägend. Die Integration einer indirekten und frei programmierbaren LED Beleuchtung in Lichtvouten unterstreicht das räumliche Konzept ebenso wie steuerbare Spots, die in der Deckenebene eingebaut sind. Hinzu kommen als Teil der Raumgestaltung Ablageflächen und Sitzgelegenheiten. „Der Trockenbau ist nicht nur ideal für eine dynamische Raumarchitek­tur, sondern dient uns als multifunktionale Ebene für die unterschiedlichsten technischen wie bauphysikalischen Anforderungen“, erläutert Architekt Fernando Montojo.

Brandschutz in F90-Qualität

Eine grundlegende Vorgabe für den Ausbau der ehemaligen Fabriketagen legte der Brandschutz. Die vorgefundene Stahlsteindecke, eine sogenannte Klein‘sche Decke, ist brandschutztechnisch mit Knauf Fireboard auf F90 von unten ertüchtigt worden. Die brandschutztechnische Qualität der Unterdecke, insbesondere der Beplankungsdicke, ist von der brandschutztechnischen Qualität der vorhandenen Rohdecke abhängig. Ein von Knauf nachgewiesenes Allgemeines Bauaufsichtliches Prüfzeugnis (P-3155/3992) bietet die Voraus­setzung für effiziente Lösungen. Für die brandschutztechnische Aufrüstung auf F90 werden die Spezialplatten Knauf Fireboard (Baustoffklasse A1) eingesetzt, wodurch eine wirtschaftlich zu erstellende Beplankung mit einer Lage 20 mm Fireboard wie in der Mendelssohnstraße möglich ist. Damit war die sichere Ebene für den haustechnischen Ausbau geschaffen. Auf dieser sind die Lüftungskanäle sowie Installationen verlegt.

Vorfertigung im Trockenbau

Auch die Möglichkeiten der Vorfertigung im Trockenbau sind im Berliner e-wohnhaus optimal genutzt. Ob Lichtvouten in den Decken, die dank ihrer Falttechnik den Designanspruch der Architekten ebenso wie den Anspruch der Trockenbauer an eine wirtschaftliche Montage gleichermaßen erfüllen oder vorgefertigte Rundungen für geschwungene Wandkonstruktionen. Um perfekte Radien zu erzielen verwendeten die Handwerker das Knauf Sinus-Profil, mit dem sie auch vor Ort präzise gebogene Radien für konvexe oder konkave Rundungen ausführen konnten. Für die flexible Raumnutzung montierten die Handwerker Krona Kit Schiebetüre-Elemente mit zargenloser Laibung. Diese Laibung ist aus Formteilen montiert, die wiederum aus gefalteten Gipsplatten gefertigt werden und sich mühelos einbauen lassen.

Bester Schallschutz dank Doppelständerwand

Das e-wohnhaus in Berlin soll eine Rückzugsoase für den Bewohner darstellen. Ein ruhiges Wohnumfeld ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür. Um optimale Ergebnisse im Schallschutz zu erreichen, wurde für Flur- und Wohnungstrennwände das Knauf System W115 mit Doppelständerwand gewählt. Für die Beplankung schlugen die Berater von Knauf eine Kombination von Diamant- und Piano-Platte vor, um neben der Erfüllung der Brandschutzanforderungen auch  die angestrebten optimalen Werte im Schallschutz zu erreichen. Die Wand­konstruktionen sind direkt auf dem Rohboden beziehungsweise an der Rohdecke befestigt, um die Schallnebenwege auf ein Minimum zu reduzieren. Eine aktuelle Messung durch das Berliner Akustikbüro Krämer + Stegmaier bestätigt das schalltechnische Konzept im Trockenbau. Dabei wurde exemplarisch die Luftschalldämmung gemäß DIN EN ISO 140-4 an zwei Typen von Wohnungstrenn- beziehungsweise Flurwänden gemessen.

Die Ergebnisse aus der Messung klingen außerordentlich überzeugend: Mit einem ermittelten bewerteten Schalldämm-Maß R’w von 65 dB übertrifft die Wohnungstrennwand die Mindestanforderung nach DIN 4109 um ganze12 dB. Wie enorm dieser Wert ist erschließt sich, wenn man sich vor Augen führt, dass ein um 10 dB erhöhter Schallpegel als Verdoppelung der Lautstärke empfunden wird. Selbst die erhöhten Schallschutzwerte nach VDI 4100, St III werden noch um 6 dB überschritten.

Innerhalb der einzelnen Wohnungen wie auch in der Penthouse-Etage sind die Trennwände im System W112 erstellt und mit der Diamant-Platte beplankt. Neben einem guten Schall- und Brandschutz überzeugen vor allem Oberflächenhärte und Oberflächenqualität der Hartgipsplatte, bestätigt Architekt Montojo: „Das architektonische Konzept der Multifunktionalität erfordert eine gute Materialwahl und eine qualitativ hochwertige Ausführung.“

Das in Holzbauweise errichtete Penthouse stellen wir in einer der kommenden Ausgaben der zur bauhandwerk gehörenden Zeitschrift dach+holzbau vor.

Autor

Ralf Lehmann ist Systemmanager bei der Firma Knauf in Iphofen.

Wohnskulpturen setzen einen Mittelpunkt innerhalb einer offenen Raumfolge und inszenieren die Funktionen

Baubeteiligte (Auswahl)

Bauherr e-wohnen der zukunft, Berlin 

Planung hmp hertfelder & montojo
planungsgesellschaft mbh, Berlin 

Statik Ingenieurbüro Czempin, Berlin 

Raumkonzeptplaner „e-büro der zukunft“
merTens AG, Neuss 

Raumkonzeptplaner „e-wohnen2022“ Alexis
Dornier, Berlin 

Holzbauarbeiten HANLO-Haus
Vertriebsgesellschaft mbH, Neubrandenburg 

Trockenbauarbeiten I.R. Bau GmbH, Berlin 

Technische Beratung Trockenbau Ralf Lehmann und Philip Schrape, Knauf Gips KG, Iphofen

Harry Kliebe, Knauf Insulation, Simbach am Inn 

 

Herstellerindex (Auswahl)

Trockenbausysteme Knauf Gips, Iphofen,
www.knauf.de 

Dämmung Penthous Knauf Insulation,
Simbach am Inn, www.knaufinsulation.de

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