Gefahrstoffe vor Arbeitsbeginn auf der Baustelle erkennen

Die Arbeitssicherheit fängt schon bei der Gefährdungsbeurteilung vor Aufnahme der eigentlichen Tätigkeiten an. Aber wie sollen Risiken bewertet werden, wenn Kenntnisse über potenzielle Gefahrenquellen nur unzureichend vorhanden sind? Wir informieren über rechtliche Bestimmungen und Schutzkonzepte. 

Die Staubschutztür „smart-door“ von deconta verhindert, dass Stäube beim Materialtransport in andere Arbeitsbereiche gelangen 
Foto: deconta

Die Staubschutztür „smart-door“ von deconta verhindert, dass Stäube beim Materialtransport in andere Arbeitsbereiche gelangen 
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Was ist eigentlich Arbeitssicherheit? Dieser Begriff beschreibt die gefahrenfreie Ausübung von Berufen. Dafür ist die Beseitigung oder zumindest die Minimierung von Gefährdungsquellen für den Arbeit­nehmer das Ziel des Arbeitsschutzes. Dabei geht es nicht nur um Gefährdungen durch Lärm, Wegeunfälle wie Stolpern, Ausrutschen, Umknicken, Absturz oder die Nutzung von elektrischen Geräten. Auch Baumaterialien, die in den vergangenen Jahrzehnten zum Einsatz gekommen sind, können Risiken bergen.

Sowohl das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) sowie die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) fordern daher eine Gefährdungsbeurteilung vor Aufnahme der handwerklichen Tätigkeiten zum Schutz der Arbeitnehmer. Ohne dies ist die Arbeitsaufnahme unzulässig. Zusätzlich wird mit der neuen GefStoffV zukünftig neben den Arbeitgebern des Handwerkes auch eine Mitwirkungs­pflicht des Veranlassers definiert. Somit werden Immobilieneigentümer, Bauherren, Investoren, Auftraggeber und erstmalig auch die privaten Eigentümer mit in die Verantwortung genommen.

Auch Taubenkot kann gefährlich werden

Auch die Verpflichtung seitens der ausführenden Unternehmen und Handwerker, die zur Verfügung gestellten Schadstoffuntersuchungsergebnisse auf  Plausibilität zu prüfen, wird Bestandteil der neuen Regeln sein. Dafür ist es unerlässlich zu erkennen, wo, durch welche Tätigkeiten und in welchem Maße Gefährdungen durch Gebäudeschad­stoffe für den Arbeitsnehmer, aber auch Dritte während Sanierungs-, Renovierungs-, Umbau- oder Rückbau­arbeiten entstehen könnten. Dabei ist gerade bei handwerklichen Tätigkeiten in und an Bestandsgebäuden mit Baujahr vor Oktober 1993 eine Gefahr durch mechanische Bearbeitung von Oberflächen stets möglich.

Denn im Handwerk ist oft nicht bekannt, oder man möchte es nicht wahrhaben, dass in zahlreichen Baustoffen wie Kitten, Putzen, Spachtel­massen und Fliesenklebern Asbest enthalten sein kann. Weitere Gefährdungen ergeben sich durch Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Polychlorierte Biphenyle (PCB), alte künstliche Mineralfasern, sogenannte alte KMF, Holzschutzmittel, aber auch biologische Stoffe wie Schimmel und Taubenkot.

Eine Folienabschottung von Decke und Wänden samt Absaugung schützt Handwerker vor Staub
Foto: deconta

Eine Folienabschottung von Decke und Wänden samt Absaugung schützt Handwerker vor Staub
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Dabei muss deutlich betont werden, dass es sich bei den Gefahrstoffen nicht um längst vergangene Anwendungs­bereiche aus der Bauwirtschaft und Industrie handelt. Viele gefährliche Substanzen kamen  in den 1950er bis in die 2000er Jahren zum Einsatz. Ausschlaggebend waren physikalische oder bautechnische Eigenschaften des verwendeten Materials. Es ist daher immer zu empfehlen eine erfahrene sach- und fachkundige Person vor Beginn der Arbeiten zu Rate zu ziehen, um gegebenenfalls Untersuchungen zur Ermittlung des Gefährdungspotentials durchführen zu lassen.

Wann erfahrene Fachkräfte nötig sind

Außerdem muss unbedingt bewertet werden, ob nicht ein Sanierungsfach­untern­ehmen mit entsprechend ausgebildeten und erfahrenen Fachkräften für die Entfernung von Asbest (nach TRGS 519), alter KMF (nach TRGS 521) oder anderer Gefahrstoffe (nach TRGS 524) beauftragt wird. Dabei können auch umfangreiche Verschmutzungen durch Taubenkot, Tierkadaver oder massive Schimmelpilzschäden besondere Schutz- und Hygienemaßnahmen nach sich ziehen. Diese werden in den Technischen Regeln für biologische Arbeitsstoffe (TRBA 500) beschrieben.

Auch wenn keine Gefahrstoffe nachweisbar sind, gilt als Mindest­schutz gegen Baustäube die GefStoffV Anhang I, Nr. 2.3. Insbesondere bei mineralischen Stäuben mit einem Anteil an Quarzstäuben sind nach der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS 559) Maßnahmen als Mindest­schutz durchzuführen. Diese TRGS beschreibt den Einsatz von Industriesaugern mindestens der Staubklasse M, Luft­reinigern, räumlichen Trennungen (Staubschutzwände und Staubschutztüren) und persönlichen Schutzausrüstungen (Masken mindestens FFP2).

Als erste Staubreduzierungsmaßnahme sind immer Handgeräte mit Direkt­absaugung zu verwenden. Eine Staubfreisetzung kann so am Entstehung­sort deutlich reduziert werden. Möglich wäre dies auch, indem ein Industriesauger direkt am Entstehungsort den größten Teil der Staubfreisetzung erfasst. Zusätzlich sind jedoch immer räumliche Trennungen vorzunehmen, um unvorhersehbare oder starke Staubfreisetzungen auf den Arbeitsbereich zu begrenzen.

Folientür und Staubschutztüren

Bei der gewählten räumlichen Trennung muss man immer ein Augenmerk auf die Einsatzhäufigkeit und die Einsatzdauer legen. So ist die Folientür mit Reiß­verschluss sicherlich die schnellste und günstigste Variante der räumlichen Staubabtrennung von einzelnen Räumen. Doch sind diese in der Regel nur für kurze Einsätze geeignet. Gerade bei längeren Tätigkeiten bieten sich stabilere Staubschutztüren an, die auch selbstschließende Türen und weitere Anschlussmöglichkeiten bieten. Zudem sind diese nicht wie die Folientüren als Wegwerfprodukt gedacht, sondern halten bei entsprechender Pflege über Jahre/Jahrzehnte und sind somit wesentlich ökologischer. Verschiedenste Anschlussmöglichkeiten vermeiden den Einsatz von Saugern, Kabeltrommel und Luftreinigern im Arbeitsbereich: Dies reduziert den Reinigungsaufwand nach Schichtende um ein Vielfaches. Gleichzeitig wird die Lebenszeit der Geräte erhöht.

Solche Staubschutztüren sind in der Regel auch mit einer 1-Kammer-Personenschleuse kombinierbar. Dies ermöglicht einen noch besseren Staubschutz, da zum Durchqueren dieser Schleuse zwei Türen geöffnet werden müssen. Eine seitlich angebrachte Rohrschleuse mit Endlosschlauch ermöglicht, Material aus dem Arbeitsbereich auszuschleusen, ohne den Arbeitsbereich verlassen zu müssen. Damit wird eine weitere Staubfreisetzung beim Materialtransport enorm reduziert. Ein seitlich angeschlossener Luftreiniger ermöglicht die technische Luftfiltrierung im Arbeitsbereich, denn freigesetzte Partikel schweben zum Teil über Stunden in der Umgebungsluft, bis sie sich auf Oberflächen ablegen.

Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) unterstützt Handwerksbetriebe bei  der Anschaffung von Geräten, die Staub minimieren. Dabei werden mit dem großen Förder­programm „Bauen im Bestand“ unter bestimmten Anforder­ungen beitrags­unabhängige Förderungen bis 50 Prozent und maximal 5000 Euro gewährt.

Autor

Dipl.-Ing. (FH) Florian L. Tiemann ist Technischer Berater Gebäudeschadstoffe und Feinstäube bei der deconta GmbH in Isselburg.

2. Kongress „Bauen im Bestand 2024“

Der 2. Deutsche Fachkongress „Bauen im Bestand 2024“ findet am 12. und 13. November auf dem Gelände der DASA in Dortmund statt. Die Ausstellung in der DASA zeigt Arbeitswelten von gestern, heute und morgen. Sie ist die Einrichtung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und daher passend für den Fachkongress. Ziel der Veranstaltung ist es, allen Verantwortlichen und Beteiligten – Planern, SiGeKos, Bauleitern, Bauausführenden, Handwerkern, Facility Managern, Wohnungsbaugesellschaften – Lösungen zur Staub- und Gefahrstoffvermeidung bei Umbau- und Sanierungsarbeiten aufzuzeigen. Der Fachkongress zeigt, was auf die am Bau Beteiligten einschließlich den Bauherrn mit der neuen Gefahrenstoffverordnung zukommt. Es gibt Infos zu Kontroll- und Unterweisungspflichten,  zum Stand der Technik bei staub- und asbestreduzierenden Arbeitsverfahren und Materialien sowie über technische und persönliche Schutzmaßnahmen. Voranmeldungen sind bereits möglich per Mail an: rainer.homeyer-wenner@bauverlag.de

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