Neubau der Kita St. Hippolytus in Troisdorf

Der Entwurf für die Kita St. Hippolytus in Troisdorf des Architekturbüros Atelier Brückner besticht durch reduzierte Farben, runde Ecken und schräge Decken. Dank der Baunternehmung J. Brinkmann konnte die anspruchsvolle Geometrie des Ausbaus auf der Baustelle entwurfsgetreu umgesetzt werden.

Mehrere Faktoren machten dieses Projekt sowohl in der Planung als auch in der Ausführung zu einer Herausforderung: Ein sozialer Brennpunkt in unmittelbarer Nähe, das Grundstück in Hanglage und der Lärm der benachbarten Bahntrasse für Fernverkehr machten die Gestaltung dieses Ensembles aus Kita und Gemeindezentrum besonders kniffelig. Gemeinsam mit dem Erzbistum Köln als Bauherrin ließ sich das Team um Projektleiter Jannis Renner vom Atelier Brückner nicht beirren und löste die Hindernisse beherzt mit einem reflektierten Konzept. Das Planungsteam entwickelte eine Gesamtform für die Kita, die das Maximum des Grundstücks und zugleich die Hanglage ausnutzt. Die Richtung Bahntrasse ausgerichtete, monolithisch anmutende Fassade dient als physischer Schallschutzwall, während die nach Norden ausgerichtete Seite sich vollverglast zum geschützten Innenhof orientiert. Die unter Denkmalschutz stehenden Grabsteine wurden in die Außenanlagen integriert. Was zunächst wie eine Not für die Gestaltung einer Kita erschien, konnte die Architekturplanung in eine Tugend verwandeln.

Die Fenster der nach Plänen des Atelier Brückner in Köln Troisdorf neu errichteten Kita St. Hippolytus befinden sich hinter einer Holzlamellenfassade Die Fenster der nach Plänen des Atelier Brückner in Troisdorf neu errichteten Kita St. Hippolytus befinden sich hinter einer Holzlamellenfassade
Foto: Daniel Stauch

Die Fenster der nach Plänen des Atelier Brückner in Troisdorf neu errichteten Kita St. Hippolytus befinden sich hinter einer Holzlamellenfassade
Foto: Daniel Stauch
Tagsüber wirkt der Bau mit durchgehender Holzlamellenverkleidung aus Lärche auf einem Betonsockel geschlossen, während sich zur Dämmerung hin die Fenster hinter den Lamellen als schimmernde Rechtecke abzeichnen und die Umgebung beleben. „Dank der Fassade und des Höhenversprungs können die Kinder hinausschauen, aber es kann niemand hineinschauen“, erläutert Jannis Renner das Konzept der Sichtbeziehungen. 

Raum für Bewegung

Das Entrée zur Kita bildet ein trichterförmiger Raum im Osten des Gebäudes.  Die wartenden Eltern im östlichen Eingangsbereich spüren laut Renner dank des trichterförmigen Übergangs und schräger Decke intuitiv die Schwelle, ab der der geschützte Bereich der Kita beginnt. Für einen weicheren Übergang dieser Zone leitet eine abgerundete Ecke in Trockenbaukonstruktion in eine Typologie über, der man mit der Bezeichnung Flur nicht gerecht werden würde. Auf etwa 70 m Länge erstreckt sich vielmehr eine Bewegungsachse von 2,10 m bis 1,80 m Breite, die von den Kindern gerne zum witterungsgeschützten Spielen und Toben genutzt wird. Dank ihrer längsaxialen Position trennt sie die Umkleiden und Nebenräume der Kita im Süden von den Gruppenräumen im Norden. Im Zentrum weitet sich der Raum über die gesamte Gebäudebreite für einen Gemeinschaftsbereich auf, um am westlichen Ende des Gebäudes in einem witterungsgeschützten Spielbereich zu münden.

Rund und schräg

Was nach Fertigstellung so selbstverständlich daher kommt, verlangte der ausführenden Firma im Gewerk Trockenbau Präzisionsarbeit ab: „Besonders herausfordernd war die schräge Decke im Eingangsbereich, die handwerkliches Geschick und sehr genaues Arbeiten erforderte. Die schräge Decke wurde in einem nicht rechtwinkligen Raum gebaut. Hierbei kamen verschiedene Hilfsmittel, wie zum Beispiel unterschiedliche Laser, zum Einsatz“, erläutert Maciej Wojciechowski, Projektleiter der Bauunternehmung J. Brinkmann, die für den Trockenbau, Akustikbau und den Brandschutz bei der Kita beauftragt wurde.

Die Holzlamellen der Fassade werden als gestalterisches gleichermaßen wie akustisch wirksames Element im Innenraum fortgeführt. Gleich einem räumlichem „Trichter“ öffnet sich der der keilförmige Grundriss an beiden Seiten zur verglasten Fassade hin Die Holzlamellen der Fassade werden als gestalterisches gleichermaßen wie akustisch wirksames Element im Innenraum fortgeführt. Gleich einem räumlichem „Trichter“ öffnet sich der keilförmige Grundriss an beiden Seiten zur verglasten Fassade hin
Fotos: Daniel Stauch

Die Holzlamellen der Fassade werden als gestalterisches gleichermaßen wie akustisch wirksames Element im Innenraum fortgeführt. Gleich einem räumlichem „Trichter“ öffnet sich der keilförmige Grundriss an beiden Seiten zur verglasten Fassade hin
Fotos: Daniel Stauch
Für die gebogene Ecke im Eingangsbereich kam als biegsame Spezialgipsplatte das Produkt „GK-Form“ von Saint-Gobain Rigips in einer Dicke von 6 mm Dicke zum Einsatz, um den Innenradius von etwa 80 cm zu bewerkstelligen. Bis zu 50 cm könne laut Wojciechowski dieses Produkt gebogen werden. Das Verwenden extra angefertigter und somit auch kostspieliger Formteile konnte somit vermieden werden.

Natürliches Licht

Aufenthaltsräume Richtung Norden muten insbesondere bei kleinen Kindern zunächst ungewöhnlich an. Doch die Ausrichtung hat einen großen Vorteil: angesichts der zunehmenden Hitzewellen in Europa können große, vollverglaste Fassaden für die Belichtung des Innenraumes ohne nennenswertes Risiko einer Überhitzung durch Sonneneinstrahlung verbaut werden. Für noch mehr Licht im Kern des Gebäudes dient eine geschickte Anordnung der Umkleiden in offener Bauweise mit Fensteröffnungen zum Süden. Für die Nebenräume zwischen den Umkleiden schlug Atelier Brückner ursprünglich vollverglaste Trennwände zwischen Flur und Nebenräumen vor, die Leitung der Kita jedoch wünschte sich opake Wände. Der Kompromiss wurde in Oberlichtern oberhalb der Trockenbauwände gefunden. „Wir haben uns für eine Konstruktion aus vier Stahlstützen und einem durchlaufenden Stahlträger entschieden, der mit Teleskopanschlüssen an der Wand befestigt wurde. CW- und UW-Profile konnten wir anschließend direkt an dem Stahlträger beziehungsweise den Stützen befestigen und so insgesamt eine Tragfähigkeit von 50 kg/m erzielen“, erläutert der Geschäftsführer Dipl.-Ing. Peter Brinkmann von der Bauunternehmung J. Brinkmann GmbH. Weitere bis zu 1,40 m hohen Lichtschächte mit Oberlichtern im Dach erhellen den Innenraum dank der optischen Verbindung mit den Oberlichtern der Trennwände zusätzlich.

Schallschutz

Kinder machen gerne Krach. Und sie machen gerne Mittagsschlaf. Damit beides und noch viel mehr gleichzeitig stattfinden kann, gelten besonders hohe Anforderungen an den Schallschutz und eine angenehme Raumakustik. Für die Fassadenöffnungen entlang der südlichen Flanke wurden Schallschutzverglasungen verwendet. Die Geometrie der schräg zueinanderstehenden Flurwände und Decken bricht wiederum den Schall im Innenraum.

Unter der Abhangdecke befindet sich eine zweite, sichtbare Lage aus einfach beplankten gelochten und vlieskaschierten Gipskartonplatten Unter der Abhangdecke befindet sich eine zweite, sichtbare Lage aus einfach beplankten gelochten und vlieskaschierten Gips-
kartonplatten
Foto: Behrendt und Rausch

Unter der Abhangdecke befindet sich eine zweite, sichtbare Lage aus einfach beplankten gelochten und vlieskaschierten Gips-
kartonplatten
Foto: Behrendt und Rausch
Die Holzla­mellen der Fassade werden als gestalterisches gleichermaßen wie akustisch wirksames Element im Innenraum fortgeführt. Die Bauweise als Holzständerkonstruktion im gesamten Gebäude wirkt sich im Vergleich zu einer massiven Konstruktion etwas ungünstiger auf die Schallausbreitung aus. Erschwerend kommen Werte von bis zu 59dB hinzu, die es beim Schallschutz im Innenraum zwischen Gruppennebenräumen und dem zentralen Flur einzuhalten gilt. Um diesen Umständen zu begegnen, ist die Decke in den Umkleide- und Gruppenräumen als Doppelkonstruktion ausgebildet. Unterhalb einer mit Noniusabhängern befestigten Abhangdecke aus zweifachen Gipsplatten mit jeweils 12,5 mm Dicke be­findet sich eine zweite, sichtbare Lage aus einfach beplankten gelochten und vlieskaschierten Gipskartonplatten. Dieses Akustikvlies bewirkt neben einer Verbesserung der Raumakustik ein gesünderes Raumklima dank einer speziellen Luftreinigungstechnologie.

Optische Ruhe

Die Lochung der Decke ist einerseits ein Mittel für die Optimierung der Raumakustik, ist gleichzeitig als visuelle Oberfläche auch ein Gestaltungsmittel, das hohe Präzision bei der Planung und beim Einbau erfordert.

Die ursprünglich vollverglast geplanten Trennwände zwischen Flur und Nebenräumen wurden auf Wunsch der Leitung des Kindergartens als Trockenbauwände mit Oberlichtern ausgeführt Toben im Flur, Mittagsschlaf in den Nebenräumen: Der hohe Schallschutz beim Trockenbau macht dies zeitgleich möglich
Fotos: Daniel Stauch

Toben im Flur, Mittagsschlaf in den Nebenräumen: Der hohe Schallschutz beim Trockenbau macht dies zeitgleich möglich
Fotos: Daniel Stauch
„Gerade in nicht rechtwinkeligen Räumen und bei Ausschnitten werden die Randbereiche mit Platten ohne Lochung beplankt, damit die Decke optisch ruhiger wirkt und es nicht zu ‚halben Löchern‘ in den Randbereichen kommt. Die Umsetzung ohne Fehler und Verzerrungen setzt einen vorab geplanten Deckenspiegel voraus“, erläutert Maciej Wojciechowski. Doch die Abhangdecke bewältigt nicht nur die Ansprüche an den Schallschutz. Damit die Kinder wetterunabhängig ihrem Bewegungsdrang freien Lauf lassen können, haben die Architektinnen und Architekten einen Indoor-Spielplatz mit Schaukeln am westlichen Ende der Kita gestaltet. Wer bei gutem Wetter gerne draußen schaukelt, muss bei Regen darauf nicht verzichten. Dezente Schienen, die sich bündig in der Abhangdecke befinden, können Schaukeln aufnehmen, die temporär angebracht und wieder abgehangen werden können.

Natürliche Farben

Die Farbigkeit der Baumaterialien ist bis auf das warme Buchenholz im Innenraum sehr reduziert. Der Linoleumboden ist graubeige, die Trockenbauwände allesamt weiß im Gegensatz zu vielen anderen Kindergärten, in denen mit bunten Farben nicht gespart wird.

Gemäß Renner ist der Gedanke dahinter mehr als bloße Zurückhaltung: „Wir bieten den Kindern mit dem Gebäude eine Plattform sich selbst zu entfalten und den Raum selbst zu gestalten. Nicht wir bringen die Farbe ins Gebäude, sondern die Kinder, die sich den Raum spielerisch aneignen.“ Somit verzichtete man letztlich auf vollfarbige Markierungen der Gruppenräume wie ursprünglich vom Atelier Brückner angedacht, da die Pädagogik sich eine Vermischung der Kindergruppen untereinander wünschte und eine zu starke Identität mit einem Raum oder einer Farbe hierbei kontraproduktiv wäre.

Zeit- und Kostenrahmen

Der Innenausbau konnte trotz Vorgabe einer Q3-Qualität auf 4 Monate beschränkt werden. Von den insgesamt etwa 2,5 Millionen Euro Baukosten sind rund 170 000 Euro in den Innenausbau geflossen. Die Investition hat Beachtung in der Bauwelt gefunden, denn der Bau wurde sowohl mit dem Sonderpreis für Holzbau von der 12. Rigips Trophy 2019/2020 als auch mit dem Kita-Architekturpreis NRW 2020 prämiert.

Autorin

Nathalie Brum, geb. Gozdziak, ist Architektin, Journalistin und Klangkünstlerin. 2014 schloss sie ihr Architekturstudium an der RWTH Aachen ab und arbeitet seitdem als Architektin in Köln.

Baubeteiligte (Auswahl)

 

Bauherrin und Nutzerin Katholische Kirchengemeinde St. Hippolytus

Architektur Atelier Brückner, Stuttgart,

www.atelier-brueckner.com

Statik Finck Billen Ing.-Gesellschaft, Köln,

www.ingenieurbuero-finck-billen.de

Projektmanagement Wolf R. Schlünz, Bonn,

www.wolf-schluenz-projekte.de

Bauleitung Hahn Helten Architektur, Aachen,

www.hahn-helten.de

Ausbauarbeiten Bauunternehmung J. Brinkmann, Oberhausen, www.bauunternehmung-brinkmann.de

Gipskartonplatten Saint Gobain Rigips, Düsseldorf, www.rigips.de

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