Bau eines römischen Wachhauses aus Holz und Lehm im LWL-Römermuseum Haltern am See
Ein Gefühl wie als Kind im Sandkasten. Kühl und matschig liegt der Lehm in der Hand. Mit dem richtigen Schwung aus dem Handgelenk wird er an die Fassade geworfen. Und bleibt sogar kleben! Die Museumspädagogen im LWL-Römermuseum in Haltern am See lernen, wie eine Lehmfassade entsteht. Beim Neubau des Wachhauses haben sie ideale Bedingungen. Denn das 120 m2 große Gebäude entsteht als Nachbildung in römischer Fachwerktechnik aus Holz und Lehm.
Ein Teil der vorderen Fassade ist noch nicht fertig und dient als Übungsfläche. Es fehlen noch zwei Lehmschichten. Gut zu sehen ist der der Putzträger aus Schilf, auf die der Lehm haften bleibt. 2013 stießen die Archäologen des LWL auf Spuren des römischen Wachhauses. Seit Anfang des Jahres wird es wieder aufgebaut – genau an der gleichen Stelle, wo es vor 2000 Jahren stand.
„Wir haben an einer Seite auch den Knick im Gebäude nachbauen lassen. Ein Pfosten stand schräg“, berichtet Lisa Stratmann, die stellvertretende Museumsleiterin. Das Wachhaus liegt 12 Meter südlich vom Westtor hinter dem LWL-Römermuseum. Es um-fasst eine Fläche von 119 m2 und ist fünf Meter hoch. 85,70 m2 entfallen auf das Gebäude, 33 m2 auf den Portikus. Verbaut wurden 15 m3 Eichenholz verbaut und 2,5 m3 Lärchenholz. Insgesamt kamen circa 170 m3 Holzdachschindeln zum Einsatz.
Lehm sorgt für gutes Raumklima
Die Lehmfassade wird von der Firma Tierrfino mit Sitz in Münster beliefert und von der Firma Vorwerk aus Warendorf erstellt - „Seit 4000 Jahren wird mit Lehm gebaut. Früher war er der Baustoff der armen Leute. Heute geht man wieder zurück dazu und schafft ein gutes Raumklima damit“, sagt Peter Böhm, technischer Berater von Tierrfino. Tatsächlich ist es im Inneren des Wachhauses angenehm frisch. Die Fassade ist noch nicht fertig. Eine 2 cm dicke Schicht fehlt noch, zeigt die Abmessung per Bindfaden an. „Nach jeder Schicht muss der Lehm gut trocknen. Sonst rutscht er am Ende herunter. Den Lehm liefern wir lose. Er wird wird vorort von der Firma Vorwerk mit Wasser angerührt“, so Böhm. Damit der natürliche Baustoff gut hält, wird er mit Stroh und Steinchen versetzt. Als Putzträger dient Schilf. Für die Außenwände wird noch Kalkputz als Wetterschutz eingearbeitet. Das Fachwerk entstand aus Weiden.
Die beiden Anwendungstechnikerinnen von Tierrfino, Anja Bargel-Schütte und Saskia Gerling, mischen in einem Mörtelkübel 30 l Lehm mit circa sechs l Wasser. Mit dem Collomix-Rührer entsteht eine breiige Masse, die kurz ruhen muss und dann direkt per Kelle oder Hand an die Fassade geworfen wird.
Aktion für Kinder beim internationalen Museumstag
Die Museumspädagogen stellen sich schon recht geschickt an. „Ja, er bleibt kleben“, oder „Oh nein, es rutscht alles runter“ ist zu hören. Was für die Erwachsenen ein großer Spaß ist, das soll für Kinder am Sonntag, 15. Mai 2022, ebenso ein Renner werden. Zum internationalen Museumstag heißt es von 11 bis 14 Uhr auf der Römerbaustelle „Lehmbauerinnen und Lehmbauer gesucht!" Hier können Besucher aller Altersgruppen beim Verputz des neuen römischen Wachhauses selbst Hand anlegen. Der Eintritt ist am Sonntag frei.
Die Gäste erfahren dann auch, wie das Wachhaus eingerichtet wird und welches Spiel gespielt werden kann. Ab Sommer wird das Wachhaus den ersten „Römer-Escape-Room" Deutschlands beherbergen. Wie einst die römischen Legionäre müssen die Teilnehmer versuchen, sich zu befreien und den Escape-Room zu verlassen. In nur 60 Minuten gilt es, verschiedene Rätsel und Aufgaben zu lösen.
In einer der kommenden Ausgaben des Magazins „bauhandwerk“ werden wir ausführlich über den Bau des Wachhauses, speziell auch über die Dachkonstruktion, berichten.
www.lwl-roemermuseum-haltern.de
Autorin
Michaela Podschun ist Redakteurin der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.