Der Zahltag wird vorverlegt

Auftraggeber und auch Architekten gehen häufig davon aus, dass der Werklohn für Handwerker erst

zwei Monate nach Zugang der Schlussrechnung bezahlt werden muss. Das führt – selbst bei gut aufgestellten Handwerksunternehmen – zu Liquiditätsengpässen und erhöht das Insolvenzausfallrisiko erheblich.


Richtig an der Auffassung der Auftraggeber und Architekten ist, dass dem Auftraggeber in den Fällen, in denen die VOB/B Vertragsbestandteil ist, nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B den Auftraggebern – jedenfalls in den bislang geltenden Fassungen der VOB/B – eine Zwei-Monats-Frist zur Prüfung der Schlussrechnung zustand. In der seit dem 30.7.2012 geltenden Fassung der VOB/B (2012) ist dies anders. Danach ist die Schlusszahlung spätestens 30 Tage nach Zugang der prüfbaren Schlussrechnung fällig. Lediglich in begründeten Ausnahmefällen verlängert sich die  Frist, und zwar auf höchstens 60 Tage (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B).

Übersehen wird bei der Berichterstattung über die Novellierung, dass diese Rechtslage gar nicht neu ist. Denn die Zwei-Monats-Frist galt in den häufigsten Konstellationen vorher ebenfalls nicht, wenn die VOB/B durch den Auftraggeber in den Bauvertrag einbezogen worden war. Dies hat das OLG Naumburg kürzlich nochmals klargestellt (Urteil vom 12.1.2012 – 9 U 165/11). Denn die Zwei-Monats-Frist widerspreche den gesetzlichen Fälligkeits­regelungen, so die Begründung des OLG Naumburg. Nach dem gesetzlichen Leitbild des § 286 Abs. 3 BGB werde der Werklohn mit Abnahme (§ 641 BGB) bzw. innerhalb von 30 Tagen nach Zugang der Schlussrechnung fällig. Insofern stellt diese mit der Regelung des § 16 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B verbundene Verzögerung für Bauunternehmen, die ihre Arbeit ordentlich und fristgerecht erledigt haben, eine unangemessene Benachteiligung dar.

Vor diesem Hintergrund ist die in den früheren Fassungen der VOB/B enthaltene Zwei-Monats-Frist in den Fällen, in denen die VOB/B vom Auftraggeber einbezogenen worden ist, unwirksam und demzufolge unbeachtlich. An die Stelle der unwirksamen Klausel tritt in diesen Fällen entweder die 30-Tages-Regelung des § 286 Abs. 3 BGB oder die Regelung des § 641 BGB, wonach der Werklohn mit der Abnahme fällig wird.

Nicht nur in der Berichterstattung sondern auch in der Baurechtspraxis ist diese zugunsten von Bauunternehmern und Handwerker ergangene Rechtsprechung jedoch vielfach unbeachtet geblieben, selbst von (unerfahrenen) anwaltlichen Beratern. Dabei hat diese Rechtsprechung erhebliche Auswirkungen: Hierdurch wird die Schlusszahlung früher fällig und der Verzug des Auftraggebers tritt früher ein. Vor allem aber können höhere Zinsen verlangt werden. Dass gerade hier viel „verschenkt“ wird, verdeutlicht die kürzlich erklärte Bereitschaft eines Vorsitzenden Richters am OLG Hamm, gänzlich auf sein Gehalt verzichten zu wollen, wenn er stattdessen die Zinsen bekäme, deren Geltendmachung von (schlechten) Anwälten versäumt würde.

Die klarstellende Neuregelung des § 16 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B ist vor diesem Hintergrund – insbesondere für kleinere Handwerksunternehmen – von großer Bedeutung. Sie dürfte ebenso wie die vom OLG Naumburg bestätigte Rechtsprechung zur Unwirksamkeit der früheren Zwei-Monats-Regelung dazu beitragen, dass Auftraggeber nun zügiger zahlen.

 

Autor

Dr. Andreas Koenen, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, ist Lehrbeauftragter für Baurecht und Inhaber der Kanzlei Koenen Rechtsanwälte mit Standorten in Essen, Hannover, Münster und Bielefeld.

Schlusszahlung ist spätestens 30 Tage nach Zugang der prüfbaren Schlussrechnung fällig

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