Eiskalt gesprengt

Die Trinkhalle in Baden-Baden präsentiert eine Material- und Farbvielfalt, deren denkmalschutzgerechte Aufbereitung einen besonders sensiblen Umgang mit der Bausubstanz erfordert. Im Rahmen der Restaurierungsarbeiten wurden unter anderem die Zuganker unter der Decke im Trockeneis­verfahren gereinigt und entrostet.

Nach den Plänen von Heinrich Hübsch, einem Schüler Friedrich Weinbrenners, wurde in direkter Nachbarschaft zum Baden-Badener Kurhaus im 19. Jahrhundert die Trinkhalle erbaut. Mit Sandstein, Marmor, Backstein und Terrakotta entstand ein Prachtbau, in dem die damals sehr beliebten Trinkkuren angeboten wurden. Es handelt sich um zwei Baukörper: Die rund 90 m lange Wandelhalle und den Brunnenraum mit quadratischem Grundriss. Die nach Osten offene Halle im romanischen Stil wird von 15 korinthischen Säulen getragen und zeigt 14 Wandbilder von Jakob Götzenberger. Die Fassade wird von Pilastern akzentuiert, deren unterbrechender Charakter sich auch an der Decke wiederfindet. Der flach ausgeprägte Segmentbogen in den Arkaden des vorderen Gebäudeteils setzt sich im Gewölbe des Baus fort. Zur statischen Tragfähigkeit kommen Zuganker aus Gussstahl zum Einsatz, die auch optisch ein verbindendes Element zwischen Arkade und Pilaster darstellen. Sie nehmen die Auflagerkräfte auf und tragen diese nach außen ab.

 

Denkmalgerechte Aufarbeitung der Farbvielfalt

Um dieses kulturelle Erbe zu bewahren und einen langfristigen Korrosionsschutz zu erzielen, führt die ARGE Restauratoren Thomas Wieck und Georg Schmid derzeit umfassende Restaurationsarbeiten der Raumoberflächen und der Zuganker durch. Neben der denkmalgerechten Aufbereitung der Terrakotta­elemente und der Putzflächen wird auch die Architektur­polychromie erfasst und in ihren historischen Farbigkeiten wiederhergestellt. Aufgrund der Farbvielfalt der Flächen und der unterschiedlichen verwendeten Materialien stellt diese denkmal­schutzgerechte Aufbereitung des Gebäudes eine besonders anspruchsvolle Aufgabe an alle Projektbeteiligten dar. Obwohl vor Schlagregen geschützt, hat der Zahn der Zeit auch an den gusseisernen Zugankern seine Spuren hinterlassen: Sie weisen Rost auf und sollen einen neuen Anstrich erhalten. Zuvor sollten aber die einzelnen, filigranen Elemente oberflächen­schonend gereinigt werden. Zum Entrosten und Entfernen der losen Farbschichten entschieden sich die ausführenden Restauratoren für das Trockeneisverfahren. Es greift die Gusshaut nicht an und ermöglicht zudem eine gründliche, zeitsparende und rückstandsfreie Behandlung filigraner Elemente und Formen.

 

Korrosionsschutz von gusseisernen Elementen

Der Schutz der Gusshaut als natürlicher Korrosionsinhibitor steht im Vordergrund, um einen langfristigen Werterhalt zu gewährleisten. Die meist dichten und passiven Zunderoberflächen, die während des Herstellungsprozesses entstanden sind, bilden in der Regel einen sehr engen Verbund mit der metallischen Unterlage. Sie haben elektrochemisch sehr viel Ähnlichkeit mit Rost als typischem Korrosionsprodukt, so dass die Tendenz zur ausgeprägten Korrosion stark vermindert auftritt. Sie sind zudem deutlich dichter als Rostschichten. Aus diesem Grund kommen Entschichtungsmethoden nicht in Frage, die bis zum blanken Metall alle Schichten abtragen.

 

Schonende Reinigung im Trockeneisverfahren

Da die Reinigung während der normalen Besuchszeiten bei Publikumsverkehr durchgeführt wird, arbeiten die Restauratoren in 10 m Höhe auf einem Gerüst. Zudem erfolgen die Restaurationsarbeiten in zwei Schritten, so dass nach einem Abschnitt die Gerüste umgestellt werden. Zum Einsatz kommt dabei das Trockenstrahlgerät IB 7/40 Advanced von Kärcher. Mit Druckluft und Trockeneispellets reinigt er Flächen von Fetten, Farben und Rost. Selbst bei geringen Luftdrücken kann eine Reinigung erfolgen. Die bis zu
3 mm großen Trockeneispellets werden mit Druckluft auf über 150 m in der Sekunde beschleunigt. Beim Auftreffen auf die zu reinigende Fläche wird diese stark abgekühlt. Durch die hohe Geschwindigkeit und die niedrige Temperatur von minus 79 Grad Celsius gefriert der Schmutz und bekommt Risse. Die Pellets dringen in die entstandenen Risse ein, explodieren im mikroskopischen Bereich und sprengen die Verunreinigung ab. Diese Sublimation (der direkte Übergang vom festen in den gasförmigen Zustand) trägt neben der kinetischen Energie der Pellets und der Lockerung und Versprödung der Verunreinigung entscheidend zur Reinigungswirkung bei. Die geringe Härte der Trockeneispellets entspricht etwa der von Gips und sorgt für eine minimale Abrasion. Gearbeitet wird in der Trinkhalle mit einem Trockeneisdurchsatz von 25 bis 30 gk in der Stunde und einem Druck von 10 bar. Dieser Druck und der parallele Einsatz von zwei Reinigungsgeräten gewährleisten einen schnellen Arbeitsablauf. Im ersten Abschnitt werden elf Träger gesäubert und Arbeiten am Putz durchgeführt. Dann erfolgt das Umstellen der Gerüste für den zweiten Reinigungsabschnitt. Mit rund 350 kg Trockeneis werden so am Tag vier Unterzüge von Farbe und Rost befreit. Besonders effektiv erweist sich der Einsatz von Rundstrahldüsen mit vorgeschaltetem, so genanntem Scrambler, der die Trockeneispellets auf µm-Größe zerkleinert und auch für sehr empfindliche Oberflächen geeignet ist.

Ein weiterer Vorteil des Trockeneisverfahrens ist die zeitsparende Reinigung von filigranen Elementen. Eine Reinigung mit herkömmlichen Methoden wie Drahtbürste, Schleifpapier oder Winkelschleifer ist extrem zeitaufwendig und hinterlässt zumeist Spuren. Als chemie- und rückstandsfreies Verfahren ist das Trockeneisverfahren besonders umweltfreundlich. Denn während bei anderen Partikel-Strahlverfahren zum Beispiel Glasgranulat auf der Oberfläche zurückbleibt und die einzelnen Elemente nach der Reinigung nachbearbeitet werden müssen, entfällt beim Trockeneisstrahlen dieser Arbeitsschritt. Auch dieser Faktor ermöglicht erhebliche Zeitersparnisse bei der Reinigung der filigranen, dreidimensionalen und oftmals zerklüfteten Elemente. Die eingesetzten Trockeneispellets lösen sich nach dem Strahlen vollständig in Kohlenstoffdioxid auf. Zudem lässt das Trockeneisverfahren kein Kondensat entstehen, so dass das Auftragen von Farbschichten direkt im Anschluss nach der Reinigung erfolgen kann. Die in der Trinkhalle verwendete Rostschutzfarbe, die auch im Schiffsbau eingesetzt wird, haftet somit gut auf den gereinigten Zugankern. Ferner werden an sämtlichen Anschlüssen der Zuganker die Mörtelfugen geöffnet und anschließend mit einem Kalkmörtel geschlossen, um einen umfassenden Korrosionsschutz zu erzielen.

Die Restaurierung wird im Rahmen des Kultursponsorings durch die Zurverfügungstellung der Geräte und des Trockeneises von Kärcher maßgeblich gefördert – und zudem personell mit Erfahrung und Engagement vor Ort betreut.

 

Autorin


Dipl.-Kauffrau Mareike Quassowski arbeitet als Marketingverantwortliche bei der Wilkes GmbH in Schwelm. Zudem ist sie seit Juli 2012 geschäftsführende GbR-Gesellschafterin bei der PR-Agentur Kommunikation2B in Dortmund.

Die bis zu 3 mm großen Trockeneispellets werden mit Druckluft auf über 150 m in der Sekunde beschleunigt

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