Fuge in Gips -
Ausführung rissfreier Anschlussfugen im Trockenbau

Einen Meister erkennt man an seinen Resultaten und einen guten Trockenbauer an  seinen Anschlussfugen – denn neben den bautechnischen und gestalterischen Eigenschaften sollten Anschlussfugen vor allen Dingen dauerhaft rissfrei sein. Dazu müssen sie jedoch unbedingt die zu erwartenden Spannungen aufnehmen können. Genaue Kenntnisse über die Zusammenhänge von Belastung, Verformung und Rissbildung sowie geeignete Lösungen in Planung und Ausführung

sind hier der Schlüssel zum Erfolg.

Jeder hat sie schon gesehen: die gerissenen Fugen und verzogenen Tapeten zwischen Trockenbau- und Massivbauteilen, Kehlbalkenverkleidungen und Giebelwänden oder Zimmerdecke und Kamin. Nur selten liegt der Grund dafür in einem unvorhersehbaren Versagen der Konstruktion, sondern meistens in der Wahl der falschen Anschlussart für die jeweilige Einbausituation. Eine Bauteilfuge fordert Handwerker wie auch Architekten immer wieder aufs Neue, weil die unterschiedlichen bautechnischen Anforderungen wie Feuerbeständigkeit, Luftdichtheit  oder Beweglichkeit mit den gestalterischen Wünschen unter eine Hut gebracht werden müssen. Dafür stehen fünf grundsätzlich unterschiedliche Möglichkeiten zu Verfügung, mit denen sich nahezu jede Situation meistern lässt – im Verlauf dieses Beitrags werden diese im Detail vorgestellt. Doch zunächst gilt es die Frage zu klären, wie es überhaupt zu den Spannungen in Bauteilfugen kommt, in deren Folge in der Praxis so viele Anschlüsse versagen.

 

Ursachen

 

Die Ursachen, warum es zu Spannungen in einer Bauteilfuge kommt, sind vielfältig und lassen sich oft gar nicht oder nur schlecht vermeiden. Deshalb gibt es nicht die eine ideale Fuge, sondern für jede Anschlusssituation die richtige, weil auf die individuellen baulichen Rahmenbedingungen abgestimmte Fuge. Jede Fügung muss also auf ihre Anforderungen hin beurteilt und das zukünftige Verhalten der Bauteile abgeschätzt werden. Die Spannungseinträge sind immer durch eine Bewegung der Bauteile zueinander oder eine Verformung innerhalb des Bauteils bedingt. Deshalb gilt: Je größer die zu erwartende Bewegung ist, desto weicher und gleitender muss der Anschluss gestaltet werden.

Die häufigsten Ursachen für die Bewegung von Bauteilen sind folgende:

 

Bewegungen der Tragwerkssysteme untereinander

Tragwerksteile verschieben sich gegeneinander durch Kräfte wie:

 

• Längen- oder Querschnittsänderungen von Bauteilen (quellen, dehnen oder schrumpfen)
• äußere Lasten (Wind oder Schneelast)
• Setzungen durch Eigengewicht

 

Statische Belastung nicht

tragender Bauteile

Durch die oben beschriebene Verschiebung von Tragwerksteilen oder auch durch zu starke Durchbiegungen von Decken können sich Wechselwirkungen ergeben, die das statische System kurzfristig oder dauerhaft verändern. Dadurch werden manchmal auch nicht tragende Trennwände, Verkleidungen oder andere Bauteile ungewollt belastet. Durch Gleitfugen können solche Belastungen jedoch zuverlässig verhindert werden.

 

Längenänderung

durch Feuchtigkeit

Die Feuchtigkeit  eines jeden Baustoffs verändert sich auch bei fehlerfreier Konstruktion  ständig. Bei jedem Wetterumschwung, Temperaturveränderungen bei Tag und Nacht oder auch durch Kochen, Duschen und sogar Atmen verändert sich die relative Luftfeuchtigkeit in unseren Räumen. Durch diese Feuchtigkeitsveränderung quellen und schwinden die Baustoffe. Schrumpft ein Baustoff, entsteht auf der Fuge eine Zugspannung; ist diese größer als die Zugfestigkeit des Baustoffs inklusive Verbindung, so reißt die Fuge ab. Quillt ein Baustoff auf, ergibt sich eine positive Längenveränderung, die zu Verwölbungen oder zum Schüsseln der Oberflächen führt. Solche Längenänderungen können durch Dehnungsfugen ausgeglichen werden.

Gipsbauplatten verhalten sich in Bezug auf ihre hygrischen Eigenschaften gut:  Eine der positiven Eigenschaften von Gips ist, dass er Feuchtigkeit schnell aufnehmen und auch schnell wieder abgeben kann. Dadurch puffert er Veränderungen der relativen Luftfeuchte recht zuverlässig ab und verbessert insbesondere in zentral beheizten Räumen das Raumklima.  Zugleich verändern Gipsbauplatten, ver-
glichen mit anderen Baustoffen, ihre Länge nur geringfügig. Die Gipskartonplatte ist dabei gegenüber der härteren Gipsfaserplatte leicht im Vorteil. Sie dehnt sich bei einer Temperatur von 20° C und einem Wechsel von 30 zu 85 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit um weniger als 0,5 mm/m. Eine Gipsfaserplatte hingegen „wächst“ schon mehr als 0,5 mm/m und eine Holzspanplatte gar um 3,5 mm/m.

Längenänderung durch

Temperatur

Die thermische Längenänderung ist bestimmt durch den für jeden Baustoff spezifischen Längenausdehnungskoeffizienten. Haben zwei Baustoffe einen sehr unterschiedlichen Längenausdehnungskoeffizient, so ergeben sich an ihren Fügungen immer Spannungen, die jedoch durch Gleit- oder Dehnungsfugen aufgefangen werden können. Bauteile aus identischen Baustoffe oder Baustoffe mit ähnlichem Ausdehnungskoeffizienten können einfacher – ob starr oder elastisch – miteinander verbunden werden. Tabelle 1 auf Seite 45 unten zeigt den Ausdehnungskoeffizienten verschiedener Baustoffe. Hier sieht man, dass eine Gipskartonplatte sich bei einem Temperaturunterschied von 30° C schon um 0,5 mm ausdehnt – bei 10 m also immerhin schon um 5 mm. Temperatur und Feuchtigkeitswechsel treten an schwülen Sommertagen in Kombination auf. Rechnet man deshalb noch den Feuchtigkeitswechsel wie oben beschrieben dazu, werden bei 10 m Wandlänge schnell 10 mm Längeänderung daraus – und das ist für gewöhnliche starre Anschlüsse oder die allseits beliebten Anschlüsse mit spritzbaren Dichtstoffen deutlich zu viel. In solchen Fällen ist ein gleitender Anschluss gefordert.

 

Planung der Anschlüsse

 

Da Fugen und Anschlüsse in ihrer Ausführung sehr unterschiedlich sein können, müssen sie generell geplant werden. Eine Gleitfuge beispielsweise bedingt eine andere Wandkonstruktion als ein starrer Anschluss. Daher ist eine solide Kostenermittlung sowie die Zeit- und Materialkalkulation nur möglich, wenn die Ausführung der Fuge nicht erst auf der Baustelle entschieden wird. Bei der Planung muss der Trockenbauer Folgendes grundsätzlich beachten:

 

• Gipsbaustoffe müssen von anderen, insbesondere massiven Bauteilen getrennt werden
• abgehängte Decken und Deckenbekleidungen müssen unbedingt konstruktiv von eingebundenen Stützen, Kaminen oder Einbauteilen (zum Beispiel Leuchten oder Lautsprechern) getrennt werden

• bei zu erwartenden Bewegungen der Rohbaukonstruktion (Schwinden, Quellen, Kriechen, veränderliche Verkehrslasten, kontrollierte Setzungen, erwartete Durchbiegungen) müssen unbedingt gleitende Decken- und Wandanschlüsse ausgeführt werden
• während der Bauphase und bei der ersten Benutzung muss ausreichend Zeit für Trocknungsphasen und Aufheizen eingeplant werden, um einen schockartigen Temperaturanstieg und die damit verbundene Senkung der Luftfeuchtigkeit zu vermeiden
• Bewegungsfugen des Bauwerks müssen konstruktiv mit gleicher Bewegungsmöglichkeit übernommen werden

 

Ausführung von Anschlüssen

 

Es gibt fünf konstruktiv grundsätzlich unterschiedliche Aus­führungsmöglichkeiten, die sich auf die Beweglichkeit der Fugen auswirken. Zusätzliche bautechnische Anforderungen an die Bauteile bezüglich Brand-, Schall- und Wärmeschutz müssen auch bei den Anschlüssen beachtet werden. So gilt bei Brandschutzanforderun­gen, dass die Gipsplatten an den Anschlusspunkten zu benachbarten Bauteilen mit Profilen und Steinwolle- beziehungsweise Gipsplattenstreifen hinterlegt werden müssen.

Der starre Anschluss

ohne Trennstreifen

Diese Variante ist die unbeweglichste, aber auch einfachste und schnellste Anschlussmöglichkeit. Sie ist nur für Trockenbaukonstruktionen untereinander geeignet und je nach Fugenspachtel mit oder ohne Bewehrungsstreifen möglich. Bei Gipsfaserplatten ist eine Klebefuge von Vorteil. Die tragende Holzkonstruktion oder das Metallprofil unter den Platten muss gut mit der anderen Wand verbunden sein, da der Anschluss absolut starr ist und die Fuge sonst die Befestigungsfunktion übernehmen muss, womit sie jedoch definitiv überfordert ist.

 

Der starre Anschluss

mit Trennstreifen

Wird nur eine geringe Verformung der Anschlussteile erwartet, wie sie beispielsweise beim Anschluss von Trockenbauwänden und Decken an Massivwände vorkommt, ist der angespachtelte Anschluss mit Trennstreifen die richtige Wahl. Dazu wird das Bauteil, das angeschlossen werden soll (beispielsweise eine Massivwand) mit einem Trennstreifen beklebt und daran angespachtelt. Trennsteifen können aus Kreppband oder PE-Folie bestehen oder zum System des Gipsplattenherstellers gehören. Dadurch wird dieser Anschluss in Maßen beweglich. Sollten sich die Bauteile gegeneinander bewegen, entsteht ein feiner kontrollierter Haarriss. Dieser Riss ist gerade und in der Regel kaum sichtbar – im Gegensatz zu einem unkontrolliert quer durch die Fuge gebrochenen Riss. Allerdings ist es immer noch ein Riss und der Anschluss damit nicht mehr luftdicht. Deshalb eignen sich Trockenbauverkleidungen im Allgemeinen auch nicht zur Herstellung einer Luftdichtigkeitsschicht. Außerdem ist diese Fuge, wie bereits gesagt, beweglich. Wird sie übertapeziert, so muss damit gerechnet werden, dass die Tapete reißt oder wenigstens Falten wirft.

Anschlussfuge

mit Dichtstoff

Plastische Dichtstoffe wie Acryl oder Silikon sind zum Verfüllen und zum elastischen Anschließen von Fugen sehr beliebt. Leider wird deren Dehnfähigkeit häufig überschätzt und die Fuge daher technisch falsch hergestellt, (siehe BAUHANDWERK 7-8/2006, Seite 38 bis 43). Deshalb ist ein Anschluss mit Acryl nur bei einer Schwindverformung  von 10 bis 15 Prozent der Fugenbreite sicher auszuführen. Das ist bei einer 1 cm breiten Fuge eine Verformung von nur 1 mm. Ist die Fuge nicht überall gleich breit, muss von der schmalsten Stelle ausgegangen werden. Dann sinkt die Dehnfähigkeit schnell unter 0,5 mm – und das ist meistens zu wenig. Auf jeden Fall muss der Trockenbauer darauf achten, dass die Fuge mit einem Trennstreifen hinterlegt ist, um eine Dreiflankenhaftung des Dichtstoffs zu verhindern – ein Aufwand, der sich in den meisten Fällen allerdings nicht lohnt.

 

Die offene Anschlussfuge …

…  ist eine Schattenfuge, in der ein eventueller Riss optisch verdeckt ist. Sie ist vor allen Dingen eine gestalterische Lösung. Von der Schattenfuge gibt es zwei Ausführungsvarianten – je nachdem, ob die Wand einfach oder doppelt beplankt ist. Bei einfacher Beplankung werden ein wandbreiter und ein schmalerer Plattenstreifen auf dem ersten Wandständer befestigt und dass ganze Paket an dem anderen Bauteil befestigt. Dazwischen wird Fugenspachtel aufgetragen, der sich beim Befestigen in der Fuge verpresst. Das Plattenmaterial, das die Wandfläche belegt, stößt dann an den breiteren Plattenstreifen an und wird wie ein normaler Plattenstoß im Feld behandelt. Entsteht ein Riss, wird er zwischen den beiden Plattenstreifen entstehen und daher gerade und nicht sichtbar sein. Anders verhält es sich bei einer zweilagigen Beplankung: da lässt man einfach die erste Lage um Schattennutbreite zurückstehen. Dabei entsteht der Riss aber zwischen dem Anschlussbauteil und der ersten Plattenlage und ist dadurch besser sichtbar. Deshalb sollte auch hier ein Trennsteifen eingelegt werden.

Eine andere Lösung ist das Herstellen einer Schattennut mit einem Blechprofil. Die Firma Protektor (www.protektor.com) stellt eine Vielzahl von Metallprofilen her, mit denen sich solche Schattennuten einfach und sauber ausführen lassen. Dabei bildet das Metallprofil die Nut, an welche die Platte angestoßen wird. Lochungen im Metallprofil garantieren einen guten Verbund zwischen Platte und Profil.

Gleitender Anschluss

Gleitende Anschlüsse werden bei erwarteten Verformungen der Anschlussbauteile von bis zu 20 mm gebraucht. Auch hier gibt es zwei konstruktive Varianten: Beide Anschlüsse basieren darauf, dass das angeschlossene Ende ohne Verbindungsmittel wie Schrauben oder Klammern gehalten wird. Die angeschlossene Wand klemmt einfach mit ihrer zweilagigen Beplankung an einem Befestigungskern aus Holz, Metallprofil oder verklebten Gipsplattenstreifen. Die Zeichnungen oben zeigen, wie auch für die zuvor beschriebenen Anschlussvarianten, die Konstruktionsdetails.  Die Variante aus Plattenstreifen-Bündeln ist aufwendig, aber erfüllt auch schwierige Anforderungen an Schall- und Brandschutz. Gleitende Anschlüsse sind besonders bei weitspannenden Decken vonnöten. Weitgespannte Betondecken im Bürobau hängen nämlich oftmals erheblich durch und drücken dann auf die leichten raumabschliessenden Trennwände darunter.

 

Fazit

 

Trockenbaukonstruktionen müssen technischen Anforderungen wie Schall-, Wärme- und Feuerschutz genügen, auf Bauteilbewegungen reagieren können und dabei auch noch gestaltend wirken. Das Herstellen von perfekten Flächen ist durch moderne, sehr maßhaltige Baustoffe und gute Verbindungsmittel in den vergangenen Jahren immer einfacher geworden. So zeigen sich heute eine gute Planung und eine sorgfältige handwerkliche Ausführung vor allem an den Ab- und Anschlüssen der Bauteile. Hier gibt vor allem der Handwerker eine dauerhafte Visitenkarte ab – eine durchdachte Konstruktion dieser Details ist daher jedem Trockenbaubetrieb und auch all jenen Unternehmen, die Trockenbauarbeiten neben ihrem Kerngewerk anbieten, schon aus Imagegründen unbedingt anzuraten.

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