Liebe Leserinnen, liebe Leser,

eine Innendämmung galt lange Zeit als bauphysikalischer Unsinn. Das lag im Wesentlichen an der stationären Betrachtung des Taupunktes: Laut Helmut Glaser „saufen“ fast alle Innendämmungen ab. Warum funktionieren sie aber in der Praxis trotzdem? Es müsste bei den zahlreich ausgeführten Innendämmungen doch einen Bauschaden nach dem anderen aufgrund durchfeuchteter Dämmungen zu beklagen geben? Glaser arbeitete mit exakt vorgegebenen Werten. Bei ihm war das Wetter im Winter von Oktober bis März an jedem Tag gleich. Aber schauen Sie mal aus dem Fenster: Es bleibt nicht einmal heute tagsüber gleich. Das Feuchtigkeitsaufkommen und die Temperatur schwanken sogar erheblich. Daher bedarf es einer instationären beziehungsweise dynamischen Betrachtung des Taupunktes zum Beispiel mit dem WUFI-Verfahren (Wärme und Feuchte instationär). Mit diesem vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP in Stuttgart entwickelten PC-Programm kann man das instationäre hygrothermische Verhalten von Bauteilen unter natürlichen Klimabedingungen realitätsnah berechnen. Umgangssprachlich ausgedrückt führt dies in der bauphysikalischen Betrachtung zu einem „Taupunktgebiet“. Das lässt einer Innendämmung beziehungsweise einem Wandaufbau einen viel größeren Spielraum, um Feuchtigkeit aufzunehmen und wieder abzugeben, ohne dass diese als schädigendes Wasser anfällt. Ganz zu Recht gibt es daher am Markt mittlerweile eine schier unüberschaubare Zahl von Innendämmungen – von der Mineralplatte bis zur Vakuumdämmung. Die Wärmeleitfähigkeitsgruppen (WLG) reichen dabei von 088 bis hin zu 007. Neben der WLG tragen der sD-Wert, die Wasserspeicherkapazität und natürlich die Verarbeitung mindestens ebenso sehr zum Erfolg einer funktionstüchtigen Innendämmung bei. Bei dem ab Seite 10 in dieser Ausgabe der bauhandwerk ausführlich beschriebenen Umbau eines Ende des 19. Jahrhunderts in Gütersloh-Isselhorst aus Feldbrandziegeln errichteten Ackerbürgerhauses führten die Handwerker eine Innendämmung mit Holzfaserplatten aus. Wie im darauffolgenden Beitrag ab Seite 16 zu sehen, verputzten sie diese mit Lehm. Dies hat einen guten Grund, denn beide Baustoffe sind nicht nur dampfdiffusionsoffen, sondern auch in der Lage, große Mengen an Feuchtigkeit aufzunehmen – besitzen also gute Werte in Bezug auf besagte Wasserspeicherkapazität. Dies bietet eine zusätzliche Sicherheit gegen Wasser im Dämmstoff. Hätte Helmut Glaser Holzfasern und Lehm gekannt und einmal aus dem Fenster geschaut, so hätte er gewusst, dass sein Diagramm nicht realitätsnah funktionieren kann.

Viel Erfolg bei der Arbeit wünscht Ihnen

Laut Helmut Glaser „saufen“ fast alle Innendämmungen ab.
Sie funktionieren in der Praxis aber trotzdem.

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