Reduzierung aufs Wesentliche

Nach 30 Jahren ohne Unterhalt fand das Haus in der mittelalterlichen Innenstadt von Kronach einen jungen Handwerker als Käufer, der es vor dem Verfall bewahrte und nach ökologischen und denkmalpflegerischen Gesichtspunkten, unter Beteiligung des Landesamtes für Denkmalpflege und der Oberfrankenstiftung, sanierte.

Mitten im mittelalterlichen Kern der Altstadt von Kronach in Oberfranken, mit Blick auf die Festung Rosenberg, erscheint das rund 4,80 m breite und etwa 21 m lange Wohn- und Geschäftshaus wie ein Relikt aus alten Zeiten. Als Reihenhaus viel zu eng, mit Raumhöhen unter 2 m, die Treppen nur für geübte Bergsteiger begehbar, das Tageslicht in Gebäudemitte nur erahnbar, da die Grundstücksfläche komplett überbaut ist, erschien das Haus für eine zeitgemäße Wohnnutzung ungeeignet.

 

15 Jahre ohne Nutzung führten zu erheblichen Schäden

Über das Gebäude waren nur wenige Informationen überliefert. Es ist ein Einzeldenkmal mit der Beschreibung: Mansarddachbau, im Kern Fachwerk, 17. Jahrhundert, Fassade Ende 18. Jahrhundert. Über 15 Jahre fast ungenutzt, weil unbewohnbar, und etwa 30 Jahre ohne jeglichen Bauunterhalt, fristete das mangels Belichtung von Einheimischen als „Kerker“ bezeichnete Gebäude sein Dasein. Der unterlassene Bauunterhalt führte zu den bekannten Folgeschäden. Das Dach war undicht, die Räumlichkeiten waren, bis auf die 11 m2 große Ausstellungsfläche im Erdgeschoss unnutzbar, alle Arten von Schimmelpilzen und Algen hatten ihr Auskommen und ihr Zuhause im Gebäude gefunden.

Im Frühjahr 2010 sollte das Gebäude verkauft werden. Wegen seines desolaten Zustands wollte sich erst kein neuer Eigentümer finden. Letztendlich erbarmte sich der Juniorchef des Ofenbau- und Klempnerbetriebs Höllein, aus der unmittelbaren Nachbarschaft, das Gebäude zu kaufen. Als langjähriger Mieter der 11 m2 wollte er die attraktive Ausstellungsfläche im Erdgeschoss zur Straßenseite nicht verlieren.

 

Reduzierung auf das Wesentliche

Geplant war zunächst, dem Gebäude nur eine neue Dacheindeckung zu gönnen, damit es nicht mehr hindurchregnete. Je öfter der neue Eigentümer jedoch durch das Gebäude ging, desto mehr trieben ihn die Gedanken um, den mittelalterlichen Kern des Gebäudes zu erhalten, zu sanieren und natürlich auch zu nutzen. Erste Gespräche mit dem Landesamt für Denkmalpflege stießen auf offene Ohren. Wer wagt es nur, ein solches Gebäude anzupacken, das keiner geschenkt haben will?

Für Stefan Höllein, gelernter Klempner und geübt im Restaurieren von alten Gebäuden, gab es da nur eines: „Gib dem Gebäude sein altes Ich und dann schauen wir mal.“ Die Idee, aus dem Gebäude wieder ein attraktives Wohn- und Geschäftshaus zu machen, war geboren. Dann setzte der Bauherr sogar noch eines darauf: Er bestand darauf, dass sein „Häusla“ nach der Sanierung „wohngesund“ sein soll. Alle seine Ideen sollten ihn aber keinen Mehrpreis kosten, sondern durch weglassen von Spielereien und Reduzierung auf das Wesentliche Kosten sparen.

So konnte in Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege ein Konzept entwickelt werden, das wohngesunde Gedanken in Einklang mit der Denkmalpflege und der Erhaltung wertvoller Bausubstanz bringt. Am Ende stand der Plan im Hauptgebäude nur eine einzige Leichtbauwand zu entfernen, die man dort in den siebziger Jahren errichtet hatte. Das mittelalterliche Hauptgebäude sollte auf seine Ursprungsgröße – erkennbar am Mansarddachgeschoss – zurückgebaut und die ursprünglichen Belichtungsmöglichkeiten wiederhergestellt werden.

 

Bestands- und Befunduntersuchung am Denkmal

Am Anfang der Sanierung stand wie üblich die denkmalpflegerische Befunduntersuchung. Nach der aufwendigen Entrümpelung des Gebäudes war es erst einmal die Aufgabe einer Kronacher Restauratorin, eine umfassende Befunduntersuchung anzustellen. Gleichzeitig wurde auch eine umfangreiche Salzanalyse durch die Firma Baumit durchgeführt. Unter den 5 bis 10 Jahre alten, durch die eingedrungene Feuchtigkeit jedoch stark in Mitleidenschaft gezogenen Farbschichten, befand sich ein etwa 20 bis 35 mm dicker Kalkputz, dessen Zustand an den meisten Stellen den Farbschichten in nichts nach stand. Durch die jahrelange permanente Durchfeuchtung, hervorgerufen durch das undichte Dach, Schimmelpilz- und Algenbefall auf Anstrich und Motivtapeten, war auch der Kalkputz zerstört, mürbe und weich geworden. Unter dem Kalkputz befinden sich Fachwerkwände aus Eichen- und Kiefernholz, die mit Sandbruchsteinen ausgemauert sind. Die Mörtelfugen aus grobem Kalkputz waren teilweise ein wenig mürbe, insgesamt konnte jedoch eine gute Festigkeit der Natursteinausmauerung in 13 cm Dicke festgestellt werden. Substanzschädliche Salze konnten weder im Altputz, noch im Natursteinmörtel gefunden werden.

 

Sanierung und Rückbau auf die ursprüngliche Form

Nach der Befunduntersuchung ging es frisch ans Werk. In enger Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen des Landesamts für Denkmalpflege wurde das Haus vom Dach bis zum Erdgeschoss unter größtmöglicher Erhaltung alter Bausubstanz saniert. Die nach den Weltkriegen entstandenen eingeschossigen Anbauten wurden entfernt, so dass der ehemalige Innenhof wieder entstand. Vorrangig wurde das bestehende Mansarddach neu gedeckt und gedämmt. Nachdem das Dach wieder dicht war, ging es an den Rest des Gebäudes, welches jetzt auf die Größe von 4,80 x 12,50 m zurückgebaut war. Die Handwerker entfernten mürbe Putze an Innenwänden und bauten die Sanitär- und Elektroinstallationen aus.

 

Die Historie und Nutzungsgeschichte tritt zu Tage

Mit den fortschreitenden Bauarbeiten bemerkten auch die Kronacher Bürger die Sanierungstätigkeit in dem Gebäude. Ehemalige Bewohner und deren Nachfahren meldeten sich auf der Baustelle beim Bauherrn und hatten allerhand über das Gebäude zu erzählen. Anfang des 20. Jahrhunderts beherbergte das Haus noch einen Fahrrad- und Nähmaschinenladen samt Reparaturwerkstätte im Erdgeschoss. Darüber wohnte der Betreiber des Ladens mit seiner vielköpfigen Familie. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg war die Wohnungsnot in der Stadt Kronach so groß, dass der ehemalige Innenhof zu Wohnzwecken notdürftig und mit einfachsten Mitteln überbaut wurde. Damals soll das Haus einige Familien auf engstem Raum beherbergt haben. Dann tauchten auch Bilder von Privatleuten auf, die die ehemalige Straßenansicht zeigten. Nach diesen Bildern wurde die Fassade mit Fenster- und Türteilung auch wiederhergestellt.

Innendämmung mit Calciumsilikatplatten und Kalkputz

Nachdem das Gebäude von außen fertig saniert war, ging es an die Innenräume. Obwohl alle denkmalgeschützten Häuser von den Anforderungen der Energieeinsparverordnung befreit sind, legte der Bauherr größten Wert auf Wohngesundheit und Wohlfühlqualität. Daher entschied er sich, die zwei freistehenden Giebelseiten und die Außenwände innseitig mit einer Schimmelsanierplatte, einer rein mineralischen Calciumsilikatplatte, zu beplanken und darauf wie einst zweilagigen Kalkputz aufzubringen. Die Wärmeleitfähigkeit der Calciumsilikatplatten von 0,073 W/mK ist einerseits nicht besonders gering, anderseits trägt die hohlraumfreie Aufbringung der Platte in 50 mm Dicke zu einer merklichen Verbesserung des U-Werts der Außenwände bei. Zum Einsatz kam das in der Schimmelsanierung bewährte System Baumit AS Antischimmelsystem. Die Platten und der aufgebrachte Putz sind kapillaraktiv und wirken so feuchtigkeitsregulierend für die Innenräume. Die Calciumsilikatplatten werden raumseitig hohlraumfrei und vollflächig auf den tragfähigen Altputz beziehungsweise auf das Mauerwerk geklebt. Nach der Grundierung der Platten kann der neue Kalkputz aufgezogen, gefilzt oder strukturiert werden. Man kann auch eine dünne Schicht Kalkglätte in zwei Arbeitsgängen aufziehen. Unebene Wände erhalten vor dem Aufbringen der Platten einen Ausgleichskalkputz.

 

Schadstofffreie Innenraumsanierung

Die Traufseiten sollten und mussten auch nicht gedämmt werden, da diese an die Außenwände der bewohnten Nachbargebäude stoßen. Auf den Innenwänden aus Bruchsteinmauerwerk und Fachwerk wurden – je nach Räumlichkeit – verschiedene Verputztechniken verwendet. In den Bereichen, in denen das Fachwerk und die Gefache in Ordnung waren, sollten die Gefache aus Sandsteinmauerwerk sichtbar bleiben. Die mürben Fugen wurden ausgekratzt und mit Sichtfugenmörtel (Baumit FM 97) wieder fachgerecht verfugt. Die Holzbalken erfuhren eine Trockenreinigung mit der Wurzelbürste und eine wachshaltige Lasur.

Die meisten Innenwände waren jedoch nicht zu dekorativen Zwecken gebaut und auch nicht als Sichtwand geeignet. Auf diesen Wänden entschied sich der Bauherr für Kalkputz der Mörtelgruppe PI, der zweilagig auf einem Putzträger verarbeitet wurde. Auch dieser Kalkputz musste auf Wunsch des Bauherrn schadstoffarm und schadstoffgeprüft sein. Die Anforderungen in seinen Worten: „Was nicht reinkommt, muss auch nicht raus.“

Im Wissen um zukünftig geringer ausfallende Luftwechselraten, verursacht durch die neuen Fenster und das dichte Dach, sollten keinerlei luftschadstoffhaltige Materialien wie Formaldehyde oder Lösemittel eingebaut werden. Diese Anforderung konnte mit dem Baumit Kalkin Kalkputz RK 38 der Putzmörtelgruppe P I (also zementfrei) erfüllt werden. Dieser Innenputz ist neben 50 anderen Produkten des Herstellers vom ECO-Institut auf Schadstoffarmut geprüft und entspricht den Anforderungen des Sentinel-Haus Instituts. Auch bei den Wandanstrichen gab es für den Bauherrn keine Kompromisse. Für die Wände verwendeten die Handwerker die Baumit ArtLine Silicatin-Farbe – ebenfalls schadstoffgeprüft vom Eco-Institut. Auch die Inneneinrichtung wie Bodenbeläge, Möbel usw. wurden nach Schadstoffarmut ausgesucht und eingebaut.

 

Schabloniertechnik mit farbiger Lehmhaftschlämme

Um die niedrige Raumhöhe von teilweise gerade einmal 2 m optisch zu kaschieren, wurden gezielt Techniken aus dem Malerhandwerk angewandt. So führten die Handwerker in der Küche beispielsweise eine gestalterische Arbeit in Schabloniertechnik mit farbiger Lehmhaftschlämme auf dem ungestrichenen Kalkputz aus. Letztendlich ist auch damit aus einem schwer zu vermittelnden, beengten und desolaten Gebäude ein kleines Juwel geworden, das wie einst im Erdgeschoss zu Gewerbezwecken genutzt wird. Die zwei oberen Geschosse warten als Unterkünfte für Frankenwaldtouristen auf Besucher und Feriengäste.

 

Autor


Dipl.-Ing. (FH) Anton Merath ist Anwendungstechniker bei der Firma Baumit GmbH in Bad Hindelang.

Nach fast 15 Jahren ohne Nutzung hatten alle Arten von Schimmelpilzen und Algen ihr Zuhause im Gebäude gefunden

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