Wie sich baurechtlich konforme WDVS-Systeme herstellen lassen

Mit den Zulassungen für Wärmedämmverbundsysteme steht ein umfangreiches baurechtliches Instrument zur Verfügung. Doch was passiert, wenn Abweichungen davon festgestellt werden? Wir zeigen, wie man zulässige Wege beschreitet, um baurechtlich konforme Systeme zu erhalten.

Trotz einer Anwendungsgeschichte von mehr als 60 Jahren ist das WDVS in Deutschland nicht genormt. Vielmehr wird es als „nicht geregeltes Bauprodukt“ geführt. Hierfür muss ein Verwendbarkeitsnachweis erbracht werden – für ein WDVS mit bauaufsichtlicher Zulassung (abZ) mit allgemeiner Bauartgenehmigung (abG). Die in der Umgangssprache kurz als Zulassungen bezeichneten Dokumente werden nach Antrag, Prüfung und Erteilung durch das DIBt (Deutsches Institut für Bautechnik) ausgestellt.

Was genau ist ein WDVS?

Ein WDVS ist ein vollständiges System aus einzelnen Produkten (Komponenten), das durch einen Systemhersteller bauaufsichtlich zugelassen und geliefert wird. Es besteht in der Regel aus einem systemspezifischen Klebemörtel und gegebenenfalls zusätzlich systemspezifischen Befestigungsmitteln (zumeist Dübel), einem systemspezifischen Wärmedämmstoff, systemspezifischem Unterputz (Armierungsmörtel) mit systemspezifischer Bewehrung (Armierungsgewebe) sowie einem systemspezifischen Oberputz beziehungsweise einer Schlussbeschichtung. Entscheidend ist, dass jede Komponente für das System geeignet, geprüft und zugelassen sein muss.

Aufgabe des Fachunternehmers

Nach Lieferung an die Baustelle erfolgt die bauseitige Erstellung beziehungsweise Montage des Systems durch einen Fachunternehmer. Dabei müssen die Bestimmungen der abZ/abG für die Ausführung des Systems eingehalten werden. Nur so kann das WDVS seine vielfältigen Anforderungen an Brandschutz, Standsicherheit, Dauerhaftigkeit und Gebrauchstauglichkeit erfüllen. Entscheidend hierbei sind die in der abZ genannten Produkte sowie die für Planung und Ausführung beschriebenen Anforderungen.

Als Beispiel sei die Klebemörtelschichtdicke und der prozentuale Klebeflächenanteil oder aber auch die Anzahl der Dübel pro m² in Zusammenhang mit der spezifischen Dämmstoffplatte genannt. Letztlich muss für jede einzelne Komponente des WDVS die entsprechende Ausführung und Verarbeitung geplant werden.

Gefahr bei der Abnahme

Nur wenn das WDVS nach den Regelungen der Zulassung ausgeführt wird, ist es baurechtlich abgesichert. Ansonsten kann es vorkommen, dass bei der Abnahme des Systems die Leistung als mangelhaft eingestuft wird, da eine vom Auftragsinhalt abweichende Erstellung vorgenommen wurde. Neben dem Einbehalt von Forderungen durch den Auftraggeber kann gegebenenfalls sogar ein Rückbau gefordert oder angeordnet werden.

Nach der Erstellung des Systems muss die ausführende Fachfirma eine Erklärung über die Bauart WDVS erstellen. Diese Übereinstimmungsbestätigung im Sinne des § 16 a der Musterbauordnung erhält der Bauherr als Nachweis. Neben allgemeinen Angaben zum Bauvorhaben und zum ausführenden Fachunternehmen sind darin alle Details zu den im WDVS eingesetzten Komponenten aufzuführen. Es wird empfohlen, auch Lieferscheine, Etiketten und Beipackzettel aller Komponenten dieser Erklärung beizufügen.

Abweichungen von der Zulassung

Trotz bester Absichten kann es zu Abweichungen von der Zulassung kommen. Doch was wird überhaupt als Abweichung gezählt? Hier können nur einige Beispiele genannt werden. Details sind immer im jeweiligen Einzelfall zu prüfen.

Beispiel 1: In der Zulassung ist eine Dämmstoffdicke von maximal 200 mm Dicke geregelt. Durch den Wärmschutznachweis soll jedoch eine Dämmstoffdicke von 220 mm ausgeführt werden. Diese Abweichung ist nicht mehr als geringfügig eingestuft und es besteht Handlungsbedarf.

Beispiel 2: Innerhalb der Windlastberechnung wurden die Vorgaben zur Verdübelung der Dämmplatten mit 6 Dübeln / m² ermittelt. In der Ausführung wurden dann nur 4 Dübel / m² verarbeitet. Unabhängig wie es dazu gekommen ist, stellt dies auch eine Abweichung dar, wodurch das System baurechtlich nicht der Zulassung entspricht und mangelhaft eingestuft würde.

Wenn das Kind schon im Brunnen liegt

Wie ist nun das Vorgehen, wenn es trotz größter Sorgfalt zu Abweichungen von der Zulassung kommt? Generell empfiehlt es sich, alle beteiligten Akteure in den Vorgang aktiv einzubinden und Transparenz zu schaffen. Der rechtlich sicherste Weg, um das System mit seinen Abweichungen baurechtlich „gerade“ zu rücken, wird in Deutschland als „Zustimmung im Einzelfall“ (ZiE) beziehungsweise „vorhabenbezogene Bauartgenehmigung“ (vbG) bezeichnet.

Ein entsprechender Antrag kann der Bauherr bei der Obersten Bauaufsichtsbehörde des jeweiligen Bundeslandes stellen. Dabei müssen neben der Beschreibung der Abweichung auch ein Gutachten, bereits geführte Nachweise und alle vorliegenden Unterlagen zum Bauvorhaben eingereicht werden. Eventuell werden zusätzliche Versuche oder Prüfungen an dafür anerkannten Prüfinstituten erforderlich.

Die Behörde wird nach Prüfung der Unterlagen zustimmen oder aber weitergehende Versuche beziehungsweise Prüfungen anordnen. Dabei entstehen Kosten, abhängig von jeweiligen Gutachten, Prüfungen sowie dem Verwaltungsaufwand der Behörde.

Gibt es eine feste Zeitschiene?

Je früher die Abweichung festgestellt wird – idealerweise bereits in der Planungsphase – desto größer der Reaktionsspielraum. Wichtig: Auch nach Fertigstellung eines Bauvorhabens oder bei Feststellung von Abweichungen während der Bauphase kann beziehungsweise muss ein entsprechender Antrag gestellt werden.

Die zuständige Behörde beschreibt dann genau, welche Abweichung genehmigt wurde und welche gegebenenfalls weiteren Auflagen gestellt werden. Nach der Ausführung des WDVS muss der Unternehmer die genehmigte Ausführung gleichlautend zur Übereinstimmungserklärung bestätigen.

Geringfügige Abweichungen

Auch geringfügige Abweichungen von den Produkten und Regelungen der Zulassung für ein WDVS sollten mit allen Beteiligten am Bauvorhaben gemeinsam erörtert werden. In Einzelfällen ist es möglich, dass eine gutachterliche Bewertung für das Bauvorhaben ausreichend ist. Hier sollten aber vor allem der Bauherr und alle an der Planung und Ausführung beteiligten Personen zustimmen.

Vorgehensweise anhand eines Beispiels

Anhand des oben genannten Beispiels 1 wird ein möglicher Lösungsweg beschrieben. Die Dämmstoffdicke weicht vom in der Zulassung angegebenen Wert nach oben ab. Eine Anpassung der Planung hin zu einer geringeren Dämmstoffdicke ist nach Prüfung aller Beteiligten nicht möglich. Deshalb ist ein Gutachter einzuschalten, der festlegen kann, welche zusätzlichen Prüfungen durchzuführen sind, um die Standsicherheit des Systems zu gewährleisten. Möglicherweise reichen schon bereits an anderer Stelle erbrachte Nachweise aus. Im Verlauf wird der Gutachter für den Antrag bei der Bauaufsichtsbehörde eine Zusammenstellung aller Unterlagen und Forderungen erarbeiten und das Gutachten einreichen. Erteilt die Oberste Bauaufsichtsbehörde keine Zustimmung, müssen in Abstimmung mit allen Beteiligten weitere Nachweise erbracht werden. Führt auch dies nicht zum Erfolg, kann das WDVS so nicht ausgeführt werden. Sollte es bereits ausgeführt sein, ist es baurechtlich mangelhaft und es kann gegebenenfalls ein Rückbau gefordert werden.

Fazit

Mit den Zulassungen fürs WDVS steht ein umfangreiches baurechtliches Instrument zur Verfügung. Bei entsprechenden Abweichungen können mit ZiE / vbG baurechtlich zulässige Wege beschritten werden, um auch hier baurechtlich konforme Systeme zu erstellen.

Autor

Dipl.-Ing. Architekt Joachim Pöcking ist Produktmanager bei Heck Wall Systems in Marktredwitz.

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