Ökologischer Bürobau
Umbau des alten Abgeordnetenhochhauses auf dem Bonner UN Campus

Für den Umbau des alten Abgeordnetenhochhauses auf dem Bonner UN Campus wählte das Architekturbüro RKW bauökologisch einwandfreie Baustoffe wie Lehmbau- und Zellusosedämmplatten sowie die vor kurzem mit dem Umwelttechnikpreis Baden-Württemberg ausgezeichneten Maxi-tec-Profile.

Schon 2006 weihten Bundeskanzlerin Angela Merkel und UN-Generalsekretär Kofi Annan den UN Campus in Bonn ein. Teil des Campus ist das „Alte Hochhaus“ am Platz der Vereinten Nationen, an dem die Bauarbeiten zusammen mit einem Neubau als Dienstsitz des Sekretariats der Klimarahmenkonvention 2009 begannen. In einem Festakt übergab die Bundesregierung das alte Abgeordnetenhochhaus am 31.10.2012 an das UN-Klimasekretariat. Für deren Büros legte der Bauherr, das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), hohe Priorität auf die Verarbeitung nachhaltiger Baumaterialien und die konsequente Einhaltung bauökologischer Richtlinien. Dies sollte auf Wunsch der künftigen Nutzer allerdings mit einer neutralen und dezenten Gestaltung für einen zeitgemäßen Bürobetrieb geschehen. Das dürfte den Vorstellungen des renommierten Architekturbüros RKW Rhode Kellermann Wawrowsky sehr entgegen gekommen sein, die den Auftrag zur Umnutzung des 1953 errichteten Abgeordnetenhauses hatten, als Bestandteil einer umfassenden Baumaßnahme. Für das UNFCCC wurden unter anderem Büros, Konferenzräume und eine Handbibliothek auf einer Bruttogeschossfläche von insgesamt rund 22 500 m2 hergerichtet. Neubauten vervollständigen das Ensemble, weitere Bauabschnitte sind geplant.

Unter Denkmalschutz steht die äußere Erscheinungsform der ehemaligen Regierungsgebäude. Das Innere des Gebäudes konnte, anders als die Fassaden, nach den Erfordernissen der zukünftigen Nutzung gestaltet werden – auch dies eine Herausforderung angesichts der materialsparenden Bauweise in den 1950er Jahren. Bei 10 cm dicken Decken stehen die tragenden Stützen entsprechend eng. Immerhin ist das Fundament in den Bonner Rheinauen solide, im Gegensatz zu manchen Gebäuden in der Nachbarschaft, denn das Gebäude steht auf einem Bunker.

Innenausbau mit Lehmbauplatten und Zellulose

Mit Blick auf die bauökologischen Richtlinien fiel die Wahl des Architekturbüros im Zuge des Innenausbaus bei der beidseitigen Beplankung der neuen Leichtbauwände auf Lehmbauplatten von Claytec und ein Ständerwerk von Protektor. Für die gute Schalldämmung der Wände sorgt eine Zellulosedämmmatte von Homatherm. Die Auftragsvergabe ging nach Ausschreibung an Stuck & Akustik Weck GmbH aus Köln, die ihre Leistungen bei verschiedenen Großprojekten mit Lehmbaustoffen, wie dem Kölner Kolumba-Museum, unter Beweis gestellt hatten. Ausschlaggebend für die Wahl der Lehmbauplatten und Lehmspachtel waren deren herausragende bauökologische Eigenschaften, denn die Claytec Lehmbauplatte besteht aus Lehm, Schilfrohr und einer Jutekaschierung. Die Flächen werden mit Lehmfeinputz in zwei Lagen geglättet, in die erste Lage wird ein Glasseidengewebe eingearbeitet. Ein bei der Verarbeitung für die Handwerker angenehmer Effekt: Der entstehende Staub ist weit weniger hygroskopisch als etwa Gipsstaub, die Austrocknung der Haut ist gering. Ungewöhnlich war auch die Ordnung auf der Baustelle, so wie auf den Fotos der Rohbauphase zu sehen. Dafür sorgten Stuck & Akustik Weck und Geschäftsführer Thomas Haider, die in jeder Hinsicht hoch professionell und rundum organisiert arbeiteten.

High-Tech trifft auf Naturbaustoffe

Für den Lehmbau hat das Projekt auf dem Bonner Campus richtungweisenden Charakter. Die übliche Herangehensweise für die sachgerechte Verarbeitung von Lehmbauplatten, die Unterkonstruktion mit Bauhölzern, die im Idealfall von einem erfahrenen Zimmermann im Hinblick auf  Trocknungsgrad und Maßhaltigkeit ausgewählt sind, erwies sich angesichts der Summe der auszuführenden Flächen als wenig praktikabel und zu teuer. Eine Recherche des Architekturbüros führte schließlich zu der Erkenntnis, dass in Bezug auf die geforderten Energiebilanzwerte der verwendeten Baustoffe auch ein speziell entwickeltes Metallständerwerk denkbar war. Dessen Energiebilanz ist der von kammergelagertem Holz, wie es für den Zweck benötigt worden wäre, vergleichbar. Bei dem vor kurzem mit dem Umwelttechnikpreis Baden-Württemberg ausgezeichneten Profil (siehe bauhandwerk 9.2013, Seite 49), das im Vergleich zu herkömmlichen Stahlblech-Profilen eine deutlich verbesserte Ökobilanz aufwies und sich so für ein derartiges Bauvorhaben empfahl, handelt es sich um das Maxi-Tec-Profil der Firma Protektor. Bei deren Fertigung kommt eine Falttechnik zum Einsatz, die ausschließlich Schneid- und Umformvorgänge umfasst, Stanzabfälle entstehen dabei also nicht. Die Falttechnik sorgt zudem für zusätzliche Stabilität. Positiv ist bei diesen Größenordnungen zudem, dass die Profile mehr Möglichkeiten der Kabelführung bieten, als die DIN vorschreibt. Besonders im Bürobau ein nicht zu unterschätzender Aspekt.

Den Nachweis, dass Hightech-Stahlblech-Profile mit Lehmbauplatten bautechnisch harmonieren, haben die erfahrenen Stuckateure aus Köln bewiesen. „Das war eine technisch sehr anspruchsvolle Aufgabe.  Für die stabile Befestigung der Lehmbauplatten an diesen neuen Profilen mussten wir zunächst diverse Tests durchführen, bis wir eine geeignete Schraube gefunden hatten“, sagt Thomas Haider. Diese musste andere Eigenschaften haben, als Schrauben, die in der Verbindung mit Holz eingesetzt werden. Ein auf den ersten Blick unscheinbares Detail, dessen Bedeutung sich erschließt, wenn man realisiert, dass es um 18 773 Lehmbauplatten und ungefähr eine Viertelmillion Schrauben geht. Der Putzaufbau musste mit Blick auf die gewünschte Festigkeit, Ebenheit und Glätte mit 4 bis 5 mm Auftrag schließlich etwas dicker ausfallen, als die geplanten 3 mm.

Praktisch kornloser Lehmspachtel für Q3-Oberflächen

In vielen Fällen werden beim Einsatz von Lehmbauplatten weiße oder farbige Lehmoberflächen als Deckschicht verwendet – eine Ästhetik, die beim UN Campus in Bonn vom Bauherrn ausdrücklich nicht gefordert war. Stattdessen wünschte man sich dort eine Q3-Oberfläche und einen Anstrich mit weißer Silikatfarbe. Um eine entsprechende Oberfläche für den Anstrich vorzubereiten, wurde von den Claytec-Gründern Peter Breidenbach und Ulrich Röhlen zusammen mit ihren Experten ein Lehmspachtel praktisch ohne Korn entwickelt, zum abschließenden Abglätten von Lehmoberflächen oder auch anderen ausreichend glatten Untergründen für den nachfolgenden Schliff und Anstrich. Der ausschließlich aus natürlichen Stoffen wie Lehm und Ton, Talkum, Kalksteinmehl, Kreide und feinsten Pflanzenfasern bestehende Spachtel ist nicht nur problemlos schleifbar, sondern ermöglicht auch eine für Lehmbaustoffe ungewöhnlich glatte Oberfläche. Nach dem Anstrich unterscheiden sich die Wände der Büros optisch nicht mehr von den in konventioneller Trockenbauweise ausgeführten Räumen.

Autor

Dr. Michael Willhardt ist Experte für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit und betreibt das Büro für Öffentlichkeitsarbeit Willhardt & Wosnitzka in Duisburg. Er ist als freier Autor unter anderem der Zeitschrift bauhandwerk tätig.

Mit einem Lehmspachtel praktisch ohne Korn wurde im Bonner UN Campus eine Q3-Oberfläche erreicht

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