Geschützte Geschichte
Restaurierung der Fenster und Außentüren des Klosters LoccumSo originalgetreu wie möglich lautete die oberste Vorgabe bei der Sanierung des Klosters Loccum in Nieder-
sachsen: Das galt auch für die 281 Fenster und 11 Außentüren des mittelalterlichen Zisterzienserklosters, das in seiner baugeschichtlichen Bedeutung in Deutschland mit dem Kloster Maulbronn vergleichbar ist.
Über vier Jahre erstreckten sich die Arbeiten an der weitläufigen Anlage des Klosters Loccum, dessen erste Gebäude aus dem 13. Jahrhundert stammen und die bis ins 18. Jahrhundert kontinuierlich erweitert wurde. Das Kloster bietet das Bild eines mittelalterlichen Zisterzienserklosters, wie es sonst nur noch nördlich der Alpen im Kloster Maulbronn in Baden-Württemberg erhalten ist. Die ältesten Gebäude der Klosteranlage sind das so genannte „Slaphus“, die Stiftskirche, die das Zentrum des Klosters bildet, das Laienrefektorium und der Kreuzgang. Letzterer verband Schlaf-, Speise- und Kapitelsaal sowie die Stiftskirche und das Brunnenhaus im Innenhof, das im 19. Jahrhundert wegen Baufälligkeit abgerissen wurde, miteinander. Das Refektorium wurde 1599 fertiggestellt, der Konvent um 1750 erbaut. Die historischen Fenster finden sich vor allem im „Slaphus“ und im Konvent.
Erhalt der historischen Bausubstanz
„Bei allen Maßnahmen stand der Erhalt der historischen Bausubstanz im Vordergrund“, so Maik Ebert, Restaurator im Handwerk und Projektleiter bei Kramp & Kramp aus Lemgo. Die Spezialisten für Altbauten, Restaurierung und Denkmalpflege führten auch die umfangreichen Restaurierungsarbeiten an Wandvertäfelungen, Fachwerk, Holzbalkendecken und Dielenböden sowie Mauerwerksarbeiten aus.
Demontage der Fenster
Gerade bei den unterteilten Fenstern mit all ihren Sprossen und kunstvollen Beschlägen wirkte sich die Forderung nach Substanzerhalt weitreichend auf die Arbeit aus. „Wir sind wie Archäologen vorgegangen“, so Ebert. Vor der Demontage bekamen alle Bauteile eine dauerhaft sichtbare Identifikationsnummer. So war gewährleistet, dass jeder Blendrahmen und jeder Fensterflügel nach der Bearbeitung wieder an seinen ursprünglichen Platz zurückkehrte.
Restaurierung und Rekonstruktion der Fenster
Sicher verpackt kamen die Holzteile dann in die Werkstatt, um sie dort – je nach Zustand – zu restaurieren oder zu rekonstruieren. Dabei wurden Unebenheiten ausgeglichen, Harzrückstände beseitigt, schadhafte Stellen schonend entfernt und durch Holz mit der passenden Holzart und -feuchte ersetzt. „Handwerklich ist die Aufarbeitung so kleinflächiger Gebäudeteile enorm aufwendig“, so Ebert. Unterm Strich konnten so aber 126 der 281 Fenster gerettet werden. Die übrigen wurden exakt nach den historischen Vorbildern aus Kiefernholz rekonstruiert.
Oberflächenbehandlung mit Standölfarben
Keine Kompromisse gingen die Restauratoren auch bei der Oberflächenbehandlung des Holzes ein. Dort fiel die Wahl auf Standölfarben des Naturfarbenherstellers Kreidezeit, die ausschließlich aus nachwachsenden Rohstoffen wie Leinöl und Tungöl bestehen. Sie machen beim Auftrag drei Arbeitsgänge nötig: Grundierung, Zwischen- und Schlussbeschichtung. Für das originalgetreue Beige sorgen lichtechte und wetterbeständige Erd- und Mineralpigmente.
„Das große Plus dieser Standöle ist ihre Diffusionsfähigkeit“, begründet Ebert die Entscheidung für den aufwendigen Holzschutz. Die Farbschicht lässt zu, dass Feuchtigkeit von innen nach außen entweicht, statt das Holz zu versiegeln. Das wirkt Staunässe und Fäulnis entgegen. Ein weiterer Vorteil: Standölfarben blättern nicht ab, sondern verwittern nur an der Oberfläche. Die Farbe darunter bleibt intakt. Das vereinfacht auch die weitere Instandhaltung: Für neue Frische genügt es, das Holz zu reinigen und zu überstreichen – ohne Schleifen. Matt gewordene, aber ansonsten noch intakte Farbschichten können mit Kreidezeit Pflegeöl gepflegt werden. So werden Renovierungsanstriche über lange Zeit aufgeschoben.
Fazit
Das Kloster Loccum ist Sitz des ältesten Predigerseminars der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. Mit der originalgetreuen Sanierung ist es gelungen, viel von der ursprünglichen Atmosphäre zu bewahren. Abt Ralf Meister drückt es auf der Website des Klosters so aus: „Angehende Pastoren könnten heute ihre Gemeinschaft in Gebäuden verbringen, die seit Jahrhunderten spirituell getränkt worden seien.“
Doch auch Besucher von außerhalb sind von dem besonderen Flair des Klosters fasziniert. Ob Führungen, Konzerte oder Lesungen: Das Kloster ist ein beliebter Veranstaltungsort und ein gefragtes Ausflugsziel.
AutorMichael Meißner ist technischer Berater bei der Firma Kreidezeit Naturfarben in Lamspringe.