Millionenförderung für Leipziger Carbonbetonforschung

Mehr als ein ressourcenschonender Baustoff: Die HTWK Leipzig entwickelt multifunktionale, genormte Bauteile aus Carbonbeton für den Wohnungs- und Industriebau

Carbonbeton kann einen essenziellen Beitrag zum klimagerechten Bauen leisten. Denn im Gegensatz zum bislang üblicherweise verwendeten Stahlbeton spart der neue Baustoff Ressourcen wie Sand und Zement und hat eine deutlich bessere CO₂-Bilanz. Darüber hinaus bietet Carbonbeton viele Ansatzpunkte für modernes Bauen. Beispielsweise können Heizungs- und Elektroinstallationen in Wände aus Carbonbeton integriert werden. Wie solche Anwendungen in die Wirtschaft überführt werden können, erproben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) in zwei neuen Forschungsprojekten gemeinsam mit Praxispartnerinnen und -partnern. Das teilt die HTWK Leipzig mit.

Multifunktionale Muster-Bauteile sollen Industriestandard werden

Muster-Bauteile aus Carbonbeton, die mit verschiedenen Wärmesystemen verbundenen sind, will ein Bündnis aus 15 Partnerinnen und Partnern aus Sachsen und Sachsen-Anhalt im Rahmen des Projekts „Industriestandard Carbonbeton (ISC)“ erarbeiten. Unter ihnen ist auch das an die HTWK Leipzig angegliederte Forschungs- und Transferzentrum (FTZ), das seit seiner Gründung vor 25 Jahren ein wichtiges Bindeglied zwischen der Hochschule und der regionalen Wirtschaft darstelle.

Die beteiligten FTZ-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler entwickeln Elemente für integrierte Wand- und Flächenheizungen. „Damit Wärmesysteme in die Bauteile integriert werden können, müssen verschiedene Voraussetzungen gegeben sein. Die elektrische Nutzung von Carbon ist neu und weder normiert noch standardisiert. Dazu gibt es keine Erfahrungen und dies gilt es nun in unterschiedlichsten Anwendungen zu erforschen“, sagt Tilo Heimbold, Elektrotechnik-Professor an der HTWK Leipzig und wissenschaftlicher Direktor des FTZ. Außerdem analysieren die FTZ-Forschenden die Energiebilanz und Sicherheit aller im Projekt produzierten Muster-Elemente, entwickeln für die Bauteile standardisierte und automatisierte Fertigungsprozesse, testen im FTZ-eigenen EMV-Zentrum deren elektromagnetische Verträglichkeit und führen die Erkenntnisse in einem technischen Regelwerk zusammen.

Ziel des dreijährigen Forschungsprojekts sei die Entwicklung eines Industriestandards für Halbfertigbauteile aus Carbonbeton. Damit soll der Übergang zur Carbonbeton-Bauweise beschleunigt werden. Zur Umsetzung erhält das Bündnis seit Januar 2022 vom Bundesforschungsministerium rund acht Millionen Euro Fördermittel aus dem Innovations- und Strukturwandelprogramm „Rubin“. Rund 840.000 Euro entfallen auf das FTZ.

Bauteile mit integriertem Datenkommunikationsstandard AS-Interface

In einem weiteren neuen Forschungsprojekt integrieren Forscher der HTWK Leipzig Elektro- und Datentechnik auf Basis des industriellen Kommunikationsstandards AS-Interface in Carbonbeton-Bauteile. Denn Häuser aus Carbonbeton haben sehr schmale Wände, viel Platz für die zahlreichen Installationsleitungen, die sonst darin verbaut werden, bleibt nicht. Leitungen, Kabelkanäle und Schaltkästen sollten deshalb schon in der Bau- und Installationsphase reduziert werden.

„Durch AS-Interface kommunizieren zahlreiche Sensoren und Aktoren über ein und dasselbe Kabel miteinander. Selbst ihren benötigten Strom beziehen sie über dieses Kabel. Das spart Materialien und macht das System ausgesprochen robust und fehlersicher“, erklärt Projektleiter Heimbold, der seit rund 30 Jahren AS-Interface mitentwickelt. Die Technologie dei heute weltweit millionenfach im Einsatz und ermögliche automatisierte Prozesse in Flughäfen, Fabriken und Gebäuden. Heimbold: „AS-Interface wird hauptsächlich in der Industrie verwendet. In unserem Forschungsprojekt wollen wir die Vorzüge der Technologie nun auch für Wohn- und Bürogebäude nutzbar machen.“ Exemplarisch sollen deshalb Fertigteile für ein Büro-Wandelement entstehen.

Hergestellt werden diese im neuen Carbonbeton-Technikum der HTWK Leipzig. Betonbau-Professor Klaus Holschemacher erklärt: „Wir forschen seit Jahren zum neuen Baustoff Carbonbeton. In unserer neuen Versuchshalle zeigen wir die vollautomatisierte Herstellung von Carbonbeton-Bauteilen im Modellmaßstab.“

Für das Projekt „WallConnect“ stellt das Bundeswirtschaftsministerium aus dem Technologietransfer-Programm „Leichtbau“ bis Frühjahr 2024 ein Gesamtbudget von rund 1,5 Millionen Euro zur Verfügung. Ein Drittel davon entfällt auf die HTWK Leipzig. (bhw/ela)

Über die HTWK Leipzig:

Die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) vereint nach eigenen Angaben praxisorientierte Lehre und anwendungsnahe Forschung. Regionales Alleinstellungsmerkmal der Hochschule sei ihr breites ingenieurwissenschaftlich-technisches Profil. Zusammen mit den Bereichen Wirtschaft, Soziales und Kultur biete die HTWK Leipzig ein vielfältiges Lehr- und Forschungsangebot. Momentan sind rund 6500 Studierende immatrikuliert. Mit einem Drittmittelaufkommen von mehr als 15 Millionen Euro im Jahr gehöre die HTWK Leipzig zu den forschungsstarken Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Deutschland.

www.htwk-leipzig.de