Asbest emissionsarm sanieren

Die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt (NHW) hat gemeinsam mit der SES GmbH das „SES-NHW-Verfahren“ entwickelt – eine Fräs-Saug-Methode zur emissionsarmen Sanierung von asbesthaltigen Wandflächen.

Ein Jahr lang haben das größte hessische Wohnungsunternehmen und der Spezialist für Sanierungs- und Entsorgungssysteme aus Waldbrunn bei Limburg am „SES-NHW-Verfahren“ gearbeitet. Im September 2021 hat das Regierungspräsidium Kassel die emissionsarme kombinierte Fräs-Saug-Methode behördlich anerkannt. Das System kann somit bundesweit in der Modernisierung ganzer Gebäude wie auch bei Arbeiten in einzelnen Wohnungen eingesetzt werden.

Inzwischen wird es bereits intensiv von elf Unternehmen genutzt. Wie aber funktioniert es in der Praxis? Welche Vorteile bringt es in der täglichen Arbeit? Wo gibt es eventuell Verbesserungsbedarf? Antworten auf diese Fragen geben drei Unternehmen, die mit dem „SES-NHW-Verfahren“ arbeiten – darunter eines, das das System bereits bei über 100 Projekten erfolgreich eingesetzt hat. Ihre Kernaussagen und Erfahrungsberichte haben wir zusammengefasst.

Was für die Anschaffung eines Maschinenpakets für das emissionsarme Fräsverfahren spricht

Im Fokus stehen die Wirtschaftlichkeit sowie die Flexibilität in der Anwendung: Das Fräsverfahren ermöglicht es, asbesthaltige Materialien ohne aufwendige Abschottungen und Schutzmaßnahmen zu entfernen. Sanierte Bereiche können so schneller an die Auftraggeber zurückgegeben werden. Einsatzstellen auf der Baustelle sind flexibler auswählbar, der Bauablauf wird so wenig wie möglich gestört. Die befragten Unternehmen rechnen zudem in Zukunft mit weiteren Aufträgen, die ähnliche Anforderungen beinhalten. Der Erwerb des „SES-NHW-Systems“ amortisiert sich somit schneller.

Wo das emissionsarme Fräsverfahren eingesetzt werden kann

Das Fräsverfahren kann innen wie außen eingesetzt werden. Überwiegend wird es an Innenwänden und Decken in Wohnungen, Büro- und Verwaltungsgebäuden sowie Industrieanlagen angewendet. Auch beim Tausch von Fenstern und Türen und zur Vorbereitung von Elektroarbeiten kommt es zum Einsatz. Eine der Firmen nutzte es beispielsweise zur Entfernung von asbesthaltiger Wand- und Bodenfarbe in einer Heizzentrale und an Brückenteilen. Eine andere verwendete es, um den asbesthaltigen Schwarzanstrich von Betonplatten abzufräsen, die auf einer Tiefgaragendecke verbaut war. Diese galt es zuvor mit einem Bagger anzuheben und für die Bearbeitung umzudrehen. Der Bauherr sparte hierbei jedoch jede Menge Entsorgungskosten: Die Platten konnte er als einfachen Bauschutt anstatt als asbesthaltigen Abfall entsorgen. Eine der befragten Firmen plant gerade den Einsatz des Verfahrens für das Abfräsen von PAK- und asbesthaltigen Anstrichen an einem Flugzeugunterstand. Hier ist beidseitig eine ungefähr 3 m hohe, rundlich und recht steil verlaufende Betonfläche zu behandeln.

Welche Untergründe mit der Fräse bearbeitet werden können

Grundsätzlich können alle mineralischen Untergründe bearbeitet werden: Stahlbeton, Klinker, Beton, Betonbeschichtungen, Kalksandstein und Wandputze auf allen Untergründen. Hierfür stehen verschiedene Fräswalzen zur Verfügung, die sich problemlos und ohne großen Aufwand wechseln lassen. Die Faustregel: Je weicher der Untergrund, desto effektiver das Bearbeitungsvolumen. Da einfach zu handhaben, kann das System auch an schwer zugänglichen Bauteilen – zum Beispeil Ecken und Kanten von Wandbereichen – gut eingesetzt werden.

Wie Fliesenbeläge entfernt werden, bevor die Wand gefräst wird

Zum Entfernen von Wandfliesen auf asbesthaltigem Fliesenkleber werden zwei Personen benötigt. Zunächst werden die Fugen per Fliesencarver zur Entspannung der Fläche eingeschnitten, dann die Fliesen mit ­Hammer und Meißel vorsichtig von der Wand geschlagen. Parallel steht ein zweiter Fachmann mit dem Trichterabsaugsystem und der Einsackvorrichtung bereit. Fazit: Das Vorgehen ist einfach, braucht aber Zeit.

Wie in Ecken, Winkeln und an Kanten gearbeitet wird

Mit dem Fliesencarver, der zum System gehört, können Ecken eingeschnitten und Restflächen dann flach mit Hammer und Meißel abgestemmt werden – natürlich unter ständigem Einsatz von Trichtervorrichtung und Absaugwagen. Für Kanten, beispielsweise bei Stützen und Fensterlaibungen, gibt es an der Fräse eine Führungsvorrichtung, die gut an den Kanten entlanggleitet und unkontrollierte Staubfreisetzungen vermeidet.

Wo das abgetragene Fräsgut landet

Das Fräsgut wird in den systemgebundenen Vorabscheider eingesaugt und dort staubfrei in Abfallsäcke oder einen praktischen Endlossack (Longopack) abgefüllt. Das verpackte Material kann händisch aus dem Sauger entnommen werden. Der Longopack wird anschließend entsorgt – jeweils gemäß der bundesländerspezifischen Verordnungen.

Wie der Abtrag von Wandfliesen entsorgt wird

Zunächst werden die Fliesen mit Hammer und Meißel abgeschlagen. Dabei wird das schwere Material über den Absaugtrichter in den Longopack befördert und abgesackt. Leichtes Material – wie Asbeststaub sowie A- und E-Stäube – werden vom Sauger aufgenommen und über den eingesetzten Mikrofilter abgeschieden. Die Handhabung ist einfach und praktisch. Werden die geschulten Verfahrenstechniken beachtet und die Systemkomponenten richtig eingesetzt, ist das Verfahren effektiv und sicher.

Welche Vorteile das emissionsarme Fräsverfahren hat

Durch die kompakte Bauweise der einzelnen Bauteile sind die Maschinen relativ einfach zu transportieren und aufzubauen. Es stehen verschiedene Fräswalzen zur Verfügung, die sich leicht wechseln lassen. Zudem ist die Fräse handgesteuert und kann ohne Gestänge frei geführt werden, bis die asbesthaltigen Materialien restlos entfernt sind. Mit dem Maschinenpaket ist ein staubfreies Arbeiten bei geringem Energiebedarf möglich, weil es mit Lichtstrom (230 V) betrieben wird. Auch kleine Flächen, Betonprofile und schwer zugängliche Bauteile können schnell und sorgfältig bearbeitet werden. Zusätzlich spart sich ein Bauherr diverse Arbeitsschutzmaßnahmen: Es entfallen etwa der Aufbau eines Schwarzbereichs mit Mehrkammerschleusen und Freimessungen sowie daraus folgende Wartezeiten. Außerdem werden die Anwender bei richtigem Gebrauch keinerlei Gefährdung ausgesetzt. Hinzu kommt eine unkomplizierte praxisnahe Einweisung: Sie dauert etwa fünf Stunden und wird mit einem Teilnahmezertifikat bestätigt.

Welche Flächen in einer Stunde beziehungsweise an einem Tag bearbeitet werden können

Grundsätzlich sind etwa 3 bis 4 m2 pro Stunde möglich. Je nach Untergrund oder Schichtdicke des Abtrags kann das allerdings variieren. Die Spannweite der Angaben reicht hier bis maximal 40 m2 pro Tag. Für diese Leistung empfiehlt eines der befragten Unternehmen jedoch den Einsatz eines zweiten systemgebundenen Saugers, damit zwischendurch das Gerät gewechselt werden kann, um Überhitzung zu vermeiden. Die Frästiefe kann mit Hilfe eines Reglers bis zu 12 mm eingestellt werden.

Persönliche Schutzausrüstung und Transport

Die Firmen statten ihre Mitarbeiter mit Einweg-Schutzanzug, Gehörschutz, Schutzbrille, Schutzhandschuhen, Atemschutzmaske FFP3 und Sicherheitsschuhen aus. Da das System aus mehreren Bauteilen besteht und zusätzlich über Transportrollen verfügt, kann es relativ einfach von einem Einsatzort zum nächsten transportiert werden. Bei Treppen sind jedoch mindestens zwei Personen erforderlich.

Welche Erfahrungen bei der Anwendung des Systems gemacht wurden

Das „SES-NHW-System“ ist einfach zu handhaben, spart Zeit und ist multifunktional einsetzbar. Das gilt vor allem für Flächen bis zu 5 mm Dicke, bei großen und hohen Flächen wird es schwieriger. Allerdings sind die Sauger, die in Kleinbetrieben eingesetzt werden, in Bezug auf Überhitzung ein wenig anfällig, es kam auch schon einmal zu einem Motorschaden. Wenn der Hersteller eine Gewährleistung ablehnt, kann die Sache kostspielig werden. Gerade auf Betonflächen tun sich die Fräsen schwer und können dabei Schaden nehmen. Die Reparaturkosten für den Tausch gebrochener Wellen und Lager usw. sind hoch. Vor allem in der Anfangszeit fiel das Resümee bei einer der befragten Firmen deshalb nur mittelmäßig aus – auch wegen der Wartezeiten auf Ersatzteile, die zu Arbeitsausfällen und unzufriedenen Kunden aufgrund verspäteter Ausführungstermine führen. Aber nach der Anschaffung weiterer Sauger, Wechselmotoren und Fräs­maschinen wurde das Arbeiten dann deutlich effizienter.

Verbesserungsvorschläge

Die Technik muss dem Praxis-Einsatz angepasst werden. Die Entwickler haben diesen Kritikpunkt bereits aufgegriffen und statten die Wellen und Lager der Fräsen jetzt mit härterem Stahl aus. Die Sauger, so die Meinung eines befragten Unternehmens, bekommen nicht ausreichend Luft zum Kühlen, wodurch diese auch schon einmal durchgebrannt sind. Als weiterer Verbesserungsvorschlag wurde ein Gestell als Haltevorrichtung zur Unterstützung bei dauerhaftem Einsatz für große Flächen eingebracht. Der Hersteller arbeitet an Lösungen.

 

Autor


Gerald Lotz ist Gebäudeschadstoffmanager bei der Unter­nehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt (NHW) in Frankfurt am Main.

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Der Fachkongress gibt Anregungen zu Kontroll- und Unterweisungspflichten, informiert über den aktuellen Stand der Technik bei staub- und asbestreduzierenden Arbeitsverfahren, Arbeitsmitteln und Materialien ­sowie über umfassende technische und persönliche Schutzmaßnahmen.

Der Kongress findet im Landschaftspark Duisburg-Nord statt, einem ehemaligen Stahlwerk, das heute als Event- und Veranstaltungslocation genutzt wird.

Jetzt anmelden: https://bauverlag-events.de/event/fachkongress-bauen-im-bestand

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