Stampflehmbau nach Plänen von Herzog & de Meuron für Ricola in Laufen

Im schweizerischen Laufen eröffnete Ricola Ende Juni mit einer Kräuterhalle nach Plänen des Baseler Architekturbüros Herzog & de Meuron den derzeit größten Lehmbau Europas. Die Stampflehmfassade hat Martin Rauch mit seinem Betrieb Lehm Ton Erde Baukunst aus Schlins in Österreich aus Fertigteilen gebaut.

Ricola und das Architekturbüro Herzog & de Meuron arbeiten schon lange zusammen. Bereits 1987 entstand für den Schweizer Bonbonhersteller in Laufen ein Lagerhaus nach Plänen der Baseler Architekten. Mitte Juni eröffnete Ricola am gleichen Standort für rund 16 Millionen Franken nun ein Kräuterzentrum nach Plänen von Herzog & de Meuron. „Es ist kein konventionelles Fabrik- oder Lagergebäude, wie es sie unzählige entlang der Autobahn gibt“, meint Pierre de Meuron und hat damit vollkommen recht. Dies liegt zum einen am schlichten Entwurf, zum anderen am Baumaterial Stampflehm, das vor Ort gewonnen wurde. „Als Architekt hat man nicht nur das Programm als Vorlage, sondern auch den Ort, an dem das Gebäude stehen soll. Die Materialien, die für die Hülle des Kräuterzentrums gebraucht wurden, kommen aus einem Umkreis von acht bis zehn Kilometern. Das Gebäude ist aus der Kultur, dem Boden entstanden“, so Pierre de Meuron weiter.

Das Kräuterzentrum in Laufen vereint die Herstellungsprozesse bei Ricola – Trocknen, Schneiden, Mischen und Lagern – in einem über 100 m langen und rund 11 m hohen Gebäude, das damit auch der zurzeit größte Lehmbau Europas ist. Besucher können von einer Galerie aus den Produktionsprozess verfolgen. Ein Teil des Gebäudes wird mit der Abwärme aus der benachbarten Produktion über eine Betonkernaktivierung geheizt, der Rest bleibt unbeheizt. Das darf auch so sein, denn die Fassade aus 45 cm dicken frei bewitterten Stampflehmwänden dämmt mit einem U-Wert von 1,7 W/m2K zwar nicht besonders gut, reguliert das Klima im Kräuterzentrum jedoch, da Lehm besonders gut in der Lage ist, schnell Feuchtigkeit aufzunehmen und ebenso schnell an die Raumluft wieder abzugeben. Das kommt der Lagerung von Kräutern entgegen, bei der die relative Luftfeuchtigkeit zwischen 50 und 55 Prozent liegen sollte und die Temperatur nicht unter 5 °C fallen und nicht über 28 °C steigen sollte.

Ein Bau des Stampflehmexperten Martin Rauch 

Wer könnte ein solches Gebäude besser bauen, als der Stampflehmexperte Martin Rauch, der auf der Internationalen Handwerksmesse (IHM) Mitte März in München für seine besonderen gestalterischen und technischen Leistungen im Handwerk den Bayerischen Staatspreis erhielt? Die Jury begründete die Preisvergabe mit der inzwischen zwanzigjährigen Erfahrung im Stampflehmbau. Und dass der gelernte Keramiker, Bildhauer und Ofenbauer nicht nur ein gutes Händchen für die Verarbeitung von Lehm hat, sondern auch gestalterisch Hervorragendes zu leisten vermag, beweist sein von 2005 bis 2007 in Schlins (Österreich) erbautes Wohnhaus – ebenfalls ein frei bewitterter Stampflehmbau. In bauhandwerk 5.2011 haben wir seinerzeit darüber berichtet, wie die Mitarbeiter von Lehm Ton Erde es geschafft haben, den Schlagregen mit in den Lehm eingestampften Schichten aus Ziegelplatten so zu brechen, dass es an der Fassade zu einer stark verminderten Erosion kommt.

Baustelle und Stampflehmherstellung getrennt 

Für das Gebäude in Laufen hat Martin Rauch eine Schweizer Niederlassung für seine Firma gegründet, um in einer Lagerhalle im benachbarten Zwingen die Stampflehmelemente herzustellen. Das ist auch ein wesentlicher Unterschied zu seinem Wohnhaus in Schlins: In Laufen wurde die Herstellung des Stampflehms von der Baustelle getrennt, um dem zeitraubenden Trocknungsprozess des Lehms auf der Baustelle zu entgehen. Für die Montage der Stampflehmelemente standen nämlich nur die Monate zwischen April und Oktober zur Verfügung, da die Temperatur während des Versetzens der Elemente nicht unter den Gefrierpunkt fallen darf. Noch bevor in Laufen das Tragwerk in Stahlbetonbauweise entstand, begannen die Mitarbeiter von Lehm Ton Erde damit, die rund 3000 t Lehm, Mergel und Kies mit dem Radlader im nur vier Kilometer entfernten Zwingen zu mischen. So konnte die Bauzeit auf insgesamt 15 Monate begrenzt werden.

Frei bewitterte Stampflehmfassade 

Obwohl aus Lehm gebaut, verzichtete man auch bei der Kräuterhalle in Laufen sowohl auf einen weit ausladenden Dachüberstand als auch auf eine vorgestellte Fassade, die den Lehm vor der Witterung schützen könnte. Der Dachüberstand beträgt lediglich 50 cm, was im Vergleich zur Höhe des Gebäudes minimal ist. Dabei muss Stampflehm ohne Stabilisator eigentlich konstruktiv vor der Witterung geschützt werden. Daher musste Martin Rauch auch in Laufen einen anderen konstruktiven Wetterschutz erfinden, der den Bau einer frei bewitterten Halle aus Stampflehm auch in der Schweiz möglich macht. Der Clou: Alle etwa 60 cm wird eine 2,5 cm hohe Schicht Trasskalkmörtel 10 bis 15 cm tief in die 45 cm breiten Lehmschichten mit eingestampft. „Trasskalk ist der ökologische Beton der Römer. Die Trasskalkmörtelleisten stehen nach einiger Zeit zwar nur 1 bis 2 mm aus der Fassadenoberfläche erhaus, aber das reicht als Erosionsbremse aus“, sagt Thomas Honermann von Lehm Ton Erde. Die Trasskalkmörtelleisten gliedern die 11 m hohe Fassade also nicht nur mit auffälligen horizontalen Linien, sondern brechen den Schlagregen, was einen langsamen Wasserfluss an der Fassade und daher eine stark verminderte und damit kalkulierbare Erosion zur Folge hat. Außerdem nimmt der fette Anteil im Lehm gern Wasser auf, was dazu führt, dass die Poren aufquellen und die Lehmoberfläche abdichten. „Gleichzeitig wird feines Material vom Regen über der Fassade verteilt, wodurch diese immer wieder neu geschlämmt wird“, so Thomas Honermann weiter. Unter den mit einem Durchmesser von 5,50 m recht großen runden Fenstern gibt es allerdings eine Tropfnase, da es an dieser Stelle sonst doch zu Erosion an der Fassade käme. Ein weiterer Vorteil von Lehmoberflächen ist, dass diese sehr schnell wieder trocknen, wenn es aufgehört hat zu regnen und sich daher auch keine Algen oder Pilze an der Lehmfassade bilden können.

Herstellung der Stampflehmwände 

Da keine Stabilisatoren verwendet wurden, wird die Festigkeit der Stampflehmwände ausschließlich über die Verdichtung und Verzahnung des im Aushub vorhandenen Steinmaterials erreicht. Damit kommt sowohl der Ausführung der Stampflehmarbeiten als auch der Auswahl des richtigen Korndurchmessers der Zuschläge besondere Bedeutung zu. In Laufen wurde Steinmaterial mit einer Korngröße bis 30 mm Durchmesser verwendet. „Dieses gesiebte Aushubmaterial verfügt über eine ausgezeichnete Qualität in der Sieblinie, um tragende Wände zu erstellen“, sagt Martin Rauch. Er spricht aus Erfahrung und die ist es auch, die ihn die Dicke aller Wände mit 45 cm festlegen ließ. „Diese Wanddicke hat sich im Hinblick auf ihre konstruktiven, bauphysikalischen, formalen und ausführungstechnischen Eigenschaften bewährt“, so Rauch. Der Lehm wurde erdfeucht in rund 10 bis 12 cm hohen Schichten zwischen die 50 m langen Schalungen geschüttet und mit dem Pressluftstampfer auf etwa 8 cm Schichthöhe verdichtet. Da in Abständen von 336 cm vertikale Hölzer als Sollbruchstellen mit in die Wände eingestampft wurden, konnte die 50 m lange Wand danach in 4,6 t schwere Einzelelemente geteilt werden. Danach schlugen die Mitarbeiter von Lehm Ton Erde mit dem Meißelhammer in die Stirnseiten und die oberen Lagerflächen vertikale und horizontale Nuten hinein, damit sie die Wandtafeln später auf der Baustelle besser miteinander verbinden können. Das Hebevermögen der in der Halle vorhandenen Kräne bestimmte das Gewicht und damit auch die Größe der Elemente. Der Aufbau der insgesamt 670 Elemente ist so gewählt, dass die Mitte einer Wandtafel aus einer etwa 60 cm hohen Schicht Stampflehm besteht, die oben und unten von einer Trasskalkmörtelleiste abgeschlossen wird. Daran schließen sich oben und unten jeweils etwa 30 cm Stampflehm an, was notwendig ist, um nach der Montage der Wandtafel ein regelmäßiges Bild horizontaler Linien aus Trasskalkmörtelleisten an der Fassade zu erreichen.

Montage der Wandtafeln auf der Baustelle 

Mit dem LkW wurden die Wandtafeln auf die Baustelle gebracht und mit dem Kran aufeinander gesetzt. Hierbei legten die Mitarbeiter von Lehm Ton Erde jeweils zwei Bewehrungseisen in die horizontale Lagerfuge auf den Wandtafeln ein. Sowohl die Lagerfuge als auch die vertikalen Fugen in den Stirnseiten der Tafeln wurden anschließend mit Trasskalkmörtel vergossen. Holzkeile sorgen zwischen den Stampflehmelementen dafür, dass der Verschluss vollständig erfolgen kann. „Die Bewehrungseisen brauchen wir, um die Kraft aus den Windlasten über die Ankerpunkte in die Stahlbetonstützen zu leiten“, erklärt Thomas Honermann das statische Prinzip des Tragwerks. Die Druckkräfte des Stampflehms übernehmen die Mauern selbst.

Die Fugen wurden anschließend mit Lehm vermörtelt und mit einem Brett und Fäustel schlagend verdichtet und geglättet. Von innen erhielten die Stampflehmwände eine Lehmschlämme.

Ein Gebäude für ein bio-ökologisches Unternehmen 

Seid Ende Juni dieses Jahres werden in der Kräuterhalle in Laufen nun die dreizehn Kräuter für die weltweit bekannten Bonbons getrocknet, geschnitten, gemischt und gelagert. Rund 1,4 Millionen t Bergkräuter sollen dort jährlich verarbeitet werden. Besucher können dies von der Galerie aus verfolgen. Dafür, dass sowohl die Kräuter als auch die Mitarbeiter von Ricola in den unbeheizten Teilen des Gebäudes ein angenehmes Raumklima vorfinden, sorgen die frei bewitterten Außenwände aus Stampflehm. Diese passen wiederum besonders gut zu dem biologisch und ökologisch orientierten Bonbonproduzenten, denn betrachtet man die Recyclingfähigkeit und den Lebenszyklus des Materials, fällt auf, dass im Vergleich zu anderen Wandbaustoffen am wenigsten CO2 bei der Herstellung produziert wird.

Autor

Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

Im Internet finden Sie weitere Fotos vom Bau des Ricola Kräuterzentrums in Laufen. Geben Sie hierzu bitte den Webcode in die Suchleiste ein.

Baubeteiligte (Auswahl)

 

Bauherr Ricola AG, CH-Laufen 

Entwurf Herzog & de Meuron, CH-Basel 

Generalplanung und Projektleitung Kundert

Planer AG, CH-Schlieren 

Statik Schnetzer Puskas AG, CH-Basel

Generalunternehmer Priora AG, CH-Kloten

Stampflehmbau Lehm Ton Erde Baukunst GmbH, AT-Schlins 

 

Baudaten (Auswahl)

Fassadenfläche 3060 m2

Bruttorauminhalt 41 350 m3

Gesamtbaukosten etwa 13,2 Mio. Euro
(16 Mio. Franken)

Kosten je m3 etwa 386 Euro

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