Restaurierung und Umnutzung des Klosters Raitenhaslach in Burghausen für die TU München (TUM)

Mitte September wurde die Restaurierung des Klosters Raitenhaslach mit dem Bayerischen Denkmalschutzpreis in Gold ausgezeichnet. Die Stadt Burghausen und die TU München (TUM) hatten das bedeutende Kulturgut mit größter Sorgfalt ertüchtigt und zum neuen Akademiezentrum der TUM umgenutzt.

200 Jahre lang war der so genannte Prälatenstock des Zisterzienserklosters Raitenhaslach in privatem Besitz. Als die Stadt Burghausen 2003 das Gebäude ersteigerte, zeigte sich, dass kaum ein anderes spätbarockes Gebäude in Bayern so weitgehend in seinem ursprünglichen Zustand erhalten ist. Diese hervorragende Qualität des Bestandes mit seinen Fresken, Dachwerken und Gewölben war eine besondere Verpflichtung bei der Konzeption der Instandsetzung und der späteren Nutzung. Bei allen Arbeiten war es das Ziel, den überkommenen Charakter und die einmalige Bausubstanz zu bewahren. Schon früh wurde ein Nutzungskonzept entwickelt, das der Bestandsicherung Priorität gegenüber der zukünftigen Nutzung einräumt. So sind beispielsweise Räume mit besonders wertvoller Ausstattung mit auf den Bestand abgestimmten Nutzungseinschränkungen versehen, auch nimmt die Temperierung bestimmter Räume im Jahresverlauf Rücksicht auf die besonderen Anforderungen des Denkmals. Jedes einzelne Bauteil wurde vor der eigentlichen Bearbeitung umfassend aufgenommen, untersucht und dokumentiert.

Unter dem Deckenfresko des
„Steinernen Saals“ steckt eine Holzkonstruktion

Prunkstück des Klosters ist im Osten der Anlage ein zweigeschossiger „Saaltrakt“. Er nimmt über einer gewölbten Halle im Erdgeschoss den prachtvollen, ehemaligen Festsaal des Klosters, den so genannten „Steinernen Saal“ auf. Dieser ist, anders als der Name zunächst vermuten lässt, tatsächlich mit einem stuckierten und freskierten Holzgewölbe überdeckt. Da die zimmermannsmäßig außerordentlich aufwendige Spantenkonstruktion in den Dachraum hinein greift, war die Ausbildung von durchlaufenden Dachbalken nur bei den ersten Gespärren an den Giebelseiten möglich; die übrigen Gespärre besitzen nur kurze Stichbalken. Die Schubkräfte des Kehlbalkendaches werden mit Hilfe von Scherenstreben über die Kuppel umgeleitet.

Das Dachwerk wies nur lokal Schäden an den Gespärrefußpunkten auf. Auffällig war dabei besonders der Hausschwammbefall auf der Nordseite. Stellenweise griff der Schwammbefall auch auf die Spantenkonstruktion der Kuppel über.

Die in der Gewölbeschüttung des Saals unter dem bauzeitlichen Fußbodenaufbau eingebauten hölzernen Zuganker hatten die Aufgabe, den Schub aus den darunterliegenden Erdgeschossgewölben kurzzuschließen. Sie waren vollständig durch Fäulnis zerstört. Schuld war vermutlich über Jahrhunderte regelmäßig durch den groben Steinplattenbelag aus Untersberger Marmor einsickerndes Putzwasser.

Die Außenmauern des Steinernen Saales wiesen vertikale Rissbildungen in den Fensterachsen auf. Diese ließen sich aus der ursprünglichen baulichen Situation des Traktes erklären: Auf der Ostseite des Saales bestand ursprünglich ein weiterer Klosterflügel. Nach dessen Abbruch im frühen 19. Jahrhundert schloss der Saalbau ostseitig nur mit einer verhältnismäßig dünnen Mauer ab. Die hohen Doppelfenster des Saales bilden eine Art „Sollbruchstelle“ zwischen den massiveren Mauerpfeilern des Saales.

Da die Beprobung des Hausschwamms gezeigt hatte, dass dieser nicht mehr lebensfähig war,wurden die zimmermannsmäßigen Reparaturen in Absprache mit dem Holzschutzgutachter mit minimierter Rückschnittlänge durchgeführt. Als Kompensationsmaßnahme baute man Borsalzdepots ein. Das bauzeitliche Deckengemälde von Martin Heigl wurde gereinigt und behutsam restauriert, anschließend wurde die Spantenkuppel mit einer oberseitigen diffusionsoffenen Dämmung soweit gedämmt, dass zukünftig Tauwasserausfall in der Putzschale verhindert wird.

Die zerstörten Holzanker in der Geschossdecke zwischen Erdgeschoss und Saal ersetzten die Handwerker durch in die Außenmauern eingeklebte Edelstahlanker unter dem Fußbodenaufbau. Auf Ankerplatten verzichtete man aus bauphysikalischen, denkmalpflegerischen und optischen Gründen. Zur Vermeidung weiterer Risse in den Außenwänden des Saales einigte man sich nach intensiver Diskussion darauf, die freistehende dünne Ostwand des Saales zu stabilisieren. Dies erfolgte schließlich über die Zufügung eines stabilisierenden, die historische Gebäudekubatur aufnehmenden Erschließungsanbaus auf der Ostseite.

Raffiniert konstruierte zweilagige Deckenkonstruktion

Die mit zwei Balkenlagen konstruierten Geschossdecken waren aufgrund ihrer handwerklich soliden Ausführung in einem guten Zustand. Nur an einzelnen Punkten traten Fäulnisschäden an den eingemauerten Balkenköpfen auf. Für die intendierte Akademienutzung der Räume waren mit dem historischen Bestandsaufbau allerdings die zulässigen Belastungsgrenzen deutlich überschritten.

Für dieses Problem bot der ungewöhnliche „zweischalige“ Aufbau der Decken eine elegante Lösung: In den Raum zwischen oberer und unterer Balkenlage konnte jeweils ein zusätzlicher, verstärkende Stahlträger zur Unterstützung der oberen Balkenlage eingeführt werden. Für den Einbau mussten die Dielen und der Fehlboden der oberen Balkenlage nur bereichsweise geöffnet werden. Der Einbau des Trägers erfolgte in einzelnen Abschnitten mit Kopfplattenstößen; die Trägerstücke „fädelten“ die Handwerker abschnittsweise in den engen Zwischenraum ein. Eine handwerklich hervorragende Leistung! In Bereichen, in denen aufgrund besonders wertvoller Fußböden eine Bodenöffnung aus denkmalpflegerischer Sicht vermieden werden sollte, verzichtete man auf den Einbau von Verstärkungen. Stattdessen begrenzte man über eine Nutzungsbeschränkung die zulässige Personenzahl. Die Bestandsuntersuchungen an den Deckenbalken in diesen Bereichen fanden nicht- und minimalinvasiv mit Radar- und Bohrwiderstandsmessmethode statt.

Ein bestandsgerechtes Brandschutzkonzept machte es möglich, auf eine brandschutztechnische Ertüchtigung der Decken zu verzichten. Grundlagen hierfür waren vor allem eine Risikoanalyse des Brandverhaltens der bestehenden Bauteile, eine Neustrukturierung und Sicherung der baulichen Rettungswege sowie die Errichtung einer Brandmeldeanlage der Kategorie I (Vollschutz) mit aufgeschalteter Alarmierungsanlage. Eine konsequente Kapselung der haustechnischen Leitungsanlagen in den Decken ermöglichte es zudem, auf den Austausch der vorhandenen Sägemehlschüttung in den Unterdecken zu verzichten. Auch für den Einbau der erforderlichen haustechnischen Anlagen konnten denkmalgerechte Lösungen entwickelt werden: So wurden beispielsweise die nicht mehr genutzten geräumigen, gemauerten Kaminzüge als Steigschächte für den Verzug der Leitungen genutzt.

Original erhaltenes Dachwerk

Ein besonderer Schatz sind die vollständig erhaltenen Dachkonstruktionen aus der Erbauungszeit um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Durch die große, zimmermannsmäßig aufwendig gearbeitete Dachkonstruk-tion verlaufen die gemauerten Kaminzüge, die – abgestützt auf Holzgerüste – im Dach verzogen wurden.Von außen soll so ein einheitliches, symmetrisches Erscheinungsbild gewährleistet werden.

Die Dachwerke zeigten zum Teil erhebliche Schäden an den Traufpunkten. Darüber hinaus waren die bauzeitlichen Walmkonstruktionen teilweise konstruktiv nicht befriedigend gelöst; es hatten sich Verformungen an der Zerrbalken- und Kehlbalkenebene eingestellt. Im Hauptdach waren die gemauerten Kaminzüge so konstruiert, dass sie zum Teil die Kehlbalkenebene belasteten beziehungsweise durch ihre schräge Führung Horizontalkräfte auf die Mauerkronen ausübten.

Die schadhaften Holzbauteile wurden in enger Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege zimmermannsmäßig und denkmalgerecht repariert. Fehlende Bauteile ergänzten die Handwerker. Die verkippten Walme wurden gesichert; hierbei erfolgt eine zugfeste Anbindung des Stichgebälks an die Zerrbalkenebene und ein Druckanschluss des Firstes beziehungsweise der Kehlbalkenlage. Die Kaminzüge fassten die Handwerker mit in Bodenebene liegenden Zugbändern zur Aufnahme des Horizontalschubs; es waren keine Eingriffe in den Altbestand erforderlich. Die kalkgebundene historische Dämmung/Schüttung bauten die Handwerker – wo erforderlich – behutsam aus, verorteten sie und bauten sie an originaler Stelle wieder ein. Auch die bauzeitliche Ziegeldeckung konnte weitgehend erhalten bleiben.

Die „schwebende Wand“ im Papstzimmer

Das „Papstzimmer“ mit seinen prachtvollen Fresken ist einer der schönsten Räume des Klosters – zugleich stellte es aber auch besondere Herausforderungen an die Sicherung und Instandsetzung. Die südliche Wand des Raumes war von Rissen durchzogen. Es stellte sich heraus, dass diese Wand in den darunterliegenden Geschossen keine Fortsetzung findet. Sie war vielmehr mit einer bauzeitlichen Sprengwerkskonstruktion nach oben gehängt: Auf der Deckenebene über dem zweiten Obergeschoss befindet sich ein einfaches Hängesprengwerk, das über ein durch die Wand verlaufendes Zugglied den Deckenbalken unter der Wand fasst. Dieser Balken war allerdings gebrochen.

Aufgrund der Weichheit der historischen Konstruktion, die dauerhaft immer wieder zu Rissen geführt hätte, bauten die Handwerker eine additive Stützkonstruktion ein, die die Aufhängung der Wand verstärken und versteifen sollte. Um Eingriffe an der Wand mit ihren überaus wertvollen Malereien und an dem reich gefassten Fußboden des Papstzimmers zu vermeiden, konnte die Unterstützung nur vom Nachbarraum aus erfolgen. Hier wurde – analog zum barocken Bestand – ein neues Hängewerk eingebaut. Die gebrochene Schwelle „schienten“ die Handwerker einseitig mit einem Stahlprofil. Das vertikale Zugband wurde leicht vorgespannt brandschutztechnisch ummantelt, so dass es sich als einzig sichtbares Bauteil der Konstruktion als flache Lisene neben dem Türrahmen auf der vom Papstzimmer abgewandten Seite der Wand darstellt.

Reparatur der Haupttreppe

Die geschwungene, von einer freskierten Spantenkuppel überspannte hölzerne Treppe ist der alte und neue Haupterschließungsweg vom Erdgeschoss in die beiden Obergeschosse. Die elegant um ein rechteckiges Auge in drei Läufen geschwungene Treppe wies zwar keine Schäden auf, war aber aufgrund der zukünftigen Nutzung des Gebäudes als Versammlungsstätte auf ihre Tragfähigkeit und ihre Feuerwiderstandsdauer hin zu untersuchen. Der Lastabtrag erfolgt über Sprengwerke, die sich als Tragkonstruktion der Treppe in den Treppenläufen verbergen. Für die Untersuchung des maßgeblichen Knotenpunktes entfernte ein Holzrestaurator eine Setz- und eine Trittstufe. Die geschmiedeten Nägel wurden hierzu vorsichtig gelöst und an originaler Stelle wieder eingeschossen. Die Befundöffnung gab den Blick frei auf ein handwerklich beeindruckend ausgeführtes Knotendetail, in dem drei Hölzer aus verschiedenen Richtungen miteinander verzapft sind. Das vierte Holz, das als Abstandshalter zwischen der inneren und der äußeren Treppenwange dient, schließt folgerichtig stumpf an diesen Knoten an. Erwartungsgemäß wählte der barocke Zimmermann für diesen Knotenpunkt „astreines“ Holz (in diesem Fall weitgehend insektenresistentes Kernholz der Lärche), mit einer für Nadelholz vergleichsweise hohen Festigkeit. Die gewonnen Informationen und die daraus ermittelte Tragfähigkeit der Treppe wurde frühzeitig in die Planung und insbesondere ins Brandschutzkonzept eingearbeitet, so dass die Treppe in ihrem originalen Bestand erhalten und auf eine Verstärkung der Treppe verzichtet werden konnte.

Einmalige Bausubstanz für die Zukunft bewahrt

Oberstes Ziel der Arbeiten war die Erhaltung der einmaligen Bausubstanz. Mit entsprechender Vorsicht mussten die Handwerker und Restauratoren zu Werke gehen. Wo sonst sieht man auf Baustellen die Injektion von Kalkmilch in den Putz mit einer Spritze, wie man sie nur aus der Medizin kennt? Heilen wollten alle am Bau Beteiligten die verletzte Substanz. Dies ist ihnen am Kloster Raitenhaslach in hervorragender Weise gelungen. Und mit dem im Juni darin eröffneten Akademiezentrum der TU München ist dem Gebäude selbst eine wissenschaftlich geprägte Zukunft gewiss. Wo könnte man auch besser in Klausur gehen, als in einem ehemaligen Kloster? Neben 11 Seminarräumen steht den Akademikern der Festsaal mit seinem prachtvollen Deckenfresko zur Verfügung. All das hatte seinen Preis: Die Gesamtsanierung kostete rund 20 Millionen Euro, von denen allein 15 Millionen Euro auf die Revitalisierung entfielen.

Autor

Mark Böttges hat Bauingenieurwesen an der RWTH Aachen studiert. Es folgte das Aufbaustudium Baudenkmalpflege an der FH Trier. Seit 2006 arbeitet er bei Barthel & Maus Beratende Ingenieure GmbH in München wo er sich mit Umbau, Instandsetzung und Bestandsaufnahme historischer, denkmalgeschützter Gebäude beschäftigte. Seit 2012 ist er dort Geschäftsführer.
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